02.07.2015·Aktuelle Rechtsprechung Patient erleidet Schlaganfall bei mehrstündiger Implantat-Operation: Kein Behandlungsfehler
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Patient erleidet Schlaganfall bei mehrstündiger Implantat-Operation: Kein Behandlungsfehler
| Der Implantologe ist nicht verpflichtet, über das äußerst seltene Risiko eines Schlaganfalls während einer Implantatbehandlung aufzuklären. Es liegt auch kein Verschulden des Behandlers vor, wenn ein Schlaganfall während einer mehrstündigen Operation auftritt. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln am 13. August 2014 (Az. 5 U 104/13) entschieden. Das Urteil mit den Konsequenzen stellt die PI-Redaktion in diesem Beitrag vor. |
Behandlung wegen gesundheitlicher Probleme abgebrochen
Im Urteilsfall hatte ein Patient einen Zahnarzt verklagt, der Implantate in einer mehrstündigen Operation eingesetzt hatte und erst spät auf einen Schlaganfall reagierte. Es sollte eine Augmentation mit dem Knochenersatzmaterial „Bio-Oss“ durchgeführt und neun Implantate im Oberkiefer gesetzt werden. Der Patient erhielt zu Beginn der Implantatbehandlung Dormicum zur Sedierung. Da er im Laufe der Behandlung sehr blass wurde und schwitzte, rief der Implantologe einen Arzt telefonisch herbei, der im Ort als Internist niedergelassen ist. Dieser stellte einen Blutdruck von 110/80 und einen Puls von 72 fest und verabreichte eine Infusion mit Glucose. Eine Stunde später erschien der Internist ein zweites Mal in der Praxis. Er maß erneut den Blutdruck und erteilte den Rat, die Behandlung zu beenden. Die Behandlung wurde abgebrochen und eine Wundversorgung durchgeführt. Der Patient blieb im Behandlungsraum, um das Schlafmittel auswirken zu lassen. Am Nachmittag wurde der Notarzt gerufen. Der Patient wurde in eine Klinik gebracht, wo man eine ausgedehnte rechtsseitige Stammganglienblutung mit Hemiplegie links und ein hirnorganisches Psychosyndrom diagnostizierte.
Der Patient war nach dem Schlaganfall schwerbehindert
Der Patient ist heute zu 100 Prozent schwerbehindert und arbeitsunfähig. Aufgrund seiner Behinderung musste er seine urologische Praxis veräußern. Er behauptete, der Schlaganfall sei durch eine fehlerhaft durchgeführte Lokalanästhesie ausgelöst worden. Er habe bei Verabreichung der Spritze einen unerträglichen Schmerz in der rechten Gehirnhälfte verspürt. Auch habe der Zahnarzt auf die Anzeichen eines Schlaganfalls nicht adäquat reagiert.
Keine Indikation für stationäre Durchführung des Eingriffs
Das Gericht entschied jedoch: Ein Behandlungsfehler ist nicht deshalb begründet, weil der Implantologe den mit neun Implantaten geplanten umfangreichen Eingriff unter ambulanten Bedingungen durchgeführt hat. Ein Behandlungsfehler ist zwar unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens denkbar, wenn der Arzt vor Durchführung der Behandlung oder des Eingriffs hätte erkennen müssen, dass die Behandlung die Grenzen seines Fachbereichs, seiner persönlichen Fähigkeiten oder der ihm zur Verfügung stehenden technisch-apparativen Ausstattung überschreitet und/oder er durch die vorgesehene Behandlung möglicherweise überfordert ist.
Den Ausführungen des Privatgutachters ist der Gerichtssachverständige jedoch überzeugend entgegengetreten. Der Sachverständige, der auf dem Gebiet der Implantologie als niedergelassener Zahnarzt tätig ist und über langjährige Erfahrungen verfügt, hat nachvollziehbar erläutert, die zahnärztliche Implantologie sei vor mehr als 30 Jahren ausschließlich in zahnärztlichen Praxen ausgeführt worden. Selbst größere Eingriffe würden routinemäßig ambulant und unter lokaler Leitungsanästhesie durchgeführt. Daran habe sich grundsätzlich nichts geändert, auch wenn umfangreichere Eingriffe häufig in Kliniken durchgeführt würden. Für einen in der Implantologie erfahrenen Zahnarzt habe der geplante Eingriff mit neun Implantaten in Verbindung mit Bonesplitting und augmentativen Maßnahmen in Lokalanästhesie keine ungewöhnliche Herausforderung dargestellt. Unter der Annahme, dass beim Patienten keine Vorerkrankungen vorgelegen hätten, habe keine Indikation für die Durchführung des Eingriffs unter stationären Bedingungen bestanden.
Keine Aufklärung über Schlaganfallrisiko erforderlich
Ausgehend von der durchaus begründeten Annahme des Implantologen, dass der Patient gesund war, musste er ihn auch nicht über das Risiko eines Schlaganfalls aufklären. Denn dieses Risiko lag nach den Ausführungen des Sachverständigen bei 1 zu 1.000.000. Darüber hinaus lagen keine Aufklärungsfehler vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war – so das Gericht – hinreichend sicher anzunehmen, dass der Patient am Tag vor der Behandlung durch den Implantologen über die Details des Eingriffs informiert wurde.