02.07.2015·Aktuelle Rechtsprechung Enge Voraussetzungen für Kostenübernahme bei einer Implantatversorgung für GKV-Versicherte
·Aktuelle Rechtsprechung
Enge Voraussetzungen für Kostenübernahme bei einer Implantatversorgung für GKV-Versicherte
von RA Norman Langhoff, Roever Broenner Susat Mazars, www.rbs-partner.de
| Die Kosten einer implantatgetragenen Versorgung sind nur im Rahmen eines über die bloße Zahnbehandlung hinausgehenden medizinischen Gesamtkonzepts als Ausnahmeindikation anzuerkennen. Die Voraussetzungen liegen bei einer Oligodontie in der Regel nicht vor. Dies hat das Sozialgericht Stade entschieden (7. April 2015, Az. S 1 KR 139/12, Abruf-Nr. 144803). |
Der Sachverhalt
Bei der Patientin besteht eine genetische Nichtanlage von Zähnen (Oligodontie). Im Oberkiefer fehlen von Geburt an acht, im Unterkiefer elf Zähne. Es war geplant, im Unterkiefer die Zähne 32, 35, 36 durch implantatgetragene Einzelkronen und die Zähne 41 bis 46 durch eine implantatgetragene Brücke, im Oberkiefer die fehlenden Zähne durch implantatgetragene Einzelkronen zu ersetzen. Die Krankenkasse lehnte die volle Kostenübernahme von 8.100 Euro ab und bewilligte 4.620 Euro. Sie begründete dies damit, dass die Kriterien einer Ausnahmeindikation bei Oligodontie nur im Unterkiefer erfüllt seien. Im Oberkiefer sei dies nicht der Fall, da nicht mehr als die Hälfte der Zähne fehle.
Die Entscheidung
Implantologische Leistungen sind gemäß § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V von der zahnärztlichen Behandlung für GKV-Versicherte grundsätzlich ausgeschlossen.Das Gericht hat offen gelassen, ob bei einer Ausnahmeindikation „Oligodontie“ der Anteil fehlender Zähne pro Kiefer oder insgesamt zugrunde zu legen sei. Es verneinte bereits das Vorliegen einer Ausnahmeindikation.
Aus der Formulierung in Ziffer B. VII. 1 der Zahnbehandlungs-Richtlinie, wonach Ausnahmeindikationen festgelegt werden, „in denen der Anspruch auf implantologische Leistungen […] im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung […] besteht“, leitet das Gericht ab, dass allein die Behandlung einer Oligodontie eine Kostenübernahmepflicht nicht begründe. Dabei wird auf die BSG-Rechtsprechung verwiesen (13. Juli 2004, Az. B 1 KR 37/02 R, Abruf-Nr. 192902, und 4. März 2014, Az. B 1 KR 6/13 R). Voraussetzung sei vielmehr, „dass die implantologischen Leistungen notwendiger Teil einer medizinischen Gesamtbehandlung sind, die sich ihrerseits aus verschiedenen, nämlich aus humanen und zahnmedizinisch notwendigen Bestandteilen zusammensetzt, ohne sich in einem dieser Teile zu erschöpfen. Nicht die Wiederherstellung der Kaufunktion im Rahmen eines zahnärztlichen Gesamtkonzepts, sondern ein darüber hinausgehendes medizinisches Gesamtziel müsse der Behandlung ihr Gepräge geben.“
Letztlich schließt das Sozialgericht Stade sogar die Möglichkeit einer Ausnahmeindikation bei Oligodontie nahezu generell aus, denn die genetische Nichtanlage von Zähnen sei „in ihren Auswirkungen regelmäßig auf die Beeinträchtigung der Kaufunktion begrenzt; eine andere, damit verbundene medizinische Behandlungsbedürftigkeit ergebe sich in der Regel nicht.“