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26.03.2018·Forschung Plasma gegen Periimplantitis: Bakterien bekämpfen, Oberfläche bioaktivieren

·Forschung

Plasma gegen Periimplantitis: Bakterien bekämpfen, Oberfläche bioaktivieren

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZR ZahnmedizinReport, Berlin

| Die Behandlung von kontaminierten Implantatoberflächen mit kaltem Plasma ist einer der möglichen Therapieansätze aus einer Reihe von Möglichkeiten, mit dem Zahnmediziner die lange unterschätzte Periimplantitis bekämpfen wollen. Mit dem konventionellen Instrumentarium aus der Parodontologie bekommt man die Periimplantitis oft nicht in den Griff. |

Periimplantitis ‒ die tickende Zeitbombe

Die Behandlung der Periimplantitis kann später einschneidende Kosten verursachen, mit denen viele Patienten nicht rechnen. Bei mindestens jedem zehnten Implantat tritt eine solche Entzündung mit Knochenabbau auf ‒ so grobe Schätzungen. Eine aktuelle Literaturrecherche über 29 Fachartikel ergab: Die Prävalenzrate in allen Metaanalysen der Teilmenge war auf der Patientenebene immer höher als auf Implantatebene, weil viele Patienten mehrere Implantate haben. Die Prävalenz von Periimplantitis betrug 18,5 Prozent auf Patientenebene und 12,8 Prozent auf Implantatebene. Prof. Stefan Renvert, Universität Kristianstad, kommt bei Langzeitbeobachtungen über 20 und mehr Jahre zu einer Diagnose der periimplantären Mukositis bei 54,7 und der Periimplantitis bei 22,1 Prozent der Patienten.

 

„Die Probleme treten meistens erst fünf bis zehn Jahre nach dem Einsetzen eines Implantats auf“, sagt Prof. Dr. Nicola Zitzmann, eine Spezialistin für Periimplantitis an der Universität Basel. Je mehr Implantate eingesetzt werden, desto verbreiteter wird ‒ mit zeitlicher Verzögerung ‒ auch das Problem der Periimplantitis. Nicht nur Stefan Renvert spricht ‒ angesichts von Millionen gesetzter Zahnimplantate ‒ von einer „tickenden Zeitbombe“.

Auf der Suche nach einer überzeugenden Therapie

Solange eine überzeugende Therapie fehlt, behandeln die meisten Spezialisten konventionell, das heißt wie bei der Parodontitis. Es wird mechanisch gereinigt und desinfiziert. Bei größeren Eingriffen kommen auch Antibiotika zum Einsatz. Anders als bei der Parodontitis ist bei einer Periimplantitis häufig zusätzlich eine Behandlung des Knochenverlusts angezeigt. Letzterer hat zur Folge, dass das Gewinde sichtbar wird.

 

Mechanische Techniken reinigen die freigelegten Implantathälse mit Titanbürsten oder einem Pulverstrahler. Andere nutzen den Laser ‒ entweder als Strahlenquelle oder bei der Photodynamischen Therapie: Dort zerstört eine Substanz, die durch Laserstrahlen aktiviert werden kann, die Bakterien, die die Implantate besiedeln. Nicola Zitzmann von der Universität Basel ist jedoch skeptisch: „Alle diese Techniken haben bislang nicht den durchschlagenden Erfolg gezeigt.“

 

Eine der weiteren möglichen Ansätze, den bakteriellen Biofilm am Implantat berührungsfrei und nicht nur mechanisch zu zerstören, ist das „Kalte Plasma“. Atmosphärisches Niedrigtemperaturplasma („cold atmospheric plasma“, CAP) ist ionisierte Luft, bestehend aus Elektronen, Ionen, angeregten Atomen und Molekülen, reaktiven Sauerstoff- und Stickstoff-Molekülen. Seine Wirksamkeit gegen Biofilmbakterien belegten u. a. Wissenschaftler der Universität Regensburg: Kaltes Plasma ist als kontaktfreies antibakterielles Verfahren genauso effektiv wie Chlorhexidin (0,2 oder 2,0 Prozent) oder ultraviolettes Licht (266 nm). Es konnte nicht nur Bakterienkolonien, sondern auch mehrere Tage alte Biofilme effektiv zerstören. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Mikroorganismen in der Lage sind, Resistenzen gegen den Angriff der hochreaktiven Gase zu bilden. Das ist ein Vorteil gegenüber Antibiotika.

