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31.07.2018·Zahnmedizin Medizinprodukte und deren Anwendung in der implantologischen Praxis: gesetzliche Vorgaben

·Zahnmedizin

Medizinprodukte und deren Anwendung in der implantologischen Praxis: gesetzliche Vorgaben

von Marina Nörr-Müller, QMA (TÜV), Beratung und Training medizinischer Behandlungsteams, München

| Medizinprodukte werden alltäglich bei Implantationen eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Geräte bzw. Stoffe, deren Anwendung einem Risiko unterliegen können und deren korrekte Anwendung für den Erfolg der Implantation entscheidend ist. Daher verlangen sie einen sachgerechten Umgang. Das Medizinproduktegesetz (MPG) mit den dazugehörigen Verordnungen ‒ die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) und die MP-Sicherheitsplanverordnung (MPSV) ‒ bildet die gesetzliche Grundlage dafür. |

Medizinprodukt nach dem MPG

Als Medizinprodukte gelten gemäß § 3 Nr. 1 MPG „alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der (…) eingesetzten Software“, die zur Anwendung am Menschen bestimmt sind. Zubehör gilt ebenso als Medizinprodukt. In der Implantologie handelt es sich dabei z. B. um Container oder Kassetten, die für die Aufbewahrung und Lagerung der chirurgischen bzw. implantologischen Instrumente eingesetzt werden. Aktive Medizinprodukte sind auf eine Energiequelle (Strom, Batterie oder Solarenergie) angewiesen.

 

Ob ein Produkt als Medizinprodukt ausgewiesen ist, entscheidet der Hersteller, der das Produkt dafür nach strengen Kriterien herstellt. Er darf Medizinprodukte im Sinne des MPG nur in Verkehr bringen, wenn sie mit der CE-Kennzeichnung versehen sind. Mit diesem Siegel wird belegt, dass das Produkt die grundlegenden Anforderungen des MPG erfüllt und vom Hersteller ein Konformitätsbewertungsverfahren nach dem MPG durchgeführt wurde.

Klassifizierung von Medizinprodukten

Die einzelnen Medizinprodukte werden folgenden Risikoklassen zugeordnet:

 

Klasse
Anwendungsrisiko
Beispiel aus dem implantalogischen Bereich

I

MP mit geringem Anwendungsrisiko

Chirurgische bzw. implantologische Instrumente, steriles Abdeckmaterial und OP-Handschuhe

II a

MP mit mäßigem Anwendungsrisiko

Zahnersatz, auch Provisorien

II b

MP mit erhöhtem Anwendungsrisiko

Implantate, Geräte mit Piezotechnik, Röntgen- und Lasereinrichtungen, Elektrochirurgiegeräte, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte sowie Sterilisatoren

III

Hohes Gefahrenpotenzial

Resorbierbare Nahtmaterialien und Knochen-ersatzmaterialen tierischen Ursprungs

 

 

Chargennachvollziehbarkeit

Für Medizinprodukte, die im Körper des Patienten verbleiben und somit einem hohen Gefahrenpotenzial unterliegen, gilt die Verpflichtung der Chargennachvollziehbarkeit. Das heißt, dass die auf der Verpackung angebrachte Chargennummer in der Patientenakte vermerkt werden muss. Beispiele sind: Implantate, Knochenersatzmaterial, resorbierbare Membrane und resorbierbares Nahtmaterial. Betäubungsmittel sind ebenfalls in der Patientenakte zu vermerken.

 

Aufbewahrungsfrist

Die Aufbewahrungsfrist der Dokumentation beträgt für implantierbare Materialien sowie für Betäubungsmittel 15 Jahre. Eine Chargenrückverfolgbarkeit für Medizinprodukte der Klasse 1 ist nicht erforderlich.

Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV)

Die MPBetreibV regelt das Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten einschließlich der damit zusammenhängenden Tätigkeiten wie z. B. das Errichten, das Bereithalten, die Instandhaltung, die Aufbereitung sowie die Sicherheits- und messtechnischen Kontrollen.

 

Einweisungspflicht

Die MPBetreibV legt auch die Pflicht der Einweisung fest. Sie verlangt eine Einweisung in alle Medizinprodukte mit Ausnahme derjenigen, die selbsterklärend sind (z. B. Verbandsmaterial oder Spritzen). Dies ist speziell im implantologischen Bereich eine sinnvolle Vorkehrung, denn hier ist ein sachgerechter Einsatz von größter Bedeutung. Bei der Einweisung sind auch spezifische, auf der Verpackung befindliche Symbole zu erläutern, die Hinweise z. B. zur Lagerung, zum Ablaufdatum der Sterilität oder zu den Materialeigenschaften von Medizinprodukten liefern. Als Beispiel seien sterile Abdeckmaterialien genannt.

 

Für aktive, nicht implantierbare MP hingegen ist eine dokumentierte Einweisung gefordert. Medizinprodukte der Anlagen 1 und 2 müssen direkt vom Hersteller eingewiesen werden, wobei die Wiederholungsbelehrung von einer praxisinternen Person durchgeführt werden kann. Beispiele für die Anlage 1 sind: Elektrotome, Laser-, Röntgen- oder Piezogeräte und Defibrillatoren. Ein Beispiel für die Anlage 2: nicht invasive Blutdruckmessgeräte.

 

Der richtige Umgang mit Geräten (aktive Medizinprodukte), die für implantologische Eingriffe eingesetzt werden, ist entscheidend. Anderenfalls könnten intraoperative Pannen oder sogar Gefahren entstehen, die dann zu einem gestörten Ablauf oder einem Behandlungsrisiko führen. Somit ist die Einweisung nicht nur aus gesetzlichen Gründen mehr als sinnvoll.

