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02.06.2014·Kostenerstattung Vertraglicher Leistungsverzicht gegenüber der PKV: Welche Reaktionsmöglichkeiten gibt es?

·Kostenerstattung

Vertraglicher Leistungsverzicht gegenüber der PKV: Welche Reaktionsmöglichkeiten gibt es?

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de 

| Das Erstattungsprozedere privater Krankenversicherer (PKV) ist streitträchtig. Auch wenn der Zahnarzt am Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsunternehmen rechtlich nicht beteiligt ist, kann sich für ihn aus Erstattungsstreitigkeiten dennoch Konfliktpotenzial ergeben. Nachfolgend wird der rechtliche Hintergrund von Vereinbarungen über Leistungsverzichte zwischen den Versicherungsvertragsparteien erörtert. Darüber hinaus werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. |

Beispiel

Wie schmal der Grad zwischen Kulanz und Konflikt sein kann, illustriert der folgende Sachverhalt: Ein Patient ist mit Implantaten versorgt worden. Die private Krankenversicherung informiert ihren Versicherten im Zuge der Behandlungskostenregulierung wie folgt:

 

  • Auszug aus dem Schreiben der PKV

„Anhand der uns überlassenen Unterlagen ergibt sich ein Wert von deutlich über 30 Grad distal und nicht die von Ihrem Behandler attestierten 25 Grad. Es bestand keine Notwendigkeit für eine derart ungünstige Implantatorientierung. Diese entspricht zudem nicht dem zahnärztlichen Standard. Auch die Lokalisation im Bereich des Kauzentrums bei verkürzter Zahnreihe sowie die Versorgung über eine Kombinationsbrücke in Kombination mit einer extremen Implantatorientierung stellen in Summation ein äußerst riskantes Verfahren dar.

 

Aufgrund der langjährigen Vertragsdauer beteiligen wir uns an den Behandlungskosten im tariflichen Umfang. Sollte es im Verlauf der Tragezeit zu einer überlastungsbedingten vorzeitigen Dezementierung oder Verlust der Suprakonstruktion oder der Abutments kommen, werden wir für die nächsten fünf Jahre keine Leistungen übernehmen. Hierfür bitten wir Sie, die beigefügte Einverständniserklärung unterschrieben an uns zurückzusenden.“

 

Ist ein derartiger Leistungsverzicht zulässig?

Mit Rücksendung der „Einverständniserklärung“ soll ein auf einen Leistungsverzicht des Versicherungsnehmers gegenüber der PKV gerichteterVertrag zustande kommen. Außerdem erklärt die PKV für einen bestimmten Sachverhalt bindend ihre Einstandspflicht.

 

Ausgangspunkt einer rechtlichen Bewertung beider Regelungskomplexe ist die vertraglich geschuldete Leistung der PKV. Dies ist im Wesentlichen – je nach vereinbartem Tarif – die Erstattung von Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer für notwendige Heilbehandlungen zur Behandlung von Krankheiten geleistet hat (§ 192 Abs. 1 VVG). Der Versicherte ist demnach vorleistungsverpflichtet; die PKV hat grundsätzlich keine Vorschüsse zu zahlen.

 

Die obigen Ausführungen der PKV sind nicht eindeutig. Durch den Hinweis auf eine Kulanzleistung deutet sie zum einen an, dass eine Leistungspflicht nicht bestehe. Dieser Umstand wird jedoch relativiert, denn die Behandlungsmaßnahmen sollen lediglich „in Summation ein äußerst riskantes Verfahren“ darstellen.

 

Außer in den Fällen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Aufwendungen ist die PKV zur Kostenerstattung vor allem aber (nur) dann nicht verpflichtet, wenn

 

  • entweder schon keine „Krankheit“ vorliegt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die Behandlungsbedürftigkeit mit einer prothetischen Versorgung wird nicht in Abrede gestellt.

 

  • eine erfolgreiche Behandlung mit der konkreten Maßnahme objektiv nicht möglich war (Ungeeignetheit der Methode). Dies wird ausdrücklich nicht behauptet (das Verfahren wird lediglich als „riskant“ bezeichnet).

 

  • keine „notwendige Heilbehandlung“ vorliegt (das heißt wenn die Behandlungsmaßnahme im Behandlungszeitpunkt nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Zeit der Behandlung nicht vertretbar war). Hierzu wird von der PKV ausgeführt, dass die gewählte („ungünstige“) Implantatorientierung nicht „notwendig“ gewesen sei, und implizit ein Behandlungsfehlervorwurf erhoben („entspricht nicht dem zahnärztlichen Standard“).

