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14.07.2011·Aktuelle Rechtsprechung Landgericht Köln: Keramik-Zahnimplantate aus Zirkonoxid waren medizinisch notwendig

·Aktuelle Rechtsprechung

Landgericht Köln: Keramik-Zahnimplantate aus Zirkonoxid waren medizinisch notwendig

von Rechtsanwalt Michael Zach, Kanzlei für Medizinrecht, Mönchengladbach

| Technische Neuerungen akzeptieren private Krankenversicherungen (PKVen) oft erst, wenn sie wissenschaftlich anerkannt sind und sich am Markt durchgesetzt haben. Der übermäßig restriktive Ansatz der PKVen mit dem Argument fehlender medizinischer Notwendigkeit führt immer wieder zu Auseinandersetzungen, die nur gerichtlich beigelegt werden können. Jetzt hat das Landgericht Köln im Urteil vom 8. Juni 2011 (Az: 23 O 274/09, Abruf-Nr. 112396) entschieden, dass die Versicherung im konkreten Fall zu hohe Anforderungen an die wissenschaftliche Anerkennung von Keramik-Zahnimplantaten gestellt und zu Unrecht die Erstattung verweigert hatte. |

 

Vorab ein kurzer Rückblick: Nach Einschätzung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 19. Juni 2001 (Az: B 1 KR 23/00) ist der implantatgetragene Zahnersatz seit „Ende der 90er Jahre“ wissenschaftlich belegt. Den Durchbruch bei der PKV-Erstattung erreichten Zahnimplantate dann ab dem Jahr 2003, als seitens der Zivilgerichte klargestellt wurde, dass ein Kostenvergleich mit herkömmlichen herausnehmbaren Versorgungen nicht zulässig sei und auch umfangreiche Implantatbehandlungen nicht als „Luxusbehandlung“ angesehen werden können (Bundesgerichtshof, 12. März 2003, Az: IV ZR 278/01; Abruf-Nr. 030948). Spätestens seit 2007 wird die medizinische Notwendigkeit des Behandlungsansatzes der Sofortbelastung von Zahnimplantaten bestätigt (Landgericht Köln, 7. Februar 2007, Az: 23 O 458/04; Abruf-Nr. 071452).

Der Fall

Dem Urteil des Landgerichts Köln lag der Fall eines 60-jährigen männlichen Patienten zugrunde, bei dem eine Titanunverträglichkeit festgestellt worden war und der sich somit für Zahnimplantate aus Keramik entschieden hatte. Diese Behandlung wurde mit drei Implantaten regio 45, 46 und 47 und zwei Implantaten regio 36 und 37 durchgeführt.

 

Die private Krankenversicherung erklärte sich bereit, die Kosten in Höhe von insgesamt etwa 12.500 Euro zu erstatten – allerdings erst unter der Voraussetzung, dass der Patient folgende Erklärung unterschreibt: Sofern sich in den nächsten fünf Jahren herausstellt, dass die Versorgung mit Keramikimplantaten nicht zum erwarteten dauerhaften Behandlungserfolg geführt hat, sollte er sich damit einverstanden erklären, dass die Kosten einer eventuellen Neuversorgung des Zahnersatzes aufgrund von Komplikationen bzw. von Verlusten der Implantate im Unterkiefer nicht von der Versicherