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25.02.2016·Aktuelle Rechtsprechung OLG Koblenz zu den Anforderungen an die Aufklärung bei Wurzelkanalbehandlungen

·Aktuelle Rechtsprechung

OLG Koblenz zu den Anforderungen an die Aufklärung bei Wurzelkanalbehandlungen

von RA und FA für MedR Norman Langhoff, Berlin, www.rbs-partner.de

| In einem Urteil vom 23. September 2015 hat das OLG Koblenz sich zu den Anforderungen an die Aufklärung bei Zahnextraktionen geäußert und einen Behandlungsfehler infolge des Abbruchs eines Wurzelkanalinstruments verneint (Az. 5 U 603/15, Abruf-Nr. 146397 unter pi.iww.de). |

Der Sachverhalt

Der Zahnarzt hatte beim Patienten am Zahn 17 eine Wurzelbehandlung durchgeführt, in deren Verlauf ein Behandlungsinstrument unentdeckt abbrach und im Wurzelkanal verblieb. Der Patient hat den Zahnarzt später noch viermal aufgesucht, bevor er sich den Zahn 17 bei einem anderen Behandler ziehen ließ. Er machte geltend, die Behandlung sei fehlerhaft gewesen, da vor allem wegen fehlender bildgebender Diagnostik die abgebrochene Instrumentenspitze unentdeckt geblieben sei und er deshalb Schmerzen habe erleiden müssen. Außerdem sei weder vor der Wurzelkanalbehandlung noch nach dem – unerkannten – Bruch des Behandlungsinstruments über die Alternative einer Extraktion des Zahns aufgeklärt worden. Die auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.100 Euro und Erstattung der Folgebehandlungskosten – knapp 2.000 Euro für das Setzen eines Implantats – gerichtete Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Das OLG Koblenz hat die Berufung zurückgewiesen.

Der Instrumentenbruch war kein Behandlungsfehler

Das OLG Koblenz bestätigte das Sachverständigengutachten. Danach stelle das Abbrechen eines Teils des Wurzelkanalinstruments eine Komplikation dar, die auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen auftreten könne. Ob der teilweise Abbruch hätte auffallen müssen, könne offenbleiben, denn es stehe fest, dass das abgebrochene Teil im Wurzelkanal verbleiben konnte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen werde hierdurch keine Entzündung ausgelöst und ein Verbleib könne nur dann kritisch werden, wenn die abgebrochenen Instrumente weit über die Wurzelspitze hinaus überstehen (was sich aus dem Röntgenbild nicht ergebe). Ein Versuch, das abgebrochene Teil zu entfernen, wäre daher nicht sinnvoll gewesen. Das im Wurzelkanal verbliebene Teil habe auch keine Schmerzen verursachen können. Für den Erhalt des Zahns habe das verbliebene Wurzelkanalinstrument keine Rolle gespielt.

 

Insoweit steht die Entscheidung im Übrigen auch in Einklang mit früherer obergerichtlicher Rechtsprechung. Auch nach Auffassung des OLG Köln stellt das Abbrechen eines Behandlungsinstruments bei Wurzelkanalbehandlungen keinen Behandlungsfehler dar (Urteil vom 16.6.1999, Az. 5 U 160/97). Der Verbleib eines abgebrochenen Instrumententeils im Wurzelkanal wurde auch schon vom Kammergericht als nicht behandlungsfehlerhaft eingestuft (Urteil vom 17.12.1992, Az. 20 U 713/92).

 

Die Risiko- und Eingriffsaufklärung

Ausgehend vom Grundsatz, dass der Behandler die Aufklärung zu beweisen hat, ist dem Arzt im Zweifel zu glauben, dass die Aufklärung im Einzelfall in der gebotenen Weise erfolgt ist, wenn einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht ist. Aufgrund folgender Umstände bejahte dies der erkennende Senat des OLG Koblenz:

 

  • In der Dokumentation war vermerkt: „über Nachteile aufgeklärt“.
  • Unter Verweis auf ein bestehendes praxisinternes Qualitätsmanagement hatte der Zahnarzt ausgeführt, standardmäßig über das Misserfolgsrisiko und die Gefahr des Abbruchs von Behandlungsinstrumenten aufzuklären.
  • Weitere Zeugenaussagen (vermutlich der Stuhlassistenz) bestätigten eine „situationsgebundene Aufklärung im Zuge der Folgebehandlung“.
  • Den Einwand des Patienten, er sei wegen der Einnahme des Schmerzmittels „Tramal“ nicht einwilligungsfähig gewesen, ließ der Senat nicht gelten: Es sei nicht plausibel dargelegt worden, dass sich die behauptete Beeinträchtigung seines Wahrnehmungsvermögens auch dem Zahnarzt erschließen musste; aus dessen Dokumentation ergäben sich keine Anhaltspunkte.

Die Aufklärung über Behandlungsalternativen

Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen ist nach gefestigter Rechtsprechung (nur) dann geboten, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen für den Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und/oder Erfolgschancen bieten.

 

Im Gegensatz zu einer Zahnextraktion, bei der über eine Wurzelkanalbehandlung aufzuklären ist (so das OLG Koblenz), bestehe im umgekehrten Fall keine Aufklärungspflicht. Die Zahnextraktion stelle gegenüber einer auf die Erhaltung eines Zahns gerichteten Wurzelkanalbehandlung keine Alternative dar. Die Wurzelkanalbehandlung ist auf die Erhaltung des Zahns ausgerichtet.

 

Eine Aufklärungspflicht bestehe nur dann, wenn die Prognose für den Erfolg der Behandlung schlecht ist und mit einer Zahnerhaltung nicht gerechnet werden kann. Auch eine Hemisektion (Entfernung der erkrankten Zahnwurzel und eines Teils der Zahnkrone) stehe dem als Teilextraktion ebenso wie die Extraktion des Zahns nicht als Behandlungsalternative gegenüber.

 

FAZIT | Die Entscheidung kann nahezu als Handlungsanweisung für ein ordnungsgemäßes Vorgehen bei der Eingriffs- und Risikoaufklärung empfohlen werden: Ein stichwortartiger Dokumentationseintrag, der ein persönliches Aufklärungsgespräch belegt, wird unter Hinweis auf eine praxisinterne standardisierte Vorgehensweise und durch Zeugenaussagen sowie Eigenangaben des Behandlers unterfüttert. Die Entscheidung bestätigt außerdem erneut, dass erstens nur „echte“ Behandlungsalternativen aufklärungspflichtig sind und zweitens der Abbruch von Behandlungsinstrumenten keinen Behandlungsfehler indiziert. Wichtig: Es handelt sich hierbei aber um ein aufklärungspflichtiges Risiko. Auch die grundlegende Pflicht, postoperativ Röntgenbefunde zu erheben, bleibt bestehen.