04.09.2018·Recht Zahnärztliche Leistungen unterhalb des 1,0-fachen Gebührensatzes berechnen ‒ wann ist das erlaubt?
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Zahnärztliche Leistungen unterhalb des 1,0-fachen Gebührensatzes berechnen ‒ wann ist das erlaubt?
| Dürfen Leistungen unterhalb des Gebührenrahmens der GOZ abgerechnet werden? Diese Frage stellt sich z. B. immer mal wieder im Rahmen von zahnärztlichen Werbeaktionen. PI stellt in diesem Beitrag die Fakten und die Rechtslage ‒ auch anhand aktueller Gerichtsentscheidungen ‒ vor. |
Welche Regelungen enthält die Gebührenordnung?
Dem Paragrafenteil der GOZ ist zu dieser Frage zu entnehmen:
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In der GOZ ist also der Gebührenrahmen vom 1,0- bis zum 3,5-fachen Gebührensatz festgelegt. Weicht der Zahnarzt davon ab, so sind die Bestimmungen von § 2 Abs. 1 und 2 GOZ zu beachten:
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Ist der Ansatz von Gebührenziffern oberhalb des 3,5-fachen oder unterhalb des 1,0-fachen Gebührensatzes vorgesehen, so muss nach den formalen Vorgaben eine Vereinbarung mit dem Patienten getroffen werden. Wenn der Schwellenwert überschritten wird, ist das Prozedere bekannt. Allerdings gibt es nur wenige Praxen bzw. Medizinische Versorgungszentren (MVZ), die eine Unterschreitung anvisieren. Die GOZ enthält im Paragrafenteil kein Verbot, eine Vergütungshöhe unterhalb des 1,0-fachen Satzes zu vereinbaren. Allerdings sind die Vorgaben von § 2 Abs. 1 und 2 GOZ auch hier anzuwenden, da der reguläre Gebührenrahmen von 1,0- bis 3,5-fach festgelegt ist.
Das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde enthält im § 15 lediglich den Hinweis, dass Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen sind. Ein Verbot der Unterschreitung des 1,0-fachen Gebührensatzes nach Einhaltung der Bestimmungen von § 2 Abs. 1 und 2 GOZ ist hier ebenfalls nicht enthalten.
Nachfolgend stellt Ihnen PI aktuelle Gerichtsurteile zu dieser Frage vor.
LG Frankfurt: Wertgutscheine waren wettbewerbswidrig
Das Landgericht (LG) Frankfurt hat entschieden, dass Wertgutscheine für eine professionelle Zahnreinigung (PZR), die über ein Internetportal mit einem Betrag unterhalb des 1,0-fachen Gebührensatzes der GOZ angeboten wurden, wettbewerbswidrig sind (Urteil vom 01.07.2015, Az. 2-06 O 45/15, Abruf-Nr. 146305).
Im Urteilsfall bot ein MVZ auf einer Internetplattform eine PZR für 29,90 Euro an. Dabei war das MVZ der Auffassung, dass die Werbung durch die Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützt sei. Nach der GOZ ergebe sich kein Verbot der Werbung mit Preisen. Zahnärzte seien nur verpflichtet, zahnärztliche Leistungen auf Basis der GOZ abzurechnen. Die GOZ fordere jedoch bei werblichen Maßnahmen nicht, dass Gebührenziffern einzeln aufzulisten und der jeweilige Gebührenrahmen zu erfassen sei.
Die Richter sahen das jedoch anders. Laut diesem Urteil hat das MVZ gegen § 5 Abs. 1 GOZ verstoßen, indem es die Gebühren für die PZR unterschritten hat. Die Kosten für eine PZR betragen je Zahn im 1,0- bis 3,5-fachen Gebührensatz zwischen 1,57 und 5,51 Euro. Bei voller Bezahnung (28 Zähne) ergibt sich beim 1,0-fachen Gebührensatz ein Betrag in Höhe von 43,96 Euro, sodass bei Rechnungslegung eines Betrags in Höhe von 29,90 Euro eine deutliche Unterschreitung besteht. Nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ kann mit dem Patienten eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden.
Die Grenzen zu einem unlauteren Preiswettbewerb werden überschritten, wenn eine PZR zu einem Preis angeboten wird, der etwa die Hälfte des 1,0-fachen Gebührensatzes beträgt. Nach Ansicht der Richter verschärft sich die Problematik, wenn man bedenkt, dass das MVZ einen Teil dieses Betrags als Provision an den Internetpartner abführen muss, sodass weniger als die Hälfte des 1,0-fachen Gebührensatzes verlangt wird.
