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31.05.2016·Steuern, Teil 4 Umsatzsteuerpflicht im Praxislabor – was ist zu beachten?

·Steuern, Teil 4

Umsatzsteuerpflicht im Praxislabor – was ist zu beachten?

| Der Zahnarzt kann als Unternehmer nach § 11 der Musterberufsordnung für Zahnärzte ein Praxislabor führen. Dabei stellt sich die Frage, ob und ab wann bei zahntechnischen Leistungen und Materialien Umsatzsteuer ausgewiesen werden muss. |

Wie ist die Ware der Prothetik definiert?

Die Umsätze eines Zahnarztes sind von der Umsatzsteuer befreit. Werden jedoch Zahnprothesen (Ware der Prothetik) her- oder wiederhergestellt, sind diese Leistungen umsatzsteuerpflichtig. Der Begriff „Zahnprothese“ im Steuerrecht bezieht sich nicht nur auf Prothesen, sondern umfasst beispielsweise auch Inlays, Onlays, Veneers, indirekt hergestellte Provisorien, Kronen, Brücken und im CEREC-Verfahren hergestellte Elemente – und zwar mit allen zugehörigen Arbeitsschritten und Materialien.

Umsatzsteuerpflicht im Praxislabor?

Umsatzsteuerpflicht besteht laut der Kleinunternehmerregelung, wenn die Einnahmen aus dem Praxislabor für sich allein oder mit anderen umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen des Zahnarztes zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Vorjahr 17.500 Euro Gesamtumsatz überstiegen haben. Umsatzsteuerpflicht besteht aber auch, wenn diese Grenze im Vorjahr nicht überschritten wurde, im laufenden Kalenderjahr aber der Umsatz mehr als 50.000 Euro einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer beträgt.

 

Dabei ist die plausible und im Bedarfsfall nachweisbare Umsatzprognose des Zahnarztes zu Beginn des Kalenderjahres maßgeblich. Entscheidet der Zahnarzt zu Jahresbeginn, dass die 50.000-Euro-Grenze nicht überschritten wird (Umsatzsteuerprognose), so wird auch bei Überschreiten der Grenze im Verlauf des Kalenderjahres keine Umsatzsteuer auf zahntechnische Einnahmen ausgewiesen und an das Finanzamt abgeführt. Im Folgejahr unterliegen die zahntechnischen Einnahmen allerdings der Umsatzsteuerpflicht.

 

Der Zahnarzt kann auch freiwillig zur Umsatzsteuer optieren, selbst wenn die umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen unterhalb der genannten Grenzen liegen. An diese Entscheidung ist er jedoch fünf Jahre gebunden.

Ausübung von zahntechnischen Leistungen

Ein Zahnarzt kann einen oder mehrere Zahntechniker anstellen, die Herstellung selbst erbringen, Leistungen an entsprechend geschulte Praxismitarbeiter delegieren oder Teilschritte im Praxislabor erbringen und mit der weiteren Fertigung ein gewerbliches Labor beauftragen.

Zahntechnische Vergütung im BEL II

Die Höhe der zahntechnischen Rechnung bestimmt sich in der GKV nach dem Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis für zahntechnische Leistungen (BEL) sowie den auf Ebene des Bundeslandes vereinbarten Vergütungen. Das sind Höchstpreise, die nicht überschritten werden dürfen. Zu beachten ist zudem, dass im Praxislabor hergestellter Zahnersatz die Höchstvergütungen um mindestens 5 Prozent unterschreiten muss. Die aktuellen Preise für das Praxislabor sind den Rundschreiben der jeweiligen KZV zu entnehmen.

Praxislabor ohne Umsatzsteuerpflicht

Zeigt sich anhand der Praxisstatistik, dass die Einnahmen aus dem Praxislabor unterhalb der Kleinunternehmerregelung liegen, wird keine Umsatzsteuer auf den Belegen ausgewiesen. Die hier genannten BEL-Preise gelten in allen drei Beispielen für NRW im Praxislabor seit dem 1. April 2016. Im folgenden Beispiel erbringt der Zahnarzt einzelne zahntechnische Leistungen im Praxislabor; die Fertigung der Einzelkrone und der Totalprothese für einen GKV-Versicherten erfolgt dagegen im gewerblichen Labor.

