03.09.2010 |Aktuelle Rechtsprechung Erstattung für große Implantatversorgung: Gericht weist Versicherung in die Schranken
03.09.2010 |Aktuelle Rechtsprechung
Erstattung für große Implantatversorgung: Gericht weist Versicherung in die Schranken
Das Landgericht Köln hat am 4. November 2009 (Az: 23 O 236/06, Abruf-Nr. 100713) eine Versicherung verurteilt, Kosten für eine umfangreiche Implantatbehandlung in Höhe von rund 33.000 Euro zu übernehmen. Dabei hat das Gericht Streitpunkte zugunsten des Versicherten entschieden, die immer wieder Anlass für Erstattungsprobleme sind.
Der Fall
Eine privat versicherte Patientin verlangte von ihrer Versicherung Kostenerstattung für eine umfangreiche Gebisssanierung. Ihr zahnloser Oberkiefer wurde mit zehn Implantaten und festsitzender Suprakonstruktion versorgt, der bis auf zwei bereits vorhandene Implantate zahnlose Unterkiefer mit je drei Implantaten in den Seitenzahnbereichen und festsitzendem Zahnersatz. Zuvor wurden umfangreiche kieferkammaufbauende Maßnahmen durchgeführt. Die Versicherung machte geltend, der Oberkiefer könne mit sechs Implantaten und einer steggetragenen Prothese versorgt werden, der Unterkiefer mit zwei zusätzlichen Implantaten und einer ebenfalls steggetragenen Prothese. Sie bestritt die medizinische Notwendigkeit der tatsächlich durchgeführten Versorgung und rechnete ihre Versicherungsleistung auf der Basis der von ihr zugrundegelegten „Alternativversorgung“ ab.
Außerdem verweigerte die Versicherung die Kostenerstattung für die zwischen dem Zahnarzt und der Patientin gemäß § 2 GOZ oberhalb des 3,5-fachen Satzes vereinbarten Gebührensätze und nahm Leistungskürzungen bei den Laborkosten sowie bei einigen implantat-chirurgischen Positionen vor. Die Patientin zog vor Gericht.
Die Entscheidung
Nach umfangreichen gegensätzlichen Ausführungen und Beweiserhebung durch Gutachten wurde die Versicherung verurteilt, der Patientin 33.000 Euro zu erstatten. Das Gericht sah die medizinische Notwendigkeit der Implantat-Versorgung sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer nebst festsitzender Suprakonstruktionen im konkreten Behandlungsfall als gegeben an. Das Gericht folgte dabei den Ausführungen des Sachverständigen, der für den Oberkiefer eine extreme Alveolarkammatrophie bestätigte und somit kieferkammaufbauende chirurgische Maßnahmen als notwendig ansah.
Auch die Versorgung des Unterkiefers mit je drei weiteren Implantaten in den Seitenzahnbereichen wurde vom Gutachter als medizinisch notwendig bestätigt. Die Versicherung habe nicht nachvollziehbar dargelegt, warum lediglich die Alternativversorgung medizinisch notwendig sein solle. Zwar sei nach Meinung des Sachverständigen auch eine kostengünstigere Maßnahme möglich gewesen, jedoch sei das therapeutisches Behandlungskonzept medizinisch vertretbar. Allein aus Kostenerwägungen könne die Versicherung ihre Versicherte nicht auf eine andere Maßnahme verweisen.
Auch weitere im Zusammenhang mit der Implantat-Versorgung stehende Maßnahmen erachtete das Landgericht Köln in Anlehnung an das Sachverständigengutachten als medizinisch notwendig:
- Die dreidimensionale interaktive Computertomographie-Analyse stelle einen Fortschritt gegenüber dem gebräuchlichen Röntgenverfahren dar und sei bei dieser außerordentlich schwierigen Ausgangssituation zur besonders sorgfältigen Planung der Implantat-Lokalisation als medizinisch notwendig anzusehen.
- Die Versorgung mit Langzeitprovisorien sei auch unter dem Gesichtspunkt der Sofortbelastung der vier Implantate im Frontzahnbereich nicht zu beanstanden. Bei dem unzureichenden Knochenangebot sei die Eingliederung der Provisorien auf sofort belasteten Implantaten auch deshalb vertretbar, um postoperativ die Ausbildung der Schleimhautverhältnisse im Vestibulum und eine suffiziente Sprachfunktion herbeizuführen.