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03.09.2010 |Recht Haftungsfalle Implantologie: Wie kann sich der Zahnarzt vor Angriffen schützen?

03.09.2010 |Recht

Haftungsfalle Implantologie: Wie kann sich der Zahnarzt vor Angriffen schützen?

von RA und FA für Medizinrecht Norman Langhoff, LL. M., Berlin

Es gibt in der Implantologie erhebliche Haftungsrisiken für den Zahnarzt. Aufgrund vieler Anfragen der Leser von „Praxis Implantologie“ befasse ich mich in diesem Beitrag mit der Frage, wie man sich vor möglichen „Haftungsfallen“ schützen kann.  

 

Aufklärungspflicht des Zahnarztes: Wo sind die Grenzen?

Bestehen zwar mehrere Behandlungsmethoden, die jedoch bei in etwa gleichwertigen Belastungen gleiche Heilungsaussichten versprechen, so ist keine Aufklärung über die Behandlungsalternativen – wohl aber die Risiken der Methode der Wahl erforderlich. Der Zahnarzt muss daher sowohl über mehrere mögliche konventionelle Behandlungsmöglichkeiten als auch über Brückenversorgungen und implantatgetragene Versorgungsvarianten aufklären, wenn beide Varianten tatsächlich in Betracht kommen.  

 

In diesem Zusammenhang sind die jeweiligen Behandlungsrisiken den jeweiligen Vorteilen gegenüberzustellen und anschließend die möglichen Komplikationen aufzuzeigen. Eine Orientierung an rein statistischen Wahrscheinlichkeiten genügt dieser Anforderung jedoch nicht. Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob und wie schwer die spätere Lebensführung des Patienten bei Risikorealisierung eingeschränkt wäre. So kann eine Risikoaufklärung selbst bei einer Komplikationsdichte von unter 0,1 Prozent, 0,01 Prozent oder sogar bei einem Schadensrisiko von 1: 5 Millionen erforderlich sein. 

 

Nicht aufklärungspflichtig sind allgemein bekannte Risiken. Wann das der Fall ist, kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Als allgemein bekannte Risiken angesehen wurden zum Beispiel Wundinfektion, Narbenbruch und Fettembolie nach operativem Eingriff. Im Bereich der Implantologie kann demgegenüber beispielsweise das – immer mögliche – Risiko einer Implantatabstoßung („Implantatverlust“) nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. 

Es ist keineswegs Sache des Zahnarztes, sich über die Absicherung der Patienten gegen Behandlungskosten zu unterrichten. Grundsätzlich gilt vielmehr, dass die Prüfung der Erstattungspflicht des Versicherers Sache des Patienten ist. Vom Zahnarzt kann nicht erwartet werden, dass er die Inhalte aller Versicherungs-Policen kennt. Ist ihm jedoch bekannt, dass die Kosten bestimmter Behandlungen nicht übernommen werden, so ist dies dem Patienten mitzuteilen. Das LG Düsseldorf hat am 29. Juli 2010 (Az: 3 O 431/02; Abruf-Nr. 102771) entschieden: „Der Arzt muss dem Privatpatienten alle zur Kostenerstattung des Versicherers notwendigen Informationen geben.“ 

 

Worauf kann ein Behandlungsfehlervorwurf beruhen?

Der Vorwurf eines Behandlungsfehlers kann von der Befunderhebung bis zur Nachbehandlung an jeden Behandlungsschritt anknüpfen. Existieren Anhaltspunkte für Indikationseinschränkungen (etwa nicht in Gänze ausreichend vorhandenes Hart- bzw. Weichgewebeangebot, problematischer Gewebsaufbau, extreme Kieferatrophie) oder gar Kontraindikationen, so wird von der Rechtsprechung eine umfangreichere Befunderhebung gefordert. Beispielsweise stellt das Setzen von Implantaten ohne vorherige Fertigung einer Übersichtsaufnahme einen Behandlungsfehler dar.  

 

Vorbehandlungen durchführen und dokumentieren

Bestehen Risikofaktoren oder Indikationseinschränkungen, dann sind möglicherweise auch entsprechende Vorbehandlungen angezeigt. Werden diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt, stellt auch dies einen Behandlungsfehler dar. Beispielsweise ist die Erhebung eines Parodontalstatus – mit gegebenenfalls erforderlicher PA-Behandlung – die Voraussetzung für eine anschließende Implantatbehandlung. Schwere parodontale Entzündungen sind als Kontraindikation für eine Implatatinsertion anzusehen. Eine Periimplantitis stellt – insbesondere wenn in unmittelbarer Nähe ein neues Implantat inseriert werden soll – eine Kontraindikation für die Einbringung von Implantaten dar. 

 

Dokumentationslücken gehen zu Lasten des Behandlers

Wichtig ist auch eine behandlungsbegleitende Befundsicherung (etwa die Fertigung intra- und postoperativer Röntgenaufnahmen), um den Behandlungsfortschritt und ergriffene Maßnahmen zu dokumentieren. Das OLG Saarbrücken (10. Dezember 1997 – Az: 1 U 290/97; Abruf-Nr. 102769 unter www.iww.de) hat es als schweren Behandlungsfehler angesehen, wenn nach der Insertion von Implantaten keine Röntgenkontrolle zwecks Überprüfung der Passgenauigkeit erfolgt.  

 

Außerdem kann die unterlassene Erhebung von Kontrollbefunden problematisch sein. Beispiel: Ein Zahnarzt hatte es entgegen medizinischer Notwendigkeit und Üblichkeit unterlassen, den ordnungsgemäßen Sitz eingefügter Implantate in Bezug auf Achsneigung und genügende Tiefe röntgenologisch zu kontrollieren und das Ergebnis zu dokumentieren.  

 

Das OLG Köln (18. April 1994, Az: 5 U 48/94; Abruf-Nr. 102770) hat ausgehend hiervon entschieden: Der Arzt muss beweisen, dass später aufgetretene Komplikationen nicht auf einer fehlerhaften Insertion beruhen, wenn fehlerhafte Ausführung und deren Schadensursächlichkeit jedenfalls nicht unwahrscheinlich sind.“  

 

Weiterführender Hinweis

  • Der im August-Heft angekündigte zweite Teil zur versicherungsrechtlichen Relevanz von Leitlinien, Richtlinien und Empfehlungen erscheint im Oktober.