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02.07.2013·Abrechnung Die Vestibulumplastiken, Teil 2: Abrechnungsbestimmungen, Urteile und Kostenerstattung

·Abrechnung

Die Vestibulumplastiken, Teil 2: Abrechnungsbestimmungen, Urteile und Kostenerstattung

| Nachdem wir in der Juni-Ausgabe von PI (Seiten 8 bis 10) über die Leistungsziffern und -bestimmungen der Vestibulumplastiken nach GOZ und GOÄ berichtet haben, setzen wir uns heute mit den Abrechnungsbestimmungen, Urteilen und der Ablehnung durch private Kostenträger auseinander. |

Wie oft kann eine Vestibulumplastik berechnet werden?

HINWEIS | In der folgenden Tabelle werden die Abrechnungsbestimmungen in Kurzform abgebildet: Kieferhälfte = KH und Frontzahnbereich = FB.

 

Geb.-Nr.
Abrechnungsbestimmung

3240

Bereich bis zu zwei nebeneinanderliegenden Zähnen am bezahnten Kiefer

Bereich bis zu zwei nebeneinanderliegenden Zähnen am zahnlosen Kieferabschnitt

Je Vestibulumplastik

Je Mundbodenplastik kleineren Umfanges

Je Gingivaextensionsplastik

1x je KH oder FB

1x je KH oder FB

1x je KH oder FB

 

Die Dokumentation der Schnittführung, insbesondere der exakten Präparationsregion und -form, ist maßgeblich für die Honorierung nach GOZ bzw. GOÄ.

 

Geb.-Nr.
Abrechnungsbestimmung

Ä2675

Je partielle Vestibulumplastik

Je partielle Mundbodenplastik

Je große Tuberplastik

1x je KH oder FB

1x je KH oder FB

1x je KH oder FB

Ä2676

Je totale Mundbodenplastik

Je totale Vestibulumplastik

zur Formung des Prothesenlagers mit partieller Ablösung der Mundbodenmuskulatur

1x je Kiefer

1x je Kiefer

Ä2677

Je submuköse Vestibulumplastik als 
selbstständige Leistung

1x je KH oder FB

 

Wann wird eine Vestibulumplastik erforderlich?

Mundvorhof- und Mundbodenplastiken können in Abhängigkeit von der jeweils gegebenen anatomischen Situation zum Beispiel erforderlich werden:

 

  • zur Verbreiterung der Zone fixierter, nicht beweglicher Schleimhautzonen im Rahmen parodontolgischer Behandlung;
  • zur Verbreiterung der Zone fixierter, nicht beweglicher Schleimhautzonen im Bereich des Implantatdurchtritts;
  • zur Epithelverlängerung, um eine primäre Wundversorgung zu realisieren;
  • zur Erzielung eines spannungsfreien Wundverschlusses nach Augmentation;
  • zur Erzielung eines spannungsfreien Wundverschlusses bei exzidiertem und insuffizienten Weichgewebe;
  • bei zu flachem Vestibulum;
  • bei zu hoch ansetzendem Mundboden;
  • bei zu flachem Vestibulum bzw. zu hoch ansetzendem Mundboden infolge von Schwund des Alveolarfortsatzes;
  • im Rahmen einer Sinusbodenelevation zur Vertiefung des Vestibulums und Verbesserung oder auch Stabilisierung der Augmentat-Region.

Die Gingivaextensionsplastik

Das Ziel dieser Plastik ist eine Verbreiterung der sogenannten „attached gingiva“ (fest angewachsene Mundschleimhaut). Diese Plastik erfolgt mit einer besonderen Technik und hat nicht die örtlich begrenzte Vertiefung des Mundbodens zum Ziel, sondern eine Verbreiterung der fest angewachsenen Mundschleimhaut in Form einer Gingivaextensionsplastik. In der alten GOZ wurde diese Plastik nach der GOZ-Nr. 413 berechnet, im Zuge der Reform jedoch – aufgrund des vergleichbaren Aufwandes – der GOZ-Nr. 3240 zugeordnet.

Primäre Wundversorgung

Wird das gesamte Operationsgebiet zum Beispiel in Form eines Splitlappens präpariert, das heißt das Epithel von der periostalen Auflage getrennt, so wird dies als Splitlappentechnik bezeichnet. Damit ist eine besondere mukogingivalchirurgische Maßnahme vollzogen, die sich in ihrer Präparationstechnik von der eines Mukoperiostlappens deutlich unterscheidet. Der Verordnungsgeber hat die langjährigen Unstimmigkeiten mit privaten Kostenerstattern in der GOZ 2012 in den Allgemeinen Bestimmungen von Abschnitt D, E und K, beendet. Seit Novellierung der GOZ findet sich zum Beispiel in Abschnitt K – Implantologie – folgende Definition der primären Wundversorgung:

,,Die primäre Wundversorgung (zum Beispiel Reinigen der Wunde, Wundverschluss ohne zusätzliche Lappenbildung, ggf. einschließlich Fixieren eines plastischen Wundverbandes) ist Bestandteil der Leistungen nach Abschnitt K und nicht gesondert berechnungsfähig.”