Im Test: Kombination alter und neuer Verfahren

Im Verbundprojekt PeriPLas werden verschiedene vielversprechende Methoden für den Kampf gegen die Periimplantitis miteinander kombiniert. Die Zahnmediziner um Projektleiter Dr. Lukasz Jablonowski vom Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde aus Greifswald untersuchen die Effizienz einer mechanischen Reinigung mit einem Pulverstrahlgerät, die Behandlung mit einem Diodenlaser und kaltem Atmosphärendruckplasmajet. Eine mechanische Reinigung ist notwendig, um den Hauptbelag des Biofilms abzutragen. Die Behandlung mittels zahnärztlicher Laser könnte zudem die Reduktion vitaler Mikroorganismen unterstützen. Kaltes Plasma kann zurückbleibende Bakterien abtöten und die Implantatoberfläche aktivieren, um die Anhaftung von knochenbildenden Zellen auf dem Implantat zu unterstützen.

Gegen Bakterien, für Osteoblasten

„Die drei favorisierten Verfahren sind sehr schonende Methoden, die keinen signifikanten Einfluss auf die Struktur der Implantatoberfläche haben. Nach Möglichkeit soll die Mikro- und Nanostruktur der Implantatoberfläche erhalten bleiben, sodass die Eigenschaften der gereinigten Implantate denen von fabrikneuen Implantaten sehr nahekommen, da deren Oberflächen zur Anhaftung von knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) optimiert sind“, erläutert Lukasz Jablonowski.

 

Die gründliche Reinigung und die oberflächenschonenden antimikrobiellen sowie oberflächenaktivierenden Behandlungsstrategien begründen die Annahme, dass ein Kombinationsverfahren zum Abklingen der Entzündung und im Idealfall zur Heilung der Periimplantitis führt. Das Kombinationsverfahren soll im letzten Jahr des Projektzeitraums in einer großen multizentrischen klinischen Pilotstudie hinsichtlich seiner Wirksamkeit und Sicherheit an Patienten überprüft werden. Bei Erfolg versprechenden Ergebnissen sind im Anschluss die Entwicklung eines Serienprodukts und dessen weltweite Vermarktung vorgesehen.

 

Literaturliste

  • 1) How frequent does peri-implantitis occur? A systematic review and meta-analysis. Rakic M, Galindo-Moreno P, Monje A, Radovanovic S, Wang HL, Cochran D, Sculean A, Canullo L. Clin Oral Investig. 2017 Dec 7. doi: 10.1007/s00784-017-2276-y. [Epub ahead of print]
  • 2) Occurrence of cases with peri-implant mucositis or peri-implantitis in a 21-26 years follow-up study. Renvert S, Lindahl C, Persson GR. J Clin Periodontol. 2018 Feb;45(2):233-240. doi: 10.1111/jcpe.12822. Epub 2017 Nov 29.
  • 3) Straumann F. Teure Infektionen bei Zahnimplantaten. Tages-Anzeiger; 8.3.2011.
  • 4) Theinkom F et al. Antibakterielle Wirkung von Niedrigtemperaturplasma auf verschiedene dentale und dermale Bakterienspezies in vitro. 50. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung AfG, Mainz 11.-12.1.2018.
  • 5) Periimplantitis: BMBF fördert zahnärztliches Verbund-Projekt mit 1,1 Millionen Euro. Mitteilung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 21.02.2018