 

  • 1. Material- und Laborkosten – Praxislabor ohne Umsatzsteuerpflicht
Nr.
Leistung/Materialtext
Einzelpreis in Euro
7 % MwSt.
Anzahl
Betrag brutto in Euro

001 0

Modell

5,80

0

4

23,20

020 1

Basis für Vorbissnahme

7,87

0

1

7,87

021 1

Individueller Löffel

19,78

0

1

19,78

021 2

Funktionslöffel

19,78

0

1

19,78

012 0

Mittelwertartikulator

8,50

0

1

8,50

005 1

Sägemodell

9,28

0

1

9,28

A01 Abformung Alginat

4,05

0

4

16,20

A05 Abformung für Provisorium

3,75

0

1

3,75

A10 Abformung Elastomer

21,15

0

1

21,15

A15 Material Provisorium

4,95

0

2

9,90

A11 Abformung Elastomer

18,75

0

1

18,75

Gesamte Leistungen

0

88,41

Gesamtes Praxislabormaterial

0

0,00

Gesamtes Praxismaterial

0

69,75

Gesamtbetrag

0

158,16

 

Hier besteht Umsatzsteuerfreiheit aufgrund der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG.

 

PRAXISHINWEIS | Wenn Sie Kleinunternehmer sind, sollte ein Hinweis zur Steuerbefreiung unter dem Rechnungsbetrag erfolgen. Eine UmsatzsteuerIdentifikations-Nummer (Ust-ID-Nr.) muss hier nicht aufgeführt werden.

 

Praxislaborbeleg und Statistik

Praxismaterial (A01 – A15) gehört zur umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlung. Für das Ermitteln der Umsatzsteuerpflicht im Praxislabor sind nur die zahntechnischen Leistungen mit den zugehörigen Materialien relevant. Die Praxismaterialien verfälschen das Endergebnis einer statistischen Auswertung zur Ermittlung der Umsatzsteuer, wenn es keine Parameter gibt, die eine Aufteilung in zahntechnische Leistungen, Praxis- und Labormaterial ermöglichen.

 

Im ersten Beispiel besteht Umsatzsteuerpflicht nur für den Betrag in Höhe von 88,41 Euro (Nr. 0010 – 0051) für die zahntechnischen Leistungen, wenn die Kleinunternehmerregelung nicht greift. Um eine präzise Auswertung der Praxislabor-Einnahmen zu erzielen, kann das Praxismaterial auf einem eigenen Beleg oder in bzw. unterhalb der Leistungserfassung abgebildet werden. Einige Softwareprogramme enthalten separate Belege zum alleinigen Erfassen von Praxismaterial.

 

Bei der Auswertung der zahntechnischen Einnahmen ist allerdings auch zu beachten, dass Leistungen von umsatzsteuerbefreiten KFO-Apparaten und/oder Aufbissbehelfen enthalten sein können, die herausgerechnet werden müssen. Alternativ können diese in der Buchhaltung separat erfasst werden.

Praxislabor mit Umsatzsteuerpflicht

Bei Umsatzsteuerpflicht muss der Zahnarzt seinem Patienten eine Rechnung über die umsatzsteuerfreien Behandlungsleistungen (Heilbehandlungen) zuzüglich der umsatzsteuerpflichtigen Praxislaborleistung ausstellen. Hinsichtlich der Praxislaborleistungen wird der Zahnarzt in puncto Umsatzsteuer einem gewerblichen Labor gleichgestellt, damit identische Wettbewerbsbedingungen gelten. Sind die Einnahmen aus einem Praxislabor umsatzsteuerpflichtig, muss für die zahntechnischen Leistungen und Materialien Umsatzsteuer auf den Belegen ausgewiesen und an das Finanzamt zu definierten Zeitpunkten abgeführt werden. Für die Umsätze aus der Tätigkeit als Zahntechniker gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent (§ 12 UStG). Im Praxis- und im gewerblichen Labor besteht diesbezüglich kein Unterschied.

