27.05.2019·Musterschreiben ARAG verweigert die Erstattung einer DVT: So können Sie Ihren Widerspruch formulieren
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ARAG verweigert die Erstattung einer DVT: So können Sie Ihren Widerspruch formulieren
| Die digitale Volumentomografie (DVT) gibt es seit 22 Jahren. Doch trotz grundsätzlicher Akzeptanz ist die 3-D-Bildgebung von einer flächendeckenden Anwendung weit entfernt. Leider kommt es auch immer wieder zu Erstattungsproblemen, wie u. a. ein aktueller Fall zeigt: Hier lehnt die ARAG bei einem Kunden die Erstattung einer DVT inklusive Zuschlag mit dem Argument ab, eine präoperative Diagnostik mit einem OPG und einer Messkugel sei ausreichend. PI stellt Ihnen den Fall vor und zeigt mit einem Musterschreiben auf, wie Sie ggf. Ihren Widerspruch formulieren können. |
Patientenfall: GKV-Patient mit Zahnzusatzversicherung
Ein gesetzlich versicherter Patient hat bei der ARAG eine Zahnzusatzversicherung mit dem Tarif „Z90 Bonus“ abgeschlossen. Dieser umfasst neben Leistungen für Zahnersatz, Zahnbehandlung und Prophylaxe auch Leistungen für Implantate. Laut ARAG ist die Anzahl der Implantate in diesem Tarif nicht auf eine bestimmte Anzahl oder einen Höchstbetrag begrenzt, sie richte sich jedoch immer nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall.
Im April 2018 wurde bei dem Patienten ein zerstörter Prämolar im Oberkiefer operativ entfernt. Der dadurch entstandene Knochenverlust erforderte eine Augmentation, die in Form einer Ridge Preservation erfolgte. Nach rund einem halben Jahr wurde die Region erneut geröntgt. Die Aufnahme zeigte eine knöcherne Konsolidierung. Um das Knochenangebot im Rahmen der vorgesehenen Implantation dreidimensional zu ermitteln, wurde eine DVT-Aufnahme angefertigt und die Patientenrechnung erstellt.
Das Versicherungsschreiben
Nach Weitergabe der Rechnung zur Erstattung an die ARAG erhielt der Patient eine Nachricht von dieser, dass von dem Rechnungsbetrag 256,46 Euro nicht erstattet wurden. Unter der Rubrik „Erläuterungen“ findet sich folgende Begründung:
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Standard in der präoperativen Diagnostik ist das OPG mit Messkugeln, einartikulierte Modelle und eventuelle Schleimhautdickenmessungen am gesägten Modell. Das Computertomogramm ist als zusätzliches Hilfsmittel nur dann sinnvoll, wenn umfangreiche knöcherne Areale wiederhergestellt werden müssen und das OPG bei schwierigen anatomischen Verhältnissen keine ausreichende Information erbringt. |
Das Schreiben an den Patienten
Solche pauschalen Begründungen von Versicherungen sind nicht zu akzeptieren. In Fällen wie dem hier beschriebenen können Sie als behandelnder Implantologe Ihren Patienten mit folgendem Schreiben unterstützen:
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Sehr geehrter [Titel und Name Patient],
bezugnehmend auf die Leistungsabrechnung Ihrer privaten Krankenzusatzversicherung teile ich Ihnen Folgendes mit:
Bei Ihnen bestand eine rechtfertigende Indikation (im juristischen Sinne) und damit die medizinische Notwendigkeit nach § 1 GOÄ und GOZ, eine digitale Volumentomografie (DVT) zur präimplantologischen Diagnostik durchzuführen. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Computertomogramm (CT), sondern eine DVT erfolgte.
Die Unterschiede beider Röntgenverfahren und deren lndikation sollte bei der Leistungsabrechnung bekannt sein. Ein CT führt u. a. zu einer wesentlich höheren Strahlenbelastung. Seit der Einführung der digitalen Volumentomografie ist die präimplantologische Diagnostik mittels CT obsolet.
Am [Datum eingeben] wurde bei Ihnen, [Titel und Name Patient], der zerstörte Zahn [Region angeben] operativ entfernt. Der dadurch entstandene Knochenverlust erforderte eine Augmentation, die in Form einer [Maßnahme beschreiben] erfolgte. Am [Datum eingeben] wurde eine Röntgenkontrolle vorgenommen, die in der Region [Region angeben] eine knöcherne Konsolidierung erkennen ließ.
Im Vorfeld der Implantation wurde daher am [Datum eingeben] eine DVT-Aufnahme gefertigt. Nur durch diese Maßnahme konnte das Knochenangebot in der Region [Region angeben] metrisch exakt dreidimensional erfasst werden.
Ein OPG kann lediglich eine zweidimensionale Darstellung zeigen. Die Diagnostik mit einer Messkugel ist sowohl zur Beurteilung des Knochenangebots mesio-distal auf Knochenniveau als auch in vertikaler Richtung im Vergleich zum DVT als präimplantologische Diagnostik absolut unzureichend. Ein OPG vergrößert die relevante Anatomie systembedingt um 25‒30 Prozent. Dabei ist die Vergrößerung des Bildes auch nicht gleichmäßig. Durch den eingeschränkten Informationsgehalt des zweidimensionalen OPGs kann es eher zu einer Fehlpositionierung des Implantats kommen. Das wiederum kann zur Folge haben, dass wichtige anatomische Strukturen verletzt werden.
Besonders bei der Implantation im Oberkieferseitenzahnbereich ist es aufgrund der Nähe zur Kieferhöhle extrem wichtig, präoperativ das noch vorhandene vertikale Knochenangebot genau zu kennen. Die Insertion eines ausreichend langen Implantats in dieser Region macht möglicherweise einen internen, wenn nicht gar einen externen Sinuslift notwendig.
