PKV lehnt Nr. 3290 neben Nr. 3300 GOZ ab: Wie kann man dagegen argumentieren?
| Die Abrechnung der Nr. 3290 GOZ neben Nr. 3300 oder 3310 GOZ für die gleiche Region in einer Sitzung wurde lange Zeit generell nicht anerkannt. Das änderte sich mit einem Beschluss des GOZ-Ausschusses der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) aus dem März 2017, der die Nebeneinanderabrechenbarkeit der Ziffern bestätigte. Inzwischen mehren sich aber die Fälle, dass private Krankenversicherungen die Nebeneinanderberechnung nicht anerkennen. Wie kann man argumentieren, um diese dennoch durchzusetzen? PI stellt Ihnen die Ansichten vor und hilft mit einem Musterschreiben. |
Die neue Sichtweise der BZÄK
Die neue Sichtweise des GOZ-Ausschusses zur Nebeneinanderberechnung der Nrn. 3290 und 3300 oder 3310 GOZ in gleicher Sitzung und Region wurde entsprechend in den GOZ-Kommentar der BZÄK aufgenommen. Die geänderte Formulierung lautet wie folgt:
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„Diese Nummer ist berechnungsfähig für Nachbehandlungsmaßnahmen nach einem chirurgischen Eingriff. Beispielhaft ist das Tamponieren genannt. Es können jedoch auch andere Nachbehandlungsmaßnahmen den Leistungsinhalt erfüllen, z. B. die Nahtentfernung, der Drainagewechsel, Wundspülungen, Desinfektionsmaßnahmen an der Wunde oder das Aufbringen wundheilungsfördernder Medikamente. Eine Nachbehandlung der gleichen Wunde nach dieser Nummer kann anschließend an eine Wundkontrolle nach der Nummer 3290 GOZ berechnet werden. Die Wundrevision nach Nummer 3310 ist aufgrund der Abrechnungsbestimmungen sitzungsgleich mit der Nummer 3300 nicht berechnungsfähig. Die Berechnung erfolgt je Wunde, jedoch höchstens zweimal je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich und Sitzung. Allerdings nur, wenn es sich um getrennte Operationsgebiete, also um Gebiete mit nicht zusammenhängender Schnittführung, handelt. Die Vornahme von Wundkontrollen in einem anderen Kieferbereich erfüllt den Leistungsinhalt der Nummer 3290 und ist zusätzlich berechnungsfähig. Die Vornahme von chirurgischen Wundrevisionen in einem anderen Kieferbereich ist unter der Nummer 3310 verzeichnet und ist zusätzlich berechnungsfähig. Die Nummer ist nicht berechnungsfähig für Nachbehandlungsmaßnahmen nach parodontalchirurgischen Eingriffen, aber ggf. neben diesen. Das Stillen einer übermäßigen Blutung nach der Nummer 3060 ist neben der Nummer 3300 an gleicher Stelle nicht berechnungsfähig.“ |
Andere Auffassungen
In Düsseldorf fand anlässlich des 30. Jubiläums der ZA AG am 10.03.2018 zum ersten Mal die Fortbildung „GOZmasters“ statt. Namhafte GOZ-Experten diskutierten u. a. über die o. g. Thematik. Sowohl in angesehener Fachliteratur als auch bei einzelnen Landeszahnärztekammern wird die Möglichkeit der Nebeneinanderberechnung abgelehnt bzw. kritisch betrachtet. Das gilt beispielsweise auch, wenn die Nr. 3290 GOZ und die Nr. 2007 GOÄ (Entfernung von Nähten) nebeneinander berechnet werden. In diesem Fall ist die Nr. 3290 GOZ auch keine selbstständige Leistung. Selbstständig ist diese u. a. nur, wenn lokalisations- und sitzungsgleich keine weitere Leistung an derselben Wunde erfolgt.
Nach Auffassung der Gegner ist die Nebeneinanderberechnung der Nr. 3290 GOZ Bestandteil der Nr. 3300 GOZ (Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff …) und daher aufgrund von § 4 Abs. 2 GOZ nicht berechenbar.
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„Der Zahnarzt kann Gebühren nur für selbstständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.“ |
Die Nrn. 3300 bzw. 3310 GOZ würden zwangsläufig immer eine zumindest visuelle Kontrolle enthalten, ohne die die Behandlungsnotwendigkeit nach Nr. 3300 bzw. 3310 GOZ nicht feststellbar sei.
Auffassung der BZÄK
Im Rahmen der GOZmasters-Fortbildung vertrat Dr. Wolfgang Menke (Vorstand GOZ-Ausschuss BZÄK) die Ansicht, dass der Begriff „selbstständige Leistung” lediglich eine Doppelberechnung nach § 4 Abs. 2 GOZ verhindern soll. Der korrekte Ausschluss der Doppelberechnung wäre mit der Abrechnungsbestimmung oder mit dem Begriff „alleinige (chirurgische) Leistung” zu kennzeichnen gewesen. Nach Abschluss der Wundkontrolle und der Entscheidung über das weitere Vorgehen ist die selbstständige Leistung vollständig erbracht und abgeschlossen. Erst nach Abschluss der Wundkontrolle könne die Indikationsstellung für eine Nachbehandlung erfolgen, daher sei die Nebeneinanderberechnung der Nrn. 3290 und 3300 GOZ zulässig.
