Zahnmedizin

Unfallbedingte Zahnverletzungen – Experten empfehlen „Zahnrettungsboxen“

Ob beim Sturz auf dem Schulhof oder während einer Fahrradtour – Kinder und Jugendliche sind besonders häufig von unfallbedingten Zahnverletzungen betroffen. Auch jüngere Erwachsene erleiden oft ein sogenanntes „dentales Trauma“, dieses haben etwa 25 bis 30 Prozent aller Menschen bis 35 Jahre. Sehr häufig werden die Schneidezähne zum Beispiel auf dem Schulhof durch Stürze ausgeschlagen oder brechen. Besonders wichtig ist in solchen Fällen eine Notfallversorgung direkt am Unfallort – idealerweise mit Sicherung der ausgeschlagenen Zähne und Aufbewahrung in einer sogenannten „Zahnrettungsbox“.

Experten der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. (DGMKG) empfehlen, dass Rettungswagen, Schulen sowie andere öffentliche Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie Sportstätten möglichst flächendeckend mit diesen Boxen ausgestattet werden sollten. Diese und weitere Empfehlungen haben die Experten gemeinsam mit Expert*innen anderer Fachgesellschaften in der aktualisierten S2k-Leitlinie „Therapie des dentalen Traumas bleibender Zähne“ – https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-004 zusammengefasst.

S2k-Leitlinie zur Versorgung des dentalen Traumas gibt klare Handlungsempfehlungen

„Wenn sich Kinder und Jugendliche etwa bei einem Sturz auf dem Schulhof einen Frontzahn ausschlagen und dieser direkt nach dem Unfall in einer Zahnrettungsbox aufbewahrt wird, kann das Wurzelhautgewebe vital erhalten werden – so lange bis zur chirurgischen Erstversorgung der Wunde“, betont Professor Dr. Dr. Dirk Nolte, Experte der DGMKG und Koordinator der Leitlinie. Zudem sollten die Zahnwurzeln am Unfallort auch nicht berührt werden, beispielsweise um Straßenschmutz zu entfernen. „Idealerweise sollten die ausgefallenen Zähne/Zahnwurzeln schnellstmöglich so, wie sie am Unfallort aufgefunden werden, in die Zahnrettungsbox gelegt werden. Sie werden später bei der chirurgischen Erstversorgung gereinigt und wieder eingesetzt“, betont Professor Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Pressesprecher der DGMKG und einer der Autoren der Leitlinie.

Auch für Unfälle, bei denen keine Rettungsbox zur Verfügung steht – was häufig vorkommt – haben die DGMKG-Experten Ratschläge: „In solchen Fällen können die traumatisierten Zähne hilfsweise, idealerweise auch direkt am Unfallort, in Milch – oder besser noch in H-Milch oder Dosenmilch feucht zwischengelagert werden“, erwähnt Dr. Jörg-Ulf Wiegner, Präsident der DGMKG.

In einem nächsten Schritt können erhaltungswürdige Zähne – laut der Leitlinie – im Rahmen der chirurgischen Erstversorgung schonend gereinigt und replantiert werden. „Wenn diese Behandlungsschritte korrekt durchgeführt werden, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die traumatisierten Zähne dauerhaft wieder einheilen“, so Nolte. Die chirurgische Erstversorgung sollte unter dem Motto „Reposition und Ruhigstellung“ stehen: die verletzten Gewebe, also Kieferknochen, Zähne und Zahnfleisch sollen wieder in die anatomisch richtige Position gebracht werden. In der korrekten Lage werden die Zähne durch Schienen für einige Zeit ruhiggestellt.

„Die chirurgische Erstversorgung der verletzten Zähne ist in der Regel minimal invasiv durchzuführen“, sagt Terheyden. Das Hauptziel sei dabei eher die maximale Erhaltung der Zähne und des Kiefergewebes. Abhängig von der Schwere der allgemeinen Verletzungen der Patient*innen, zum Beispiel bei begleitenden Schädel-Hirn-Traumata, erfolgen dann weitergehende zahnärztliche Behandlungen zur Zahnerhaltung in der Zeit danach, wenn die Patient*innen sich etwas erholt haben. „Dann können beispielsweise Wurzelkanalbehandlungen, restaurative Zahnheilkunde oder kieferorthopädische Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahnsubstanz sowie der Kaufunktion durchgeführt werden“, sagt Nolte. Bei Patient*innen, die sich noch im Wachstum befinden, und somit „jugendliche Zähne“ haben, sei ein völliger Ersatz des traumatisierten Zahnes erst dann empfehlenswert, wenn alle zahnerhaltenden Maßnahmen nicht zum Ziel geführt haben.