Uncategorized

01.07.2016·Umsatzsteuer, Teil 5 Wie stellt man fest, ob Umsatzsteuerpflicht besteht?

·Umsatzsteuer, Teil 5

Wie stellt man fest, ob Umsatzsteuerpflicht besteht?

von Birgit Sayn; ZMV; Praxisschulung, Seminare und Coaching; Leverkusen

| Wie kann man feststellen, ob der Ausweis von Umsatzsteuer bei ästhetischen und zahntechnischen Leistungen sowie bei Materialien umsatzsteuerrechtlich noch erforderlich ist? Damit befasst sich Teil 5 dieser Beitragsserie. |

Eine Praxis mit Umsatzsteuerpflicht sucht Antworten

Ein Zahnarzt weist bei zahntechnischen Leistungen und Materialien sowie bei nicht medizinisch notwendigen Bleaching-Maßnahmen seit rund zehn Jahren Umsatzsteuer aus. Nach diversen Gesprächen mit dem Steuerberater und dem Finanzamt kommt der Zahnarzt zu keinem Ergebnis bei der Frage, ob er noch umsatzsteuerpflichtig ist. Um zu ermitteln, in welcher Höhe und für welche Tätigkeiten umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht werden, ist mithilfe der Praxis-EDV eine Auswertung vorzunehmen. Als Voraussetzung für eine aussagekräftige Statistik wird im Vorfeld geprüft, welche Leistungen in den Praxislaborbelegen erfasst sind und ob es weitere umsatzsteuerpflichtige Leistungen und Materialien gibt, die bisher nicht erfasst wurden.

 

Zahntechnische Eigenbelege enthalten nicht immer nur zahntechnische Materialien und Leistungen, sondern oft auch Verbrauchsmaterial der Praxis, das aufgrund der Zuordnung zur Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit ist. Bei einigen Software-Programmen kann das Verbrauchsmaterial nicht auf einem separaten Materialbeleg oder in der Leistungserfassung abgebildet werden, sondern nur auf einem Beleg mit der Überschrift „Material- und Laborkostenabrechnung – Praxiseigenes Labor“. Dazu Beispiele aus der Praxis:

  • Beispiel 1: Eigenbeleg
Nr.
Leistungsbezeichnung
Einzelpreis

Anzahl

Betrag
Summe

001-0

Modell

5,76

4

23,04

021-1

Individueller Löffel

18,76

1

18,76

Summe Laborkosten

41,80

41,80

Zwischensumme

41,80

MwSt. auf Laborkosten 7,00 %

2,93

Zwischensumme inkl. 7,00 %

44,73

Verbrauchsmaterial

Alginat Gr. L

4,08

2

8,16

Silginat Abdruck

9,72

1

9,72

Prov. Material Tempofit

4,66

2

9,32

Bissmaterial Futar

1,93

1

1,93

Impregum/Permadyne Doppelmischabdruck Größe L

22,96

1

22,96

Summe Verbrauchsmaterial

52,09

52,09

Laborkosten gesamt

96,82

 

Die umsatzsteuerpflichtigen zahntechnischen Leistungen sind korrekt mit 7 Prozent Mehrwertsteuer, die Verbrauchsmaterialien der Praxis ohne Ausweis von Mehrwertsteuer – ebenfalls korrekt – mit dem Bruttobetrag erfasst.

 

  • Beispiel 2: Eigenbeleg
Nr.
Leistungsbezeichnung
Einzelpreis
Anzahl
Betrag
Summe

001-0

Modell

5,76

1

5,76

Summe Laborkosten

5,76

5,76

Fertigteile und Zähne

Perma-dor-Stift

24,03

1

24,03

Summe der Kosten für Fertigteile und Zähne

24,03

24,03

Zwischensumme

29,79

MwSt. auf Laborkosten 7,00 %

2,09

Zwischensumme inkl. 7,00 %

31,88

Verbrauchsmaterial

Alginat Gr. L

4,08

1

4,08

Silginat Abdruck

9,72

1

9,72

Prov. Material Tempofit

4,66

8

37,28

Pattern Resin, Abformung für gegossenen Stift

0,79

1

0,79

Bissmaterial Futar

1,93

1

1,93

Impregum/Permadyne Doppelmischabdruck Gr. L

22,96

3

68,88

Impregum/Permadyne Teilabdruck

10,73

1

10,73

Summe Verbrauchsmaterial

133,41

133,41

Laborkosten gesamt

165,29

 