 

Die wichtigsten Begrifflichkeiten in der MPBetreibV

Die folgenden Begrifflichkeiten sind in den §§ 2, 12 und 13 der MPBetreibV definiert:

 

Der Betreiber

Als Betreiber gilt diejenige Person, die über das Medizinprodukt eine „Sachherrschaft“ ausübt. Das muss nicht zwangsläufig den Besitz bedeuten. Das MP kann dafür auch geleast oder geliehen sein.

 

Der Anwender

Sie ist diejenige Person, die das Medizinprodukt im Rahmen der vom Betreiber angeordneten Tätigkeit am Patienten nutzt. Vorher muss eine Einweisung erfolgen. Der Anwender hat jedoch die Pflicht, sich vor der Anwendung über die Funktionsfähigkeit und den ordnungsgemäßen Zustand des Medizinprodukts zu vergewissern. Das wichtigste Dokument dafür ist die Gebrauchsanleitung. Sie muss griffbereit bzw. direkt am Medizinprodukt angebracht sein.

 

Das Bestandsverzeichnis gemäß MPBetreibV § 13

Für alle aktiven, nicht implantierbaren Medizinprodukte ist ein Bestandsverzeichnis zu führen. Aktive, nicht implantierbare Medizinprodukte in der implantologischen Praxis können sein: Lupenbrillen mit Lichtquelle; Motorensysteme, die speziell für die Implantation eingesetzt werden; OP-Lampe; Elektrotome; Dentalmikroskop; Röntgengeräte; Piezogeräte; Reinigungs- und Desinfektionsgeräte; Autoklaven für die Aufbereitung von MP.

 

Das Medizinproduktebuch ‒ § 12 MPBetreibV

Für die in den Anlagen 1 und 2 MPBetreibV aufgeführten Medizinprodukte ist ein Medizinproduktebuch zu führen. Hierbei ist die Bezeichnung „Buchf“ verwirrend, da es sich um ein loses Blatt handelt. In der Regel wird das Medizinproduktebuch bei der Herstellereinweisung von der einweisenden Person erstellt bzw. vervollständigt. In der implantologischen Praxis sind von dieser Vorschrift z. B. Lasereinrichtungen, Elektrotome, Röntgengeräte, Piezogeräte, Narkosegeräte, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte betroffen.

 

Der Implantatpass

Bei implantierbaren MP handelt es sich in erster Linie um Zahnimplantate. Nach deren Implantation muss dem Patienten ein Implantatpass ausgehändigt werden. Folgende Angaben muss der Implantatpass enthalten:

 

  • Vor- und Zuname des Patienten
  • Bezeichnung, Art und Typ sowie Lot- oder Seriennummer
  • Name oder Firma des Herstellers
  • Datum der Implantation
  • Name der verantwortlichen Person und Einrichtung, die die Implantation durchgeführt hat

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV)

Die MPSV regelt das Beobachtungs- und Meldesystem für Medizinprodukte. Zum Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung und der Sicherheit von Patienten, Anwendern oder Dritten hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als zuständige Behörde die bei der An- oder Verwendung von Medizinprodukten auftretenden Risiken zentral zu erfassen, auszuwerten und zu ergreifende Maßnahmen zu koordinieren.

 

Beauftragter für Medizinproduktesicherheit

Für Praxen mit mehr als 20 Beschäftigten ist das Ernennen eines Beauftragten für Medizinproduktesicherheit verpflichtend. Benannt werden kann eine sachkundige und zuverlässige Person mit medizinischer, naturwissenschaftlicher, pflegerischer, pharmazeutischer oder technischer Ausbildung.

 

Meldung von Vorkommnissen

Jedes Vorkommnis ist der obersten Behörde ‒ dem Amt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ‒ zu melden. Nach § 2 MPSV ist ein Vorkommnis eine „Funktionsstörung, ein Ausfall, eine Änderung der Merkmale oder der Leistung oder eine unsachgemäße Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung eines Medizinprodukts, die oder der unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte“.

 

Eine Meldung ist unverzüglich ‒ innerhalb von 24 Stunden ‒ und auf elektronischem Weg zu erstatten.

 

Wichtig | Hingegen ist keine Meldung notwendig, wenn es sich um einen Produktfehler handelt oder ein ursächlicher Zusammenhang mit einer tödlichen oder schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands kaum wahrscheinlich oder sicher ausgeschlossen ist. Beispiele für derartige Vorkommnisse sind:

 

  • Funktionsstörung (hier gilt auch ein Mangel an Gebrauchstauglichkeit!) Beispiel: Ein Gerät hat 2 nebeneinanderliegende Bedienknöpfe mit unterschiedlichen Funktionen, deren Verwechslung eine fehlerhafte Anwendung mit Gefahr für Leben und Gesundheit verursacht.

 

  • Ausfall. Beispiel: Während der Implantation fällt der Chirurgiemotor aus und die Implantation kann nicht wie vorgesehen durchgeführt werden.

 

  • Änderung der Merkmale oder der Leistung. Beispiel: Implantatbruch.

 

  • Unsachgemäße Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung eines MP. Beispiel: Die Gebrauchsanweisung gibt keinen Aufschluss über die Handhabung oder Anwendung des MP oder liegt nicht in deutscher Sprache vor.

 

FAZIT | Im Umgang mit Medizinprodukten dürfen weder Anwender noch Patienten noch dritte Personen Schaden erleiden. Der korrekte und kompetente Umgang mit Medizinprodukten ist in der Implantologie darüber hinaus wichtig, da Fehler zu Störungen und damit zu Verzögerungen im Ablauf führen können.

 

Weiterführende Hinweise