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26.03.2018·Rechtsprechung Anforderungen an die Behandlungsplanung bei einer Implantatversorgung

·Rechtsprechung

Anforderungen an die Behandlungsplanung bei einer Implantatversorgung

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Norman Langhoff, LLM., Mazars Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin, www.mazars.de

| Ein Urteil des Landgerichts (LG) Ulm bietet vor allem aufschlussreiche Hinweise für die Bewertung planungsrelevanter Faktoren bei einer prothetischen Versorgung. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Ausführungen des Urteils vom 02.03.2016 (Az. 6 O 229/14, Abruf-Nr. 200215) skizziert. |

Zahnarzt muss über echte Behandlungsalternativen aufklären

Der Vorwurf fehlerhafter Planung einer prothetischen Versorgung kann an verschiedene Behandlungsschritte anknüpfen. Entsprechend vielfältig sind die für eine erfolgreiche Haftungsprävention anzustellenden Überlegungen. So ist über echte Behandlungsalternativen ‒ inklusive deren Kosten ‒ aufzuklären. Nur bei gleichwertigen Behandlungsalternativen gilt der Grundsatz der Therapiefreiheit. Die korrekte Aufklärung hat der behandelnde Arzt zu beweisen. Etwas anderes gilt für die tatsächliche Planung, insbesondere die Materialauswahl und Ausführungsform der Versorgung: Wenn hier Fehler gemacht wurden, muss der Patient dies beweisen. Eine besondere Bedeutung haben schließlich explizite Wünsche des Patienten. All diese Aspekte spiegelt das Urteil des LG Ulm wider.

Der Sachverhalt: Patientin moniert unvollständige Planung

Die Patientin war von 2001 bis 2012 in Behandlung des Zahnarztes. Mit ihrer Klage machte sie Behandlungsfehler geltend, die sich einerseits auf eine behauptete fehlerhafte Durchführung bzw. Nachbesserung, vor allem aber auf eine unvollständige Planung (Brücke 14 bis 16, Füllung 11 sowie Beschleifen 17, Kronen 45 und 47) bezogen. Es sei kein Gesamtplanungskonzept zu erkennen. Vermehrtes Schleifen habe einige Zähne innen ausgedünnt, weshalb es zu Abbrüchen der Zahnränder an den Zähnen 12, 13, 34 gekommen sei.

 

Der beklagte Zahnarzt hatte eingewandt, die Patientin habe die ihr bereits am 24.01.2007 nach umfassender Implantatberatung empfohlene Versorgung aus Kostengründen abgelehnt und sich lediglich für eine implantatgetragene Kronenversorgung in regio 45 und eine Kronenversorgung 47 entschieden. Das LG Ulm hat die Klage auf Basis des Sachverständigengutachtens abgewiesen.

 

Die Behandlungsplanung war nach Feststellung des Sachverständigen lege artis. Zwar habe bei der Patientin ein seit den 1990er-Jahren prinzipiell gesamttherapiebedürftiges Gebiss bestanden, das immer nur teiltherapiert worden sei. Die Patientin habe aber lediglich eine implantatgetragene Kronenversorgung in regio 45 und eine Kronenversorgung in regio 47 und damit nur eine Teiltherapie gewünscht. Deshalb könne das Nichtdurchführen der Gesamtplanung, nach der ein weiteres Implantat regio 46 gesetzt werden sollte, dem Zahnarzt nicht als Behandlungsfehler angelastet werden. Zwar ließ sich der Behandlungsdokumentation die behauptete Beratung nicht im Jahr 2007, sondern erst im Jahr 2009 entnehmen. Auch wenn eine Gesamtplanung im Jahr 2007 fehlte, begründete dies aus Sicht des Sachverständigen keinen Behandlungsfehler. Dem schloss sich das Gericht an. Begründung: Die Gesamtplanung richte sich immer nach den konkreten Gegebenheiten und auch nach den Wünschen des Patienten, die sich im Laufe der Zeit verändern könnten.

 

Auch die Fertigung eines OPG sei für eine Gesamtplanung nicht erforderlich; es könnten auch einzelne Röntgenbilder gefertigt werden. Jedenfalls habe die Patientin laut Dokumentation am 20.03.2008 nur ein Implantat gewünscht. Der Sachverständige wertete dies im Sinne einer Gesamtplanung entsprechend dem Wunsch und der Behandlungsbedürftigkeit der Patientin an diesem Tag.

Keine allgemeingültige Aussage zu Implantatlängen möglich

Auch die Implantatlänge sei nicht zu beanstanden. Hier sei immer der konkrete Einzelfall entscheidend; es gebe keine Standards und Regellängen. Das verwendete Implantat halte nach Feststellungen des Sachverständigen einen Abstand von 2,5 mm zu einem dort verlaufenden Nerv ein, ein längeres Implantat von z. B. 10 mm wäre direkt an den Nerv gekommen.

Beschleifen von Kronen von Nachbesserungsrecht umfasst

Bekanntlich steht dem Zahnarzt bei prothetischen Versorgungen ein Nachbesserungsrecht zu, weil aufgrund der Komplexität der zahnärztlichen Dienstleistung eine sofortige Passgenauigkeit nicht erwartet werden kann. Dabei können Umfang und Häufigkeit der dem Zahnarzt einzuräumenden Nachbesserungsversuche nicht generalisiert betrachtet werden. Sie sind vielmehr in der Gesamtschau der konkreten Gegebenheiten zu beurteilen (OLG Köln, Beschluss vom 27. 08. 2012, Az. 5 U 52/12, Abruf-Nr. 131338).

 

Diese Grundsätze sind in der Entscheidung des LG Ulm ‒ einmal mehr ‒ bestätigt worden. Der Sachverständige konnte aufgrund zwischenzeitlicher weiterer Behandlungen zwar nicht mehr feststellen, ob übermäßig beschliffen worden war. Grundsätzlich sei es aber „beinahe tägliche Erfahrung jedes Zahnarztes, dass Kronen nach dem Einsetzen auch nachträglich noch in der Höhe korrigiert werden müssen. Darin sei kein Behandlungsfehler zu sehen. Je nach Sensibilität und Adaptionsvermögen des Patienten könne dieses Vorgehen auch mehrmals nach Eingliederung nötig werden.“

 

FAZIT | Die Entscheidung verdeutlicht: 1. Einmal mehr zeigt sich, welche Bedeutung das im Arzthaftungsprozess bei Behandlungsfehlervorwürfen regelmäßig einzuholende Sachverständigengutachten hat. 2. Eine gute Dokumentation ist im Streitfall essenziell (beispielsweise zum Nachweis eines Teiltherapiewunschs). 3. Schließlich hat das Urteil deutlich gemacht: Die Planung implantatgetragener Versorgungen entzieht sich wegen der individuellen Gegebenheiten einer abstrakten Bewertung. 4. Mehrmalige Nachbesserungsmaßnahmen sind bei prothetischen Versorgungen beinahe die Regel und ohne Weiteres zulässig.