Der Perma-dor-Stift gehört nicht zu den zahntechnischen Leistungen, sondern zur Heilbehandlung. Ein Mehrwertsteuerausweis ist falsch, weil es sich um Verbrauchsmaterial der Praxis handelt. Die Eigenbelege müssen bei Umsatzsteuerpflicht auf Stimmigkeit bei der Zuordnung der Materialien geprüft werden.

 

  • Beispiel 3: Eigenbeleg
Nr.
Leistungsbezeichnung
Einzelpreis
Anzahl
Betrag
Summe

0001

Modell aus Hartgips

7,13

3

21,39

1301

Prov. Krone okklusal adaptieren, Kaufläche ausarbeiten

15,00

6

90,00

5306

Keramik silanisieren

15,50

6

93,00

5401

Keramik ätzen

3,58

6

21,48

Summe Laborkosten

225,87

225,87

Zwischensumme

225,87

MwSt. auf Laborkosten 7,00 %

15,81

Zwischensumme inkl. 7,00 %

241,68

Laborkosten gesamt

241,68

 

Dieser Beleg ist korrekt, wenn umsatzsteuerpflichtige Leistungen vorliegen. Die Preisgestaltung bei „Nicht-BEL-Leistungen“ obliegt dem Praxisinhaber.

 

  • Beispiel 4: Eigenbeleg
Nr.
Leistungsbezeichnung
Einzelpreis
Anzahl
Betrag
Summe

Verbrauchsmaterial

Parapost-XP-Titanstift

7,20

1

7,20

Summe Verbrauchsmaterial

7,20

7,20

Laborkosten gesamt

7,20

 

Das Verbrauchsmaterial ist richtig erfasst. Allerdings ist zu prüfen, ob das Praxismaterial überhaupt auf diesem Beleg erfasst werden sollte. In der unteren Zeile wird erwähnt, dass 7,20 Euro „Laborkosten gesamt“ entstanden sind. Das Praxismaterial wird somit als Laborkosten tituliert, die von PKVen in der Regel mit 50 bis 80 Prozent – je nach Tarif – erstattet werden, obwohl hier Verbrauchsmaterial der Praxis berechnet wird (Erstattung meistens zu 100 Prozent).

 

  • Beispiel 5: Bleaching-Rechnung
Zahn
Geb.-Nr.
Leistung
Anzahl
Faktor
Betrag

OK

2150a

Bleaching mittels individueller Schiene entsprechend Einlagefüllung einflächig – auf Wunsch, § 1 Abs. 2 S. 2 GOZ

1

2,3

147,60

Summe

147,60

19 % MwSt.

28,04

Gesamtbetrag

175,64

 

Wenn Umsatzsteuerpflicht besteht, unterliegen auch nicht medizinisch notwendige Bleaching-Leistungen der Umsatzsteuer, die hier korrekt mit 19 Prozent ausgewiesen ist. Welche Leistung der GOZ für diese Therapieform hilfsweise für die Berechnung von Honorar, Material- und Laborkosten ausgewählt werden soll, entscheidet der Praxisinhaber nach Kostenaufwand.

 

In die EDV-Auswertung aus dem Praxisbeispiel werden die Kalenderjahre 2013 bis 2015 einbezogen. Im ersten Schritt erfolgt eine Datenanalyse der medizinisch nicht notwendigen Leistungen, die mit 19 Prozent Mehrwertsteuer behaftet sind. In dieser Praxis handelt es sich dabei ausschließlich um das Bleaching. Im zweiten Schritt werden für den gleichen Zeitraum die Eigenbelege ausgewertet. In der Praxissoftware können z. B. die zahntechnischen Gebührenziffern mit Leistungstext (BEL/BEB), die Menge, die Verbrauchsmaterialien der Praxis, die Mehrwertsteuerbeträge und -sätze, die jeweiligen Einzelbeträge und die Gesamtsumme ermittelt werden.

