01.12.2015·Spezialistenbehandlung Implantationen in anderen Praxen erbringen: Was ist zu beachten?
·Spezialistenbehandlung
Implantationen in anderen Praxen erbringen: Was ist zu beachten?
| Das Leistungsspektrum in einer Zahnarztpraxis kann um die Implantologie erweitert werden, ohne dass ein niedergelassener Zahnarzt selbst entsprechende Qualifikationen aufweist oder erwirbt. Eine Lösung ist, einen Spezialisten („Flying doctor“) zu beauftragen, der in die eigene Praxis kommt und dort chirurgisch tätig wird. Hier treten jedoch berufs-, haftungs- und steuerrechtliche Probleme auf. In diesem Beitrag stellt PI einzelne markante Punkte und mögliche Lösungen vor. |
Berufsordnung, Praxissitz und Praxisschild
Dem Grundsatz nach ist eine Tätigkeit in einer fremden Zahnarztpraxis zwar möglich. Dabei gilt es jedoch, diese Form der Kooperation auf eine rechtlich einwandfreie Basis zu stellen. Nach § 9 Abs. 1 und 2 der Musterberufsordnung für Zahnärzte (MBO) ist die Berufsausübung des selbstständigen Zahnarztes an einen Praxissitz gebunden. Die Ausübung des zahnärztlichen Berufs in weiteren Praxen oder an anderen Orten als dem Praxissitz ist zulässig, wenn in jedem Einzelfall die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten sichergestellt wird. Nach § 22 Abs. 1 und 2 MBO ist der Praxissitz durch ein Praxisschild kenntlich zu machen, das neben den Sprechzeiten auch den Namen des Zahnarztes mit Fachbezeichnungen ausweist.
Operiert ein „Flying doctor“ in einer fremden Praxis, in der er nicht angestellt ist, handelt er als freier Mitarbeiter, der für seine Tätigkeit patientenbezogen ein Honorar bekommt. Nach § 9 Abs. 2 MBO ist geregelt, dass die Ausübung des zahnärztlichen Berufs in weiteren Praxen gestattet wird, wenn die Versorgung der eigenen Patienten dadurch nicht gefährdet wird. Eine ausschließliche Tätigkeit in anderen Praxen („Umherziehen“) ist ausgeschlossen.
Die fehlerbehaftete Musterrechnung eines „Flying doctor“
Die folgende Rechnung ist bereits in sich fehlerbehaftet und keinesfalls als Vorlage verwendbar, sondern zeigt beispielhaft Unzulänglichkeiten auf.
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Mobile orale Chirurgie und Implantologie Dr. Mustermann
Zahnarzt Dr. Musterzahn Rechnung für Behandlung Patient Musterfrau
Rechnungs-Nr. 10/2015 Oberkiefer rechts externe Sinusbodenelevation mit lateraler Augmentation Zweiphasiges Vorgehen |
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Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag in Höhe von 1.163,95 Euro bis zum … auf mein Konto bei …. |
Persönliche Leistungserbringung
In den Berufsordnungen der Zahnärztekammern gibt es unterschiedliche Regelungen zur Ausübung ambulanter Leistungen in anderen Praxen. Nach § 2 Abs. 1 MBO gilt sinngemäß: Die persönliche Leistungserbringung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Zahnarzt leitend und eigenverantwortlich tätig wird, wenn nicht ärztliche oder ärztliche Mitarbeiter eigene berufliche Leistungen erbringen. § 4 Abs. 2 GOZ gesagt: Gebühren sind nur für Leistungen berechenbar, die der Zahnarzt selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Beim implantologischen Eingriff handelt es sich jedoch keinesfalls um delegierbare Leistungen, da der Zahnarzt selbst das Fachgebiet nicht ausübt und somit keine fachlichen Weisungen geben kann.
Rechnung durch den Zahnarzt
Die oben abgebildete Rechnung verstößt gegen geltendes Recht, weil der „Flying doctor“ im Innenverhältnis seine Honorarforderung für die Patientenbehandlung gegenüber dem Zahnarzt erhebt. Darüber hinaus enthält die Rechnung Fehler im Honorar- und Materialbereich. Der Kieferkammaufbau nach GOZ-Nr. 9100 ist neben einer Sinusbodenelevation in gleicher Kieferhälfte nur zu einem Drittel berechenbar. Der Verschluss einer eröffneten Kieferhöhle ist bereits Inhalt der GOZ-Nr. 9120. Das sterile Abdeckset ist nicht berechenbar, da dieser Posten Inhalt des OP-Zuschlags nach GOZ-Nr. 0530 ist. Die Preisfindung der aufgeführten Materialien ist nicht nachvollziehbar.
Bei dieser Vorgehensweise übernimmt der Zahnarzt die einzelnen Posten der Rechnung im Innenverhältnis auf sein Geschäftspapier und stellt somit Leistungen in Rechnung, die er nicht persönlich erbracht hat (Abrechnungsbetrug, § 263 StGB). Diese Leistungen sind auch nicht delegationsfähig und daher hat die Abrechnung negative haftungs- und steuerrechtliche Folgen.