Musterschreiben pro Nebeneinanderberechnung
Im Falle von Erstattungsproblemen können Sie Ihren Patienten mit folgendem Musterschreiben unterstützen:
Musterschreiben / Nebeneinanderberechnung der Nrn. 3290 und 3300 GOZ |
Sehr geehrte/r [Name Patient], Ihre private Krankenversicherung hat die Nebeneinanderberechnung der Nr. 3290 neben der Nr. 3300 GOZ mit der Begründung abgelehnt, dass diese Leistungen nicht berechenbar sind, wenn sie in gleicher Region und Sitzung erbracht werden. Diese Aussage ist nicht gebührenkonform. Daher erläutern wir Ihnen gerne den Sachverhalt. Die Gebührentexte der beiden Ziffern lauten: Nr. 3290 GOZ ‒ 55 Punkte Kontrolle nach chirurgischem Eingriff, als selbstständige Leistung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich Nr. 3300 GOZ ‒ 65 Punkte Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (z. B. Tamponieren), als selbstständige Leistung, je Operationsgebiet (Raum einer zusammenhängenden Schnittführung) Die grundsätzliche Bestimmung aus § 4 Abs. 2 GOZ, dass nur selbstständige Leistungen berechnet werden dürfen, wird bei der Nr. 3290 GOZ nochmals betont. In der amtlichen Begründung zur GOZ-Novellierung 2012 heißt es hierzu: „Die in der Beschreibung der Leistung nach Nummer 3290 enthaltene Formulierung ‚als selbstständige Leistung‘ bedeutet nicht, dass die Kontrolle nur als einzige Leistung berechnet werden kann. Ausgeschlossen ist die gesonderte Berechnung dann, wenn die Kontrolle als unselbstständige Teilleistung einer in gleicher Sitzung anfallenden anderen, umfassenderen Leistung anzusehen ist.“ Erst nach Abschluss der Wundkontrolle kann die Indikationsstellung für eine Nachbehandlung oder Wundrevision erfolgen. Daher stellt die Wundkontrolle eine selbstständige Leistung dar. In den Leistungsbeschreibungen zu den Nrn. 3300 und 3310 GOZ ist eine Wundkontrolle nach Nr. 3290 GOZ nicht beschrieben. Weder im Leistungstext der Nr. 3290 GOZ noch in einer Abrechnungsbestimmung existiert ein Ausschluss der Nebeneinanderberechnung mit den Nrn. 3300 und 3310, sodass bereits vom Wortlaut her eine Nebeneinanderberechnung gebührenrechtlich nachvollziehbar ist. Eine Nachbehandlung oder Wundrevision kann erst erfolgen, wenn eine Kontrolle stattgefunden hat. Nachweislich enthalten die Leistungsbeschreibungen einen Hinweis, dass eine Nebeneinanderberechnung der Nrn. 3300 und 3310 neben der Nr. 3060 (Stillung einer Blutung durch Abbinden oder Umstechen des Gefäßes oder durch Knochenbolzung) sitzungsgleich ausgeschlossen ist. Hingegen wird die Nr. 3290 GOZ dort als Ausschluss nicht erwähnt und ist daher neben den GOZ-Positionen 3300 und 3310 berechenbar. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 05.06.2008, Az. III ZR 239/07) gilt, dass das Verhältnis der Bewertungen der einzelnen Leistungen im Gebührenverzeichnis (Punktzahlen) untereinander als ein Kriterium für die Selbstständigkeit der Leistungen und damit ihre Berechnungsfähigkeit nebeneinander zu berücksichtigen ist. Eine Wundkontrolle nach Nr. 3290 GOZ umfasst 55 Punkte, was bei einem 2,3-fachen Gebührensatz ein Honorar von 7,11 Euro zur Folge hat. Die Nachbehandlung einer Wunde nach Nr. 3300 GOZ umfasst 65 Punkte, was bei gleichem Gebührensatz ein Honorar von 8,41 Euro ergibt. Hier besteht ein auffälliges Missverhältnis. Für die Nachbehandlung blieben ‒ wenn die Wundkontrolle nach Nr. 3290 GOZ subsummiert wäre ‒ lediglich 10 Punkte übrig, was ein Honorar von 1,30 Euro für diese Leistung zur Folge hätte. Die medizinische Notwendigkeit einer Nachbehandlung oder chirurgischen Wundrevision ergibt sich immer aus der Wundkontrolle. Ist der Wundheilungsverlauf positiv oder die Wunde bereits optimal verheilt, ist lediglich eine Wundkontrolle erforderlich. Zeigt sich jedoch im Rahmen der Untersuchung ein Handlungsbedarf, erfolgt eine weitere selbstständige Leistung, die für unterschiedliche Maßnahmen im Wundbereich beispielsweise nach der Nr. 3300 GOZ im Rahmen des Vergütungssystems nach Einzelleistungen berechenbar ist. |