02.07.2013·Implantologie Zu wenig Knochen: Vielleicht ein Grund, aber kein Hindernis
·Implantologie
Zu wenig Knochen: Vielleicht ein Grund, aber kein Hindernis
von Wolfgang Schmid, Berlin, Schriftleiter des „Zahnmedizin Report“
| Bei der Implantation kann manches schiefgehen – vor allem, wenn zu wenig Knochen vorhanden ist. Doch in der Regel sind Implantate – auch kurze – eine sichere Versorgungsform, wenn man weiß, was getan werden muss. Dieser Beitrag enthält einige interessante Ergebnisse von den Jahreskongressen der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. |
Das Röntgenbild allein genügt oft nicht
Normalerweise sind zahnärztliche Implantate ein bewährtes und sicheres Verfahren im Rahmen von hochwertigen dentalen Rehabilitationen. Doch gerade im Oberkiefer-Bereich kann es schnell zu einer Dislokation des Implantats in die Kieferhöhle kommen. Die Ursache für solche Implantatdislokationen liegt offensichtlich in der Fehldeutung des tatsächlichen ortsständigen Knochenangebots in der konventionellen Radiologie bzw. in der Panoramaschichtaufnahme. Gerade an Grenzzonen – wie etwa beim Übergang des Oberkiefers zur Kiefer- oder auch zur Nasenhöhle – können projektionsbedingte Summationseffekte und Artefakte zu Fehlinterpretationen des Röntgenbildes führen. Deshalb muss im Zweifelsfall immer eine 3D-Darstellung mittels CT oder noch besser DVT erfolgen, warnen die Autoren.
Knochenfilter mit erhöhtem Infektionsrisiko
Bei Sinusbodenelevationen kann die benötigte Knochenmenge abhängig vom Ausmaß der Augmentation mit Knochenspänen aus einem Knochenfilter gewonnen werden. Doch Wissenschaftler des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Kiel, beschreiben eine erhöhte bakterielle Kontamination bei dieser Art der Knochengewinnung: Bei Sinusbodenelevationen mit Knochenfilter betrug die Infektionsrate 12,5 Prozent, ohne Knochenfilter 4,9 Prozent. Die Infektionsrate bei Augmentationen mit Beckenkammtransplantaten und simultanem Sinuslift betrug gerade einmal 2 Prozent.
Kurze Implantate statt Sinusbodenelevation
Nicht immer gelingt eine externe Sinusbodenaugmentation, um das vertikale Knochendefizit auszugleichen. Eine Alternative zur Augmentation des Sinus maxillaris und der Verwendung längerer Implantate besteht in der Verwendung von kurzen Implantaten. Wissenschaftler der Universität Heidelberg werteten klinische Studien von Implantaten ≤10mm in der atrophen posterioren Maxilla aus. Es sollte gezeigt werden, ob damit eine valide Therapiealternative zu den mit erhöhten chirurgischen Risiken verbundenen Sinusbodenaugmentationen besteht. Es wurden insgesamt 4.018 kurze Implantate bei 3.532 Patienten beobachtet. Die kumulative Überlebensrate betrug 91,33 Prozent (± 6,35 Prozent). Die Verlustrate betrug durchschnittlich 8,67 Prozent (Implantatverluste n = 195). Die mittlere Liegezeit unter voller kaufunktioneller Belastung lag bei 11 Publikationen im Bereich von 25,8 ± 24,96 Monaten. In den restlichen Publikationen war eine Belastungsdauer von bis zu 108 Monaten dokumentiert. Die Verwendung von kurzen Implantaten (≤ 10mm) zeigt deshalb bei Patienten mit limitiertem vertikalen Knochenangebot der posterioren Maxilla eine gute Zuverlässigkeit und stellt daher eine Behandlungsalternative bei verringerter Morbidität, geringeren Kosten und kürzerer Behandlungszeit dar, folgern die Autoren.
