05.01.2011 |Arzthaftung Vorsicht, Falle! Haftungsausschluss bei einer vertraglichen Zusatzvereinbarung?
05.01.2011 |Arzthaftung
Vorsicht, Falle! Haftungsausschluss bei einer vertraglichen Zusatzvereinbarung?
von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anita Benigna Lehner, Feldafing, www.rain-lehner.de
Ein 40-jähriger Patient wies infolge eines Unfalls eine transdentale Fixation der Zähne 11, 21 und 22 bei Verlust des Zahnes 12 sowie einer Überkronung in regiones 12, 11, 21 und 22 auf. Im Laufe der Jahre waren die Zähne 12, 11, 21 und die Brücke in regio 22 nicht mehr zu erhalten. Der Behandler extrahierte die Zähne 11, 21, 22 und inserierte im Wege der verzögerten Sofortimplantation die Implantate in den regiones 12, 11, 21 und 22. Hierbei erfolgte ein Knochenaufbau mit Knochenbohrspänen, Knochenersatzmaterial und einer resorbierbaren Membran. Die Wundheilung verlief komplikationslos. Es erfolgte die Versorgung mit Langzeitprovisorien aus Kunststoff. |
Die Ästhetik stand im Vordergrund der Behandlung
Der Patient verklagte den Behandler auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines „ästhetisch nicht naturgetreuen Ergebnisses“. Der Patient berief sich darauf, dass bereits bei der Diagnostik, der Aufklärung und während der Behandlung seinerseits immer allergrößten Wert auf ein bestmöglichstes ästhetisches und naturgetreues Ergebnis gelegt habe. Der Behandler habe dieses Ziel auch gekannt. Der Patient empfand „die Kronen als zu lang und optisch entstellend“. Das ungünstige ästhetische Ergebnis hemme ihn beim Kauen und beim Lachen. Er berief sich darauf, dass bei einem separaten Knochenaufbau die Problematik der „längeren Zähne“ hätte vermieden werden können.
Das Verfahren
Mit seiner Klage war der Patient teilweise erfolgreich. Er berief sich auf Aufklärungs- und Behandlungsfehler sowie das Misslingen der im Vordergrund stehenden Ästhetik. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Endversorgung noch nicht erfolgt, sodass das ästhetische Ergebnis offen war. Der Patient hatte durch die Behandlung eine fachgerechte und einwandfreie Herstellung eines stabilen Frontzahnbereichs sowie Schmerzfreiheit und eine optimale Kaufunktion bei hervorragenden Reinigungsmöglichkeiten erhalten.
Erst im Laufe des Verfahrens erfolgte die prothetische Endversorgung. In diesem Zustand erfolgte auch die Untersuchung durch den Gerichtsgutachter. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass bei den vereinbarten ästhetischen Vorgaben ein Aufklärungs- und/oder Behandlungsfehler nicht vorläge. Der Behandler hatte den Patienten bereits vor Behandlungsbeginn auf die Problematik „längerer Zähne“ hingewiesen. Aus Sicht des Gutachters war ein separater Knochenaufbau nicht erforderlich gewesen, ein gleichzeitiger Knochenaufbau mit der Implantatinsertion war nicht zu beanstanden.
Die Anhörung des Gerichtsgutachters
Der Gutachter modifizierte in der Anhörung seine Auffassung dahingehend, dass durch einen separaten Knochenaufbau die Implantate tiefer zu liegen gekommen wären und der Behandler die Kronen hätte kürzer wählen können. Zwar hätte ein separater Knochenaufbau auch ein zusätzliches Risiko dargestellt, da es bei jedem fünften Patienten zu Wundheilungsstörungen komme und weitere Maßnahmen notwendig würden. Aufgrund der Vorgabe des Patienten – Erreichen einer möglichst natürlichen Kronenlänge – hätte allerdings ein separater Knochenaufbau durchgeführt werden müssen. Dann hätte es das Problem der „längeren Zähne“ nicht gegeben.
Die Feststellungen des Gerichts
Das Gericht folgte dem Gutachter dahingehend, dass die Klage zwar wegen Aufklärungs- und Behandlungsfehlern abgewiesen wurde. Es sei jedoch zwischen Patient und Behandler eine über den Behandlungsvertrag hinausgehende zusätzliche Vereinbarung über ein „bestmöglichstes ästhetisches Ergebnis“ zustande gekommen. Diese Vereinbarung habe der Zahnarzt nicht eingehalten. Er habe keinen separaten Knochenaufbau vorgenommen. Die Parteien einigten sich in einem Vergleich, der quotal günstig für den Behandler war (Landgericht München, Az: 10 O 19231/08).
Fazit
Dieser Fall zeigt: Vereinbaren Behandler und Patient über den reinen Behandlungsvertrag hinaus weitere Ziele, so ist es ratsam, einen jeweils einzelfallbezogenen konkret individualisierten Haftungsausschluss vor Behandlungsbeginn zu vereinbaren.
Ausblick: Wirksamkeit von Honorarvereinbarungen im Erstattungsprozess gegen private Kostenträger
Fallankündigung: Eine 45-jährige Patientin unterzieht sich einer objektiv notwendigen Rehabilitation. Der Kostenträger verweigert die Erstattung der Zahnarztgebühren über einem Steigerungssatz von 3,5. Er beruft sich dabei auf die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung. Die Patientin klagt auf Erstattung. Das Gericht hegt Zweifel an der Wirksamkeit der Honorarvereinbarung wegen fehlendem individualisierten Aushandeln. Streitentscheidend ist auch hier, ob die Honorarvereinbarung individualisiert auf die Behandlung ausgehandelt wird oder eine standardmäßige Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) darstellt. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.