 

Es kommt deutlich zum Ausdruck, dass der primäre Wundverschluss ohne Lappenbildung Inhalt der chirurgischen Leistung ist und darüber hinausgehende Maßnahmen im Weichgewebe zusätzlich berechnet werden können.

Welche Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage?

Amtsgericht München: Nach diesem Urteil vom 28. Dezember 2009 (Az: 231 C 29341/08; Abruf-Nr. 103545) wurde die Berechenbarkeit der GOÄ-Nr. 2675 im Rahmen einer Implantation bestätigt. Der Sachverständige hatte aufgeführt, dass zum Langzeiterfolg eingebrachter Implantate befestigte Gingiva vorzuliegen habe. In vielen Patientenfällen befindet sich jedoch auf dem Kieferkamm keine ausreichend breite Zone an befestigter Gingiva. Um diese Gingiva zu verbreitern, gibt es diverse Operationsverfahren. Dazu gehört auch die Vestibulumplastik. Dabei müsse es sich nicht – wie seitens der Partei des Beklagten ausgeführt – um eine Vestibulumplastik nach Edlan Mechjar handeln; auch das Verlegen des vestibulären Zugangslappens nach vestibulär stelle eine Vestibulumplastik dar. Nach den Ausführungen des Sachverständigen genügt es, wenn operativ eine schwierige Lappenhebung mit den damit verbundenen operativen Einzelschritten vorgenommen worden ist, damit das Implantat dann an die prothetisch richtige Stelle implantiert werden kann.

 

Amtsgericht Köln: Es entschied am 14. Dezember 2010 (Az. 146 C 79/09; Abruf-Nr. 110248), dass die Berechnung der GOÄ-Nr. 2675 in dem Behandlungsfall korrekt erfolgte: „Bezüglich der Vestibulumplastik gemäß Ziffer 2675 GOÄ hat der Sachverständige in seinem Gutachten und in der Ergänzung ausgeführt, dass es sich bei dieser Position um eine Behandlungsmaßnahme handele, die im Sinne eines komplexen Weichgewebsmanagements definiert werden solle. Dazu gehöre unter anderem ein so genanntes Split-Flap-Verfahren als auch die Anwendung von mucogingivalen Schwenk- oder Rotationslappen. Wenn ein solches Weichgewebemanagement im Operationsbereich erfolge, dann seien diese eigenständig erbrachten Behandlungsmaßnahmen nicht im Sinne eines einfachen Wundverschlusses zu verstehen, sondern über eine eigenständige Leistungsposition, wie im vorliegenden Fall gemäß Ziffer 2675 GOÄ, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich berechenbar.“

 

Landgericht Köln: In diesem Urteil vom 5. April 2011 (Az. 23 O 169/09; Abruf-Nr. 120676) stellte der Sachverständige u. a. klar, dass die Versorgung einer Vestibulumplastik auch eine Variante nach Kazanjian umfasse. Diese sieht eine separate Schnittführung vertikal vor, um eine Ablösung der Submukosa unter Schonung des Periosts im Sinne einer Untertunnelung durchzuführen.

Ablehnung der Kostenerstattung von Vestibulumplastiken nicht gerechtfertigt

Die Textbausteine privater Kostenträger ähneln sich seit vielen Jahren. In zahlreichen Briefen findet sich folgende Aussage: „Die Vestibulumplastik nach GOÄ 2675 ist eine präprothetische operative Maßnahme am zahnlosen Kiefer bei atrophiertem Kieferkamm, um den Halt einer Prothese zu ermöglichen bzw. zu verbessern. Im Zusammenhang mit einer Implantat-Insertion ist eine Vestibulumplastik nicht nachvollziehbar.“

Wie kann man diesem Ansinnen begegnen?

Weder die GOÄ-Nrn. 2675, 2677 noch die GOZ-Nr. 3240 weisen einen derartigen Wortlaut (präprothetische Maßnahme, zahnloser Kiefer, atrophierter Kieferkamm) in den Abrechnungsbestimmungen auf. Die oben dargestellte Behauptung hat somit keinerlei rechtliche Grundlage. Vestibulumplastiken sind – mit Ausnahme der GOÄ-Nr. 2676 – nicht nur im Rahmen von präprothetischen Maßnahmen berechenbar. Die Leistungstexte und -bestimmungen sind eindeutig gefasst und unmissverständlich.