Kurz und sofort belastet = höhere Ausfallraten
Weniger gute Ergebnisse erzielten kurze Implantate bei einer offenen prospektiven Multicenterstudie (Italien, USA). Hier wurden sofort belastete Nobel Speedy® und Brånemark System MK III Shorty®Implantate in allen Ober- oder Unterkiefer-Lokalisationen evaluiert. Speedy Shorty sind leicht konisch und MK III parallelwandig, alle Implantate sind 7mm lang. 53 Patienten erhielten 128 kurze Implantate. Alle Implantate wurden entweder in Okklusion oder leicht aus der Okklusion genommen und sofort provisorisch versorgt, 40 im Ober- und 88 im Unterkiefer. 8 Implantate gingen während des ersten Jahres verloren (Überlebensrate von 93,6 Prozent). Weitere 8 Implantate gingen zwischen der 1- und 3-Jahres-Nachsorge verloren, mit einer resultierenden kumulativen Überlebensrate von 86,7 Prozent nach drei Jahren. Die insgesamt 16 Verluste traten bei 9 Patienten auf (2 Patienten verloren jeweils drei Implantate), was als ein Hinweis auf Wechselwirkungen gesehen werden kann.
Präimplantologische Distalisierungstatt Taubheitsgefühl
Bei anatomischen Besonderheiten – wie zum Beispiel bei extremen Knochenatrophien – reicht eine alleinige Kieferkammerhöhung im seitlichen Unterkiefer nicht immer aus. Sind auch kurze Implantate noch zu lang, ist die präimplantologische Nervdistalisierung bei solchen Gegebenheiten eine Option, über die kontrovers diskutiert wird. Sie stellt bei mangelnder Erfolgsaussicht anderer Verfahren aber eine empfehlenswerte Alternative dar, meinen Dr. Dr. Arved Thümmler et al. von der Universität Essen.
Im Rahmen einer prospektiven Studie über 8 Jahre wurden bei Patienten der Klinik für Mund-, Kiefer-und Gesichtschirurgie in Essen präimplantologische Nervlateralisationen in der konventionellen Technik mit rotierenden Instrumenten durchgeführt. Simultan wurde immer eine Auf- bzw. Anlagerungsplastik mit kortikospongiösen Beckenkammtransplantaten vorgenommen. Sekundär wurden 51 XiVE® Implantate inseriert. Nach einem mittleren Intervall von 53,1 Monaten zwischen Operation und abschließender Untersuchung bestanden bei einem Teil der verlagerten Nerven Funktionsstörungen, ausschließlich in Form von Hypästhesien. Diese zwar messbaren funktionellen Defizite bewegten sich jedoch fast ausnahmslos in einem Bereich, der von den Patienten subjektiv nicht wahrgenommen wurde. Nach einem Nachbeobachtungszeitraum von 44,1 Monaten befanden sich 94,1 Prozent der inserierten Implantate in situ; alle übertrafen die in der Literatur für den seitlichen Unterkiefer geforderten Mindestlängen von 10 mm.
Quellen
- [1] Dauter K et al. Implantat in antro – eine vermeidbare Komplikation. 63. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie / 35. Jahrestagung des Arbeitskreises für Oralpathologie und Oralmedizin. 9.10. Mai 2013, Bad Homburg v.d.H.
- [2] Purcz N. Infektionsraten nach Sinusbodenelevationen mit und ohne Knochenfilter und mit Knochentransplantaten vom Beckenkamm. ebd.
- [3] Hess P ert al. Überlebensraten kurzer Implantate in der posterioren Maxilla – eine Literaturübersicht. edb.
- [4] C Lande et al. Dreijahresergebnisse prospektiv multizentrischer Evaluation sofort versorgter kurzer Implantate: Indikationen und Risiken. ebd.
- [5] Thümmler A et al. Zur präimplantologischen Lateralisation des Nervus alveolaris inferior 63. Kongress der DGMKG 22.-25. Mai 2013, Essen