In diesem Zusammenhang können durch die DVT auch die Beschaffenheit der Kieferhöhle beurteilt und krankhafte Schleimhautveränderungen ausgeschlossen werden. Liegen krankhafte Schleimhautveränderungen vor, ist eine Sinusliftoperation nicht durchführbar.
Gleichzeitig lässt sich anhand der DVT auch die Knochenklasse beurteilen. Dies ist insbesondere bei Ihnen, [Name Patient], relevant, um den Bohrstollen nach bereits durchgeführter Augmentation am [Datum eingeben] korrekt anlegen zu können.
Die Bestimmung des transversalen Knochenangebots durch ein Bonemapping-Verfahren ist in seiner Aussagekraft und Genauigkeit der DVT deutlich unterlegen. Nach der Kieferabformung wird ein Modell hergestellt und an der vorgesehenen Implantatregion durchgesägt. Beim Bonemapping wird die Dicke der Schleimhaut in der vorgesehenen Implantatregion gemessen und auf den Sägeschnitt eingezeichnet. Dadurch erhält man den ungefähren Knochenverlauf an der vorgesehenen Insertionsstelle. |
Ein OPG mit Messkugel sowie die Schleimhautmessung zur Implantatplanung sind in der modernen Implantologie längst keine Standardverfahren mehr, da sich eben nur mit der DVT exaktere Planungen mit umfangreicherem Informationsgehalt vornehmen lassen. Der Goldstandard ist weltweit derzeit die Planung mittels DVT. In den USA ist eine 3-D-Aufnahme vor jeder Implantation oder Augmentation übrigens Pflicht!
Anders sieht es aus, wenn es ohne die Anwendung einer DVT zu einem Schadensfall mit gerichtlicher Auseinandersetzung kommt. Vor Gericht wird der Gutachter prüfen, warum keine DVT gefertigt wurde. Das Unterlassen einer DVT ist rechtlich nicht vertretbar. Ein Hinweis vom Implantologen, dass eine private Krankenversicherung (PKV) die DVT nicht zahlt, wird im Rechtsfall nicht ausreichen, da die medizinische Indikation und nicht das Erstattungsverhalten der PKV Vorrang hat.
In der deutschen Rechtsprechung sind bereits einige Urteile ergangen, die die Notwendigkeit einer DVT bestätigen:
OLG Köln, Urteil vom 25.02.2002 (Az. 5 U 179/99) Die Perforierung des Kieferhöhlenbodens durch ein Implantat wurde nicht rechtzeitig erkannt, es hätte eine spezielle Röntgenkontrolle (z. B. CT) durchgeführt werden müssen.
OLG Zweibrücken, Urteil vom 02.12.2003 (Az. 5 U 23/02) Aus Sicht der Richter ist es grob behandlungsfehlerhaft, auf der Grundlage von konventionellen Röntgenaufnahmen einen großen chirurgischen Eingriff vorzunehmen, wenn zuvor Diagnosemöglichkeiten nicht ausgeschöpft werden, die eine sichere Aussage über die Notwendigkeit des Eingriffs zulassen (z. B. CT).
AG Dortmund, Urteil vom 21.09.2008 (Az. 421 C 9664/07) Laut Gutachten des Sachverständigen war es aufgrund anatomischer Besonderheiten im Kiefer des Patienten medizinisch nicht zu verantworten, die Implantate ohne Unterstützung durch Navigationstechnik zu inserieren.
LG Köln, Urteil vom 04.11.2009 (Az. 23 O 236/06) Das Gericht hielt eine 3-D-Rekonstruktion und die Analyse eines CT für notwendig und erstattungspflichtig. Aufgrund der komplizierten Knochenverhältnisse habe eine besonders sorgfältige Planung der Insertionsstelle stattfinden müssen. Daher sei der Einsatz der dreidimensionalen interaktiven CT-Analyse nicht zu beanstanden.
AG München, Urteil vom 26.03.2010 (Az. 173 C 31251/08) Das Gericht bestätigt die medizinische Notwendigkeit der DVT. Ohne computergesteuerte Analyse der dreidimensionalen Röntgendaten ist eine individuelle Patientenaufklärung vor Implantation kaum möglich.
Die medizinische Notwendigkeit der DVT ist bei Ihnen, [Titel und Name Patient], gegeben. Hiermit bitte ich Ihre Versicherung, die Gebührenziffern Ä5370 und 5377 GOÄ kurzfristig zu erstatten. Anderenfalls rate ich Ihnen, rechtswahrende Maßnahmen zu ergreifen. Bitte leiten Sie mein Schreiben an den zuständigen Sachbearbeiter Ihrer Versicherung weiter. |
Das obige „Musterschreiben zur Notwendigkeit einer DVT“ können Sie auf der Homepage von PI (iww.de/pi) unter „Downloads/Musterverträge und -schreiben“ abrufen und in Ihrer Textverarbeitung auf Ihren entsprechenden Patientenfall anpassen.
Weiterführende Hinweise
- „Ablehnung der Erstattung einer DVT-Aufnahme wegen S2k-Leitlinie: Wie kann man reagieren?“ in PI 02/2015, Seite 11
- „Die Berechnung und Erstattung von DVT: Was gilt?“ in PI 11/2014, Seite 9
- „Keine Erstattung einer DVT-Aufnahme ‒ warum?“ in PI 07/2014, Seite 14
- „Neue S2k-Leitlinie „3D-Röntgendiagnostik und navigationsgestützte Implantologie“ in PI 08/2012, Seite 1