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03.12.2013·Kostenerstattung Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen: Alles Wissenswerte im Überblick

·Kostenerstattung

Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen: Alles Wissenswerte im Überblick

| Implantologische Leistungen gehören grundsätzlich nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Doch wie so oft gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Der Gesetzgeber hat für besonders schwere Fälle Besonderheiten zugelassen, die als Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen (G-BA) in diesem Beitrag näher erläutert werden. |

Die Ausnahmeindikationen

Der G-BA hat in den Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 SGB V die seltenen Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle festgelegt, in denen der Anspruch auf implantologische Leistungen einschließlich der Epithesen (individuelle Hilfsmittel) und/oder der Suprakonstruktionen (implantatgetragener Zahnersatz) im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung gemäß § 28 Abs. 2 SGB V als Sachleistung besteht. Wie alle Leistungen der Krankenkassen unterliegen auch implantologische Leistungen dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V. Der G-BA folgt den Intentionen des Gesetzgebers, dass Versicherte diese Leistungen nur in zwingend notwendigen Ausnahmefällen erhalten.

 

Ein Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz besteht jedoch nur dann als Sachleistung, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. Nach den Richtlinien ist das bei Fällen nach Abschnitt VII Nr. 2 a) bis c) nur anzunehmen, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist. Nur im besonders schweren Fall der muskulären Fehlfunktion – nach Abschnitt VII Nr. 2 d) der Richtlinie – kommt es auf die Belastbarkeit des Prothesenlagers nicht an. Hier hat der Gutachter zu prüfen, ob eine konventionelle Versorgung unabhängig von der Belastbarkeit nicht möglich ist.

 

In einigen der aufgeführten besonders schweren Fälle liegen extraorale Defekte vor. Ursachen können Tumor-Operationen, Unfälle oder genetisch bedingte Aberrationen (Abweichungen) sein. Primäres Ziel ist die Deckung der Defekte. Eine Leistungspflicht der Krankenkassen kommt demnach nur in Betracht, wenn einer der folgenden besonders schweren Fälle vorliegt:

 

Ausnahmeindikationen nach Abschnitt VII der Behandlungsrichtlinien

a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache in Tumor-Operationen, in Entzündungen des Kiefers, in Operationen infolge von großen Zysten (zum Beispiel große follikuläre Zysten oder Keratozysten), in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt, in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten) oder in Unfällen haben.

b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung,

c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen,

d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (zum Beispiel Spastiken).

 

Stellt eine Atrophie eine Ausnahmeindikation dar?

Die vom Bundesausschuss festgelegten Ausnahmeindikationen beinhalten keine Darstellung einer ausgeprägten Kieferatrophie, bei dem eine konventionelle Totalprothese ohne Implantate aus zahnmedizinischen Gründen nicht eingegliedert werden kann. Dies wurde durch zwei Urteile des Bundessozialgerichts vom 19. Juni 2001 (Az. B 1 KR 4/00 R und B 1 KR 5/00 R)bestätigt.

 

Das Gericht folgte in seiner Begründung der Argumentation des G-BA. Es war der Auffassung, dass das Gesetz bzw. die Richtlinien keine Atrophien beinhalten, eine Analogie käme somit nicht in Betracht. Dem Gesetzgeber sei die Problematik bekannt gewesen, er habe Atrophien jedoch bewusst wegen der bestehenden Abgrenzungsprobleme aus der Leistungspflicht ausgeschlossen. Für eine andere Auslegung sei aufgrund des Gesetzeswortlauts kein Raum. Die Leistungsbeschränkung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Allerdings kann eine Atrophie bei gleichzeitigem Vorliegen einer anerkannten Ausnahmeindikation gemäß den Richtlinien des G-BA dazu führen, dass die Unmöglichkeit einer konventionellen prothetischen Versorgung erfüllt wird und dadurch eine Implantatversorgung zulasten der GKV zu erfolgen hat.

