Erste europäische Leitlinie zur Behandlung der fortgeschrittenen Parodontitis
Nach der Veröffentlichung der umfangreichen S3-Leitlinie „Die Behandlung von Parodontitis Stadium I-III“, steht die nächste Leitlinie zur Versorgung von Patient:innen mit fortgeschrittener Parodontitis (Stadium IV) zur Verfügung. Damit gibt es auf europäischer Ebene zum ersten Mal Empfehlungen für eine interdisziplinäre und evidenzbasierte Versorgung aller Stadien von Parodontitis.
In Deutschland leiden schätzungsweise 10 bis 11 Millionen Menschen an einer schweren Parodontitis (Stadium III und IV). Parodontitis ist damit eine der häufigsten chronisch-entzündlichen nicht übertragbaren Erkrankungen. „Eine alleinige systematische Parodontitistherapie reicht in schweren Parodontitisfällen nicht aus, um die Dentition zu stabilisieren. Daher ist in der Regel für die orale Rehabilitation eine umfassende multidisziplinäre Behandlung notwendig, die auch prothetische, implantologische und/oder kieferorthopädische, Maßnahmen beinhaltet.“, so Prof. Dr. Moritz Kebschull (Birmingham, England).
Die klinische Diagnose einer fortgeschrittenen Parodontitis (Stadium IV) umfasst fünf Komponenten.
- Zunächst wird der Schweregrad der parodontalen Destruktion, die Beeinträchtigungen der Ästhetik, der Kau- und Sprachfunktion beurteilt.
- Im zweiten Schritt wird die Anzahl der Zähne, die aufgrund von Parodontitis verloren gegangen sind, ermittelt.
- Im dritten Schritt wird bestimmt, welche verbleibenden Zähne erhalten werden können.
- Viertens: Bewertung aller oralen Faktoren, die den Erhalt von Zähnen und/oder das Setzen von dentalen Implantaten erschweren oder begünstigen können, wie zum Beispiel Zahnlücken oder das Knochenangebot.
- Im fünften Schritt wird die Gesamtprognose der Person beurteilt, einschließlich der Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens oder Wiederauftretens der Erkrankung, unter Berücksichtigung von Risikofaktoren wie Rauchen und Diabetes.
Prof. Maurizio Tonetti (Shanghai Jiao Tong University School of Medicine, Shanghai): „Dieser detaillierte Diagnoseprozess ist entscheidend, da er es uns ermöglicht, einen multidisziplinären Behandlungsplan auf der Grundlage dessen zu entwerfen, was technisch und biologisch machbar sowie kostengünstig ist, und dabei die Präferenzen und Erwartungen der Patient:innen zu berücksichtigen.“
Wie auch bereits bei der letzten Leitlinie wird die DG PARO die Originalempfehlungen der neuen EFP-Leitlinie durch eine Expertengruppe auf ihre Anwendbarkeit im deutschen Gesundheitssystem hin überprüfen und in Deutschland implementieren.
1) David Herrera, Mariano Sanz, Moritz Kebschull, Søren Jepsen, Anton Sculean, Tord Berglundh, Panos N. Papapanou, Iain Chapple, Maurizio S. Tonetti. Treatment of stage IV periodontitis –The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol. 2022. doi:10.1111/jcpe.13639.
2) Mariano Sanz, David Herrera, Moritz Kebschull, Iain Chapple, Søren Jepsen, Tord Berglundh, Anton Sculean, Maurizio S. Tonetti. Treatment of stage I-III periodontitis –The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol. 2020;47(Suppl 22):4–60. doi:10.1111/jcpe.13290. – Deutsche Version