Was zeigen die Ergebnisse?

Die Ergebnisse der Statistiken zeigen, dass die umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen in den Jahren 2013 bis 2015 weit unterhalb der Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro liegen. Die Umsatzsteuerprognose für das laufende Jahr 2016 zeigt ähnliche Ergebnisse. Falls der Zahnarzt in der Vergangenheit freiwillig auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet hat, ist er fünf Jahre lang an diese Entscheidung gebunden, die frühestens im sechsten Jahr wieder aufgehoben werden kann. Voraussetzung ist, dass die erforderlichen Bedingungen erbracht werden. Im Beispiel ist das nicht relevant, weil der Zahnarzt bereits seit zehn Jahren umsatzsteuerpflichtig ist.

 

Ein Fehler zeigt sich bei der stichprobenartigen Kontrolle der Eigenbelege: In der Praxis wurden vereinzelt Aufbissbehelfe (Schienen) gefertigt und mit 7 Prozent Mehrwertsteuer ausgewiesen, obwohl Schienen der Heilbehandlung zugeordnet und somit von der Umsatzsteuer befreit sind. Bei der Umsatzprognose für 2016 ist das zu beachten und mit sofortiger Wirkung bei der Rechnungslegung von Schienen zu berücksichtigen.

Wechsel zum Kleinunternehmer

Wenn der Zahnarzt zum Kleinunternehmer zurückkehren möchte, reicht eine formlose Mitteilung an das Finanzamt. Nach der Rückkehr zur Kleinunternehmerregelung darf auf den Eigenbelegen und den Rechnungen für das Bleaching keine Mehrwertsteuer mehr ausgewiesen werden.

Fehler vermeiden

Wer in einer Rechnung einen falschen Steuerbetrag ausweist, schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14c UStG). Das bedeutet, dass auch bei einem versehentlichen Ausweis von Mehrwertsteuer bei an sich umsatzsteuerfreien Lieferungen oder Leistungen die Steuer in der ausgewiesenen Höhe gegenüber dem Finanzamt geschuldet wird.

 

Wenn keine umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen vorliegen bzw. – wie im Beispielsfall – die Kleinunternehmerregelung wieder in Anspruch genommen wird, ist darauf zu achten, dass keine Umsatzsteuer auf Rechnungen ausgewiesen wird. Andernfalls kann es im Falle einer Betriebsprüfung zu unerfreulichen Nachzahlungen kommen.

 

FAZIT | Mit Beendigung der Umsatzsteuerpflicht entfällt sowohl bei den zahntechnischen Leistungen als auch beim Bleaching der Ausweis von Mehrwertsteuer, sodass die Patienten in diesem Bereich weniger bezahlen. In der Praxis minimiert sich der Verwaltungsaufwand und die Kosten für die Umsatzsteuererklärungen des Steuerberaters entfallen. Im Gegenzug kann allerdings für die bisher umsatzsteuerpflichtigen Lieferungen und Leistungen keine Vorsteuer geltend gemacht werden (zum Beispiel zahntechnische und Bleaching-Materialien, Investitionen, anteilige Betriebskosten).

 

Weiterführender Hinweis

  • In den Teilen 1 bis 4 haben wir uns mit den folgenden Themen befasst:
  • Teil 1: Der Zahnarzt und die Umsatzsteuer – was gilt? (Nr. 3/2016, S. 4 ff.)
  • Teil 2: Die Kleinunternehmerregelung und dessen Auswirkungen auf die Zahnarztpraxis (Nr. 4(/2016, S. 15 ff.)
  • Teil 3: Implantate und Zubehör – welcher Steuersatz gilt? (Nr. 5 /2016, S. 15 ff.)
  • Teil 4: Umsatzsteuerpflicht im Praxislabor – was ist zu beachten? (Nr. 6/2016, S. 11 ff.)