Ausnahmefälle

Die Ausnahmefälle sind in den ZE-Richtlinien geregelt. Bei Vorliegen eines Ausnahmefalles gehört die Suprakonstruktion zur Regelversorgung, für die Bema und BEL II die Abrechnungsgrundlage bilden. Der Patient hat einen Anspruch auf einen Festzuschuss zur Suprakonstruktion. Dazu ein Auszug:

 

V. Versorgung mit Suprakonstruktionen (implantatgestützter Zahnersatz) 

36. Suprakonstruktionen gehören in folgenden Ausnahmefällen zur Regelversorgung:

a) bei zahnbegrenzten Einzelzahnlücken, wenn keine parodontale Behandlungsbedürftigkeit besteht, die Nachbarzähne kariesfrei und nicht überkronungsbedürftig bzw. überkront sind b) bei atrophiertem zahnlosen Kiefer

 

37. Der Anspruch im Rahmen der Regelversorgung ist bei zahnbegrenzten Einzelzahnlücken nach Nummer 36 Buchstabe a auf die Versorgung mit Einzelzahnkronen und bei atrophiertem zahnlosen Kiefer nach Nummer 36 Buchstabe b auf die Versorgung mit Totalprothesen als vertragszahnärztliche Leistungen begrenzt.

 

38. Sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit den Implantaten, wie die Implantate selbst, die Implantataufbauten und die implantatbedingten Verbindungselemente, gehören nicht zur Regelversorgung bei Suprakonstruktionen.

 

39. Die Krankenkasse kann die vorgelegte Behandlungsplanung einem Gutachter zur Klärung der Frage zuleiten, ob ein unter Nummer 36 genannter Ausnahmefall vorliegt. Dabei gilt das zwischen der KZBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarte Gutachterverfahren für die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen entsprechend. Das Nähere hierzu regeln die Partner der Bundesmantelverträge.

 

Bedingungen für Leistungsansprüche bei Ausnahmeindikation

Die nachfolgend aufgeführten vier Leistungsvoraussetzungen müssen insgesamt erfüllt sein, damit § 28 Abs. 2 SGB V greift:

 

  • Es besteht eine seltene Ausnahmeindikation für besonders schwere Fälle.
  • Eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate ist nicht möglich.
  • Die implantologischen Leistungen werden im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbracht.
  • Die vorgesehene Behandlung ist ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich, sie überschreitet nicht das Maß des Notwendigen.

 

Aufgrund der Vorgaben in den Behandlungs-Richtlinien (Abschnitt VII Nr. 4) müssen alle Planungen zu Ausnahmeindikationen begutachtet werden. Details dazu wurden von der KZBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen in einer Gutachtervereinbarung festgelegt.

Einschaltung eines Vertragsgutachters

Die Krankenkassen sind nach der getroffenen Gutachtervereinbarung für implantologische Leistungen verpflichtet, einen Vertragsgutachter zu beauftragen und ihre Leistungsentscheidung gegenüber dem Versicherten unter Berücksichtigung des Gutachtens vorzunehmen. Dabei kann die Krankenkasse zusätzlich einen Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Zweitgutachtens beauftragen.

 

Die Krankenkassen sind jedoch nicht berechtigt, anstelle des Gutachtens des vertraglich vereinbarten Gutachterverfahrens nach dem Urteil des MDK über den Antrag des Versicherten ablehnend zu entscheiden. Gutachter und Obergutachter müssen implantologisch erfahrene Zahnärzte sein, die von der KZBV im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen benannt werden. Das Vorschlagsrecht für Gutachter und Obergutachter liegt sowohl bei der KZBV als auch bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Der Gutachter soll dabei die Aufträge innerhalb von vier Wochen bearbeiten.

 

Zum 1. Januar 2000 wurde eine verpflichtende Begutachtung für implantologische Ausnahmeindikationen in den Bundesmantelverträgen verankert. Seit dieser Zeit werden jährlich etwa 2.500 Anträge begutachtet, wobei 2010 in ungefähr 60 Prozent der Fälle der Antrag voll umfänglich bzw. mit Änderungen gutachterlich befürwortet wurde.

Das Gutachterverfahren

Der Zahnarzt – ggf. in Kooperation mit einem Implantologen – erstellt vor Beginn der Behandlung ein Gesamtkonzept für die implantologische und die prothetische Behandlung. Dabei sind die vorgesehenen zahnärztlichen Leistungen, das Implantatsystem, der Implantattyp, die geplanten Implantatpositionen sowie die geschätzten Material- und Laborkosten anzugeben.