LG Flensburg: „Treuebonus-Aktion“ war wettbewerbswidrig
Das LG Flensburg (Urteil vom 04.03.2009, Az. 6 O 30/09, Abruf-Nr. 112409) stufte eine „Treuebonus-Aktion“ gegenüber Patienten mit dem Angebot einer einmaligen PZR für nur 99 Cent als wettbewerbswidrig ein. Ein Zahnarzt fühlte sich offensichtlich nicht an die auf dem Zahnheilkundegesetz basierenden Mindestpreisvorschriften der GOZ gebunden und startete zur Bewerbung der Verlagerung seines Standorts eine „Treuebonus-Aktion“ gegenüber den Patienten mit dem Angebot einer einmaligen PZR für lediglich 99 Cent statt normal 35 Euro.
Das LG Flensburg erteilte dieser Aktion eine klare Absage. Die in der GOZ enthaltene Mindestpreisregelung für zahnärztliche Leistungen stelle eine Marktverhaltensregelung dar, die darauf abziele, einen Preiswettbewerb um Patienten im Interesse eines funktionierenden Gesundheitswesens zu verhindern. Das Ziel der Regelung von Gebühren-Mindestsätzen würde mit dem Angebot unterlaufen. Zudem wären gleiche rechtliche Voraussetzungen für Zahnärzte im Wettbewerb nicht mehr gewährleistet.
KG Berlin: Kostenlose Fissurenversiegelung war rechtens
Das Kammergericht (KG) Berlin (Urteil vom 31.08.2007, Az. 5 W 253/07, Abruf-Nr. 073293) hatte sich mit der Frage des Unterschreitens der GOZ-Mindestsätze befasst. Die beklagte Zahnarztpraxis führte auf ihrer Internetseite unter der Überschrift „Monate der Zahngesundheit“ aus: „Und die Kinder (6 bis 17 Jahre), die Sie zum Termin mitbringen, erhalten im Rahmen des Kinderprophylaxeprogramms zusätzliche kostenlose Vorbeugemaßnahmen gegen Karies (eine Fissurenversiegelung der „Prämolaren“ kostet normalerweise 80 bis 100 Euro)“.
Aus dem Gesamtzusammenhang des veröffentlichten Textes ergab sich, dass die Praxis ein Angebot an die Versicherten ihrer „Partner-Krankenkassen“ vorstellte, das wie folgt gestaltet war: Ein Zahnarzt nimmt gegen ein Entgelt von 25 Euro bei einem Erwachsenen eine PZR und bei den Kindern im Alter von 6 bis 17 Jahren, die der Erwachsene zu diesem Termin mitbringt, zusätzlich eine kostenlose Fissurenversiegelung der Prämolaren vor.
Die Richter entschieden, dass im Angebot einer kostenlosen Fissurenversiegelung der Prämolaren kein Verstoß gegen die Bestimmungen der GOZ vorliege. Die Zahnärzte haben diese Leistungen nicht insgesamt unentgeltlich vorgenommen, sondern sie im Rahmen einer Individualprophylaxe zusätzlich erbracht. Diese Grundbehandlung können sie gegenüber der GKV abrechnen.
Nach Auffassung der Berliner Richter kann das Angebot einer zusätzlichen kostenlosen Vorbeugemaßnahme gegen Karies (Fissurenversiegelung der Prämolaren) im Rahmen eines „Kinderprophylaxeprogramms“ nach § 2 Abs. 1 GOZ erlaubt sein. Eine Gefährdung des Gesundheitswesens durch einen solchen ‒ begrenzten ‒ „Preiskampf“ erscheine mehr als fernliegend. Zudem sei dies ein die Gesundheit der Bevölkerung konkret stärkender Beitrag der Zahnärzteschaft ‒ so die Richter.
FAZIT | Auch nach Novellierung der GOZ 2012 gibt es kein Verbot der Unterschreitung des 1,0-fachen Gebührensatzes. In Einzelfällen ist dies mit einer Vereinbarung der Vergütungshöhe nach den Vorgaben von § 2 Abs. 1 und 2 GOZ rechtlich möglich. Ob jedoch im Sinne des unlauteren Wettbewerbs ‒ je nach Umfang und Art der Unterschreitung ‒ rechtliche Konsequenzen folgen, sollte mit dem Justitiar der Zahnärztekammer oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorab geklärt werden. |