 

In der Praxis-EDV kann die Umsatzsteuer für den Praxislaborbeleg mit 7 Prozent voreingestellt werden, damit nicht bei Erstellung der Laborbelege bei jedem Posten manuell die 7 Prozent aktiviert werden müssen. Zahnärzte, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen, haben – im Gegensatz zu Zahnärzten, deren Leistungen umsatzsteuerfrei sind r- das Recht, Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt für umsatzsteuerpflichtige Einnahmen geltend zu machen (siehe dazu den Beitrag in PI 04/2016 S. 15 ff.).

 

PRAXISHINWEIS | Wenn Sie Praxismaterial – z. B. eine Alginatabformung – auf dem Praxislaborbeleg erfassen, darf hierfür keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden, weil Praxismaterial zur umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlung gehört.

 

Das folgende Beispiel enthält die Fertigung einer Vollgusskrone mit vestibulärer Keramikverblendung im Verblendbereich für einen GKV-Patienten.

 

  • 2. Material- und Laborkosten – Praxislabor mit Umsatzsteuerpflicht
Nr.
Leistung/Materialtext
Einzelpreis
in Euro
7 % MwSt.
Anzahl
Betrag brutto
in Euro

001 0

Modell

5,80

0,41

1

6,21

005 1

Sägemodell

9,28

0,65

1

9,93

012 0

Mittelwertartikulator

8,50

0,60

1

9,10

102 4

Krone für vestibuläre Verblendung

70,42

4,93

1

75,35

162 0

Vestibuläre Verblendung Keramik

82,58

5,78

1

88,36

Weggold JN

49,30

3,45

2,9 g

152,98

A01 Abformung Alginat

4,05

0

2

8,10

A05 Abformung für Provisorium

3,75

0

1

3,75

A10 Abformung Elastomer

21,15

0

1

21,15

A15 Material Provisorium

4,95

0

1

4,95

Gesamte Leistungen

188,95

Gesamtes Praxislabormaterial

152,98

Gesamtes Praxismaterial

37,95

Gesamtbetrag

379,88

 

In der Rechnung sind 22,38 Euro Umsatzsteuer enthalten.

 

PRAXISHINWEIS | Das Praxismaterial ist nicht umsatzsteuerpflichtig, da es zur umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlung gehört. Die Ust-ID-Nummer muss auf der Praxislabor-Rechnung aufgeführt sein.

 

Sonderregelung für KFO-Apparate und Aufbissbehelfe

Das Überlassen von kieferorthopädischen Apparaten (Zahnspangen) und Vorrichtungen, die der Behandlung von Erkrankungen des Kiefergelenks entgegenwirken (Aufbissbehelfe), ist Teil der steuerfreien Heilbehandlung (BFH, 23.10.1997, Az. V R 36/96). Soweit eine Heilbehandlung die Verwendung von Material oder den Einsatz von Geräten zwingend erfordert, ist dies ein unselbstständiger Teil der Therapie und ebenfalls steuerfrei. Im Vordergrund steht nicht die zahntechnische Herstellung und Lieferung, sondern die Verwendung als Leistung, um eine Heilbehandlung zu erzielen. Diese Sonderregelung betrifft nur Zahnärzte mit einem Praxislabor, nicht das gewerbliche Labor.

Steuerberater und Aussagen zur Umsatzsteuer

Ein Steuerberater kann eine Praxis zu umsatzsteuerpflichtigen Praxislabor-Leistungen nur dann gut beraten, wenn er stichprobenartig Praxislabor-Rechnungen erhält, diese prüfen und entsprechend buchen kann. In vielen Praxen werden die Rechnungsbeträge des Praxislabors jedoch monatlich addiert, sodass der Steuerberater nur den Gesamtbetrag übermittelt bekommt. Eine Prüfung auf Umsatzsteuerpflicht ist nicht möglich. Liegen dem Steuerberater die Einzelbelege vor, kann im Gespräch erörtert werden, ob oder ab wann Umsatzsteuerpflicht besteht und welche Besonderheiten zu beachten sind.