Rechnung durch den „Flying doctor“
Alternativ kann der „Flying doctor“ selbst eine Rechnung an den Patienten ausstellen, weil er entsprechend § 4 Abs. 2 GOZ die Leistungen auch erbracht hat. Hierbei ist ein Behandlungsvertrag von Zahnarzt und „Flying doctor“ mit dem Patienten zu vereinbaren. Zu hinterfragen ist jedoch, ob die Leistungen berechnet werden können, weil sie nicht an seinem Praxissitz erbracht wurden (§ 9 Abs. 1 MBO).
Bei dieser Vorgehensweise muss der Zahnarzt nach § 4 Abs. 5 GOZ seinen Patienten vor Behandlungsbeginn informieren, dass die Rechnungslegung für die Leistungen des „Flying doctor“ durch ihn selbst erfolgt. In welcher Form dabei eine Nutzungsgebühr für die Praxisräume an den Zahnarzt geleistet werden kann, muss mit den entsprechenden Fachleuten geklärt werden (zum Beispiel Zahnärztekammer, Steuerberater, Fachanwalt).
Kick-back-Zahlung
Nach § 2 Abs. 8 MBO ist es dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung und Vermittlung von Patienten ein Entgelt zu fordern oder sich andere Vorteile versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren, sodass eine Nutzungsgebühr rechtskonform vertraglich definiert werden sollte. Der Verdacht, dass die als Nutzungsgebühr deklarierte Geldleistung auch einen Betrag für die Zuweisung von Patienten umfasst, ist dadurch vermeidbar. Hier sind im Rahmen des bald in Kraft tretenden Antikorruptionsgesetzes die Bestimmungen von § 299a StGB zu beachten, der nach derzeitigem Stand die Zuweisung gegen Entgelt als Straftat abbildet.
Umsatzsteuer
Falls der „Flying doctor“ für die Nutzung der Praxisräume, gegebenenfalls auch für weitere Posten, eine Gebühr an den Zahnarzt zahlt, dann ist zu beachten: Eine derartige Gebühr stellt keine medizinisch notwendige Leistung im Rahmen der umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlung dar, sodass sie umsatzsteuerpflichtig ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied am 24. September 2004 (Abruf-Nr. 051884 unter pi.iww.de), dass für die Mitbenutzung einer Praxiseinrichtung in einer Praxisgemeinschaft die jährlich gezahlte Nutzungsvergütung eines Zahnarztes Umsatzsteuer auslöst.
Benutzung fremder Instrumente und Geräte
Bringt ein „Flying doctor“ nicht seine eigenen Instrumente (Basis- und chirurgische Instrumente, Implantatfräsen etc.) und gegebenenfalls Geräte (zum Beispiel OP-Motor, Piezo surgery) mit in die Praxis, sondern nutzt fremde Elemente der Zahnarztpraxis, entstehen Haftungsrisiken. Für die Aufbereitung und Anwendung von zahnärztlichen Instrumenten und Geräten gibt es strenge Vorschriften. Werden Instrumente vom „Flying doctor“ benutzt, die von der Zahnarztpraxis aufbereitet wurden, handelt es sich möglicherweise um eine Fremdaufbereitung. Somit bestehen höhere hygienische Anforderungen.
Haftungsrechtliche Folgen
Ein Behandlungsvertrag kommt zwischen Zahnarzt und Patient zustande. Implantiert ein Spezialist in der Zahnarztpraxis und rechnet er über den Zahnarzt ab, so haftet dieser gegenüber seinem Patienten bei Behandlungsproblematiken bzw. -fehlern. Denn: Ohne Bekanntmachung des Spezialisten auf dem Praxisschild muss der Patient davon ausgehen, dass der Zahnarzt sein Vertragspartner ist.
Die Berufshaftpflicht
Erstellt der Zahnarzt die Rechnung über Leistungen, die er nicht erbracht hat, so haftet er als Dritter, was nicht durch die Berufshaftpflichtversicherung gedeckt sein wird. Der „Flying doctor“ wiederum muss abklären, ob seine Berufshaftpflicht auch den Schutz bei Tätigkeiten außerhalb des eigenen Praxissitzes umfasst. Zudem sollte mit der Zahnärztekammer abgesprochen werden, ob eine Anzeige über den Umfang seiner Tätigkeit in fremden Zahnarztpraxen erfolgen muss.
Beachten Sie | Die Berufsordnung der Zahnärzte in den einzelnen Bundesländern gibt Hinweise, wie eine Spezialistenbehandlung in der eigenen Praxis als Erweiterung des Therapiespektrums in Kooperation mit einem externen Kollegen realisierbar ist. Gemeinsam sollte ein Gespräch mit der Zahnärztekammer, dem Steuerberater und einem Fachanwalt erfolgen, um berufs- wie steuerrechtliche Aspekte rechtssicher vertraglich zu vereinbaren.
Weiterführende Hinweise
- Beachten Sie zu dieser Thematik auch die folgenden Beiträge:
- „Flying Doctor bei Implantat-Leistungen auf Honorarbasis: Bruchlandung ist absehbar!“ in PI 08/2013, Seite 3.
- „Flying Doctor“, Teil 2: Die Haftung gegenüber den Patienten“ in PI 09/2013, Seite 19.