 

Die Krankenkasse entscheidet nach dem Gutachten und vor Behandlungsbeginn über die Kostenübernahme. Um eine Begutachtung einzuleiten, wird einem Vertragsgutachter ein schriftlicher Auftrag erteilt und die Behandlungs- und Kostenplanung in zweifacher Ausfertigung zugestellt. Der Implantologe bzw. Zahnarzt erhält den gemäß Gutachtervereinbarung vorgesehenen Begutachtungsvordruck übersendet. Im Begutachtungsvordruck werden die erforderlichen Daten erhoben. Insbesondere werden Angaben über durchgeführte Vorbehandlungsmaßnahmen sowie über die vorliegende Ausnahmeindikation eingetragen. Damit ist eine ausdrückliche Prüfung über das Vorliegen der Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle, wie sie in den Richtlinien des G-BA geregelt sind, verbunden.

 

Wird das Vorliegen einer der Ausnahmeindikationen bestätigt, muss die Prüfung dahingehend erweitert werden, ob eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate möglich ist. Falls das nicht realisierbar ist, kann dies neben dem entsprechenden Vermerk auf dem Begutachtungsvordruck – oder ausführlich auf einem gesonderten Blatt – dokumentiert werden. Alle zur Beurteilung der geplanten Behandlung erforderlichen Unterlagen werden an den Vertragsgutachter übermittelt (Modelle, Röntgenaufnahmen und Befundberichte zur medizinischen Gesamtbehandlung etc.).

 

Begutachtung

Auf eine persönliche Fallbeurteilung mit klinischer Untersuchung des Patienten wird in der Regel verzichtet. Das SGB V und die Richtlinien des G-BA machen hierzu keine Vorgaben. Auch die Gutachtervereinbarung ist nicht eindeutig. Hierin ist lediglich bestimmt, dass bei der Auswahl des Gutachters die Nähe zum Patienten berücksichtigt werden soll. Die KZBV empfiehlt grundsätzlich eine klinische Untersuchung des Patienten.

 

Der Gutachter hat sowohl zur implantologischen als auch zur prothetischen Behandlungsplanung zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit Stellung zu nehmen. Dazu ist insbesondere zu prüfen, ob die Anzahl bzw. Positionierung der geplanten Implantate notwendig bzw. ausreichend ist. Die Kriterien „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ dienen auch zur Beurteilung der geplanten Suprakonstruktion. Der Gutachter kann Änderungen der Behandlungsplanung – auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der geplanten Implantate – vorschlagen. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Vertragsgutachters, ein GOZ-Gutachten zu erstellen. Bestehen Zweifel an der Höhe der Gebühr nach der GOZ, kann der Gutachter der Krankenkasse ein gebührenrechtliches Gutachten durch die Zahnärztekammer empfehlen.

 

Obergutachten

Nach Erstellung des Gutachtens können gemäß der Gutachtervereinbarung entweder der Zahnarzt oder die Krankenkasse bei der KZBV ein Obergutachten beantragen. Dabei kann die Krankenkasse ein Obergutachten nur beantragen, wenn sie Gründe angeben kann, die gegen das Gutachten sprechen. Der Patient ist nicht zur Antragstellung eines Obergutachtens berechtigt. Die KZBV prüft vorgelegte Obergutachtenanträge, ob eine konventionelle prothetische Versorgung möglich ist, bevor ein Obergutachten beauftragt wird.

Die Honorierung von Gutachten

Gutachter und Obergutachter erhalten bundeseinheitlich festgelegte Gebühren. Die Kosten für das Erstgutachten trägt die Krankenkasse, die Kosten für das Obergutachten der Antragsteller. Folgende Gebühren können erhoben werden: Gutachten ohne Untersuchung des Patienten: 77 Euro; Gutachten mit Untersuchung des Patienten: 97 Euro; Obergutachten ohne Untersuchung des Patienten: 164 Euro; Obergutachten mit Untersuchung des Patienten: 184 Euro.