 

Dieser Vorwurf führt meines Erachtens jedoch nicht zum Wegfall der Erstattungspflicht. Der Arzt schuldet gerade keinen Behandlungserfolg, sondern lediglich ein pflichtgemäßes Bemühen (Behandlung „lege artis“). Auch führt nicht jeder Behandlungsfehler zwingend zum Wegfall des Honoraranspruchs.

Welche Handlungsoptionen kommen infrage?

Die folgenden Möglichkeiten kommen in Betracht:

 

1. Keine Unterzeichnung und Klage auf Kostenerstattung

Der Versicherte unterzeichnet die Einverständniserklärung nicht und nimmt stattdessen die PKV klageweise auf Übernahme der Behandlungskosten in Anspruch. Er bleibt aber dem Zahnarzt gegenüber zur Zahlung verpflichtet und trägt das volle Prozessrisiko, das sich durch die Prozesskosten erhöht.

 

2. Klage gegen den Zahnarzt

Möglicherweise hervorgerufen durch die kritischen Ausführungen seiner PKV könnte der Patient auch ein gerichtliches Vorgehen gegen den Behandler erwägen (zum Beispiel im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens; ein Anspruch aus behauptetem behandlungsfehlerhaften Verhalten ist jedoch solange unbegründet, wie der Patient noch kein Schaden erlitten hat.) Der Zahnarzt würde in diesem Fall in einen Prozess hereingezogen, der ohne Beteiligung der PKV vermutlich gar nicht initiiert worden wäre.

 

3. Unterzeichnung der Einverständniserklärung und Auskunftsverlangen

Um eine möglichst informierte Entscheidung treffen zu können, sollte der Versicherte die Entscheidungsgrundlage der PKV kennen und deshalb nach § 202 VVG Auskunft und Einsicht betreffend vom Versicherer eingeholte Gutachten und Stellungnahmen verlangen (zu Problemen hierbei vergleiche Langhoff, PI 6/2013, Seite 3).

Welche Folgen könnte ein Leistungsverzicht haben?

Nimmt der Versicherte das Angebot der PKV an und stimmt dem befristeten Leistungsverzicht zu, so fragt sich, wie weit ein Leistungsverzicht reicht und ob und inwieweit sich der Versicherte hiervon vorzeitig wieder lösen kann:

 

  • Der Gesetzgeber hat im Rahmen des neuen Patientenrechtegesetzes den PKVen die Möglichkeit eröffnet, als zusätzliche Dienstleistung unter anderem die Unterstützung der Versicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Leistungserbringung zu vereinbaren (§ 192 Abs. 3 VVG). Diese Pflicht bleibt unverändert bestehen.

 

  • Der Versicherte kann die PKV im Zusammenhang mit einer in den inhaltlichen Anwendungsbereich der Vereinbarung und vor Ablauf des Ausschlusszeitraumes liegenden Behandlung um Erstattung ersuchen und sie bei Ablehnung klageweise in Anspruch nehmen. Das angerufene Gericht wäre sodann berufen, auch über die Wirksamkeit des Verzichts zu entscheiden. Dabei könnten zum Beispiel Fragen der zeitlichen und inhaltlichen Angemessenheit des Leistungsausschlusses thematisiert werden.

 

  • Als Vertrag unterliegt der Leistungsverzicht zum Beispiel auch der Anfechtung, wobei vorliegend eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung erwogen werden könnte. Allerdings wäre der Versicherungsnehmer im Streitfall für das Vorliegen einer Täuschung und die Täuschungsabsicht der PKV beweisbelastet.

Präventivstrategie: Vor Behandlungsbeginn Auskunft über den Umfang der Erstattung verlangen

Um möglichst frühzeitig Sicherheit über die Erstattungsfähigkeit zu erlangen, kann der Versicherungsnehmer gemäß § 192 Abs. 8 VVG von der PKV vor Beginn einer Heilbehandlung, deren Kosten voraussichtlich 2.000 Euro überschreiten werden, in Textform Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen. Der Versicherer muss dabei auf vorgelegte Heil- und Kostenpläne eingehen. Ist die Auskunft nicht innerhalb von vier Wochen – in dringenden Fällen zwei Wochen – nach Eingang beim Versicherer erteilt, muss der Versicherer im Streitfall beweisen, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung nicht notwendig war.