26.04.2017·Trends Neues von der IDS in Köln: Beobachtungen zur Implantologie
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Neues von der IDS in Köln: Beobachtungen zur Implantologie
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZR ZahnmedizinReport, Berlin
| In diesem Beitrag berichtet PI – ohne Anspruch auf Vollzähligkeit in diesem begrenzten Rahmen – über interessante Trends in der Implantologie. |
Komplett- statt Einzellösungen
Die Mondpreise für Implantatsysteme sind – bei gesättigtem Markt – nicht mehr zu halten: Titan- und Keramikimplantate gibt es inzwischen von zahlreichen Herstellern zu immer niedrigeren Preisen. Die großen Implantathersteller setzen deshalb für ihre Wertschöpfung auf Prozessketten: vom Scannen über Bohrschablonen bis zum maschinell gefertigten Zahnersatz – alles aus einer Hand.
Zahlreiche strategische Unternehmensaufkäufe und Fusionen in den vergangenen Jahren zeigen, dass die „Großen“ im Markt – wie z. B. Nobel Biocare, Straumann und Dentsply Sirona – zu Komplettanbietern werden, die nicht mehr nur Implantatsysteme, sondern Allroundlösungen anbieten. Eine Aufzählung aller Innovationen würde hier den Rahmen sprengen. Die Folge vernetzter Prozessketten ist aber evident: Praxis und Labor fahren ein höheres Tempo bei weniger Arbeitsschritten.
Implantate: schräg statt Knochenaufbau
Eine Möglichkeit, aufwendige Aufbauten des kompromittierten Kieferknochens zu umgehen, ist die angulierte statt der geraden Insertion von Implantaten. Dies kann durchaus ein paar Millimeter mehr Knochenkontakt – und damit Festigkeit – bieten. Der ortsständige Knochen wird so optimal ausgenutzt. Dazu braucht man gewinkelte Aufbauten, die Divergenzen von bis zu 45 Grad zwischen zwei Implantaten ausgleichen können. Mit anguliert gesetzten Implantaten lassen sich manche Augmentationen und anatomisch kritische Bereiche umgehen. So kann z. B. im Oberkiefer eine Sinusbodenelevation und im Unterkiefer eine Nervverlagerung vermieden werden.
Das All-on-four®-Konzept – ein Warenzeichen von Nobel Biocare – heißt bei Dentsply Sirona Implants SmartFix®. Es ist jetzt für das Astra Tech Implant System EV® und für OsseoSpeed Profile EV® verfügbar (für Xive und Ankylos gab es bereits das Konzept). Das Grundprinzip ist das gleiche: Das System enthält einen abgewinkelten Aufbau sowie ein kurzes und flexibles Aufbauhalteelement. Das ist ein zeitsparendes Verfahren zur Sofortversorgung von schräg inserierten Implantaten mit verschraubten Restaurationen.
Auch bei der nicht verschraubten Verankerung implantatprothetischer Konstruktionen mit Locatoren® – oft Vollprothesen-Alternativen – erlaubt eine hohe Schwenkkapazität jetzt Divergenzen von bis zu 40 Grad zwischen zwei Implantaten. Und dank einem speziellen Haltemechanismus lässt sich die Prothese unter Verwendung eines hydraulischen Ablöse-Systems beim Recall-Termin besonders einfach lösen.
Doch auch gerade gesetzte Implantate benötigen eine Abschrägung: Bei knapp 40 Prozent aller Patienten liegt vor der Implantation ein schräg atrophierter Kieferkamm vor. Die Resorption ist besonders auf der bukkalen Seite ausgeprägt, was einen von lingual nach bukkal schräg atrophierten Kieferkamm zur Folge hat. Dies ist auch bei der Sofortimplantation eines Standardimplantats in die Extraktionsalveole der Fall. Das OsseoSpeed Profile EV®-Implantat (Astra Tech Implant System) verfügt deshalb über eine patentierte Form: Der Implantathals ist von lingual nach bukkal abgeschrägt. Es ragt deshalb weder von der bukkalen Seite über den Knochen hinaus, was die Ästhetik beeinträchtigt, noch geht lingual ungestützter marginaler Knochen verloren.
Keramikimplantate immer öfter für die Frontzahnregion
Bei den Implantaten kommen zunehmend Titan-Alternativen zum Einsatz: Immer häufiger werden Keramikimplantate – vor allem für die ästhetische Frontzahnregion – angeboten. Üblicherweise handelt es sich dabei um einteilige Ausführungen, doch Verbesserungen der spröden und bruchanfälligen Keramiken machen auch mehrteilige Keramikimplantate möglich. Das ist ein großer Trend – wie auch „ästhetische“ konfektionierte Keramikabutments für Titanimplantate.
Die Härte des Werkstoffs Keramik sorgt auch hier für Innovationen: Durch einen innenliegenden „Stoßdämpfer“ aus einem PEEK-Stift werden z. B. beim keramischen Hybridimplantat nach Prof. Dr. Tilman Fritsch die auftretenden Spitzen der Kaukräfte abgefedert und sorgen für eine „zahnähnliche“ Elastizität.
Reine Kunststoffimplantate werden zunehmend interessant
Dadurch, dass man in der Orthopädie lange bewährte Kunststoffe verwendet, werden auch reine Kunststoffimplantate zunehmend interessant. Implantate aus PEEK (Polyetheretherketon) wie z. B. das Win!Peek® von Champions eignen sich z. B. für die minimalinvasive Flapless-Methodik (Insertion ohne Mukoperiostallappen). Auch andere Hochleistungskunststoffe werden an Bedeutung gewinnen, vor allem auch aus PEKK (Polyetherketonketon).
Hybridmaterialien mit „Stoßdämpferwirkung“
Ebenso werden Hybridmaterialien – eine Mischung aus Keramik und Kunststoff – interessant, die in der Prothetik schon als stoßdämpfende Alternative zu harten metallischen und keramischen Suprastrukturen eingesetzt werden: Faserverstärkte Komposite sorgen als Suprastruktur-Material für eine „Stoßdämpferwirkung“. Entsprechende CAD/CAM-Blöcke lassen sich chairside verarbeiten – und dies jetzt sogar ohne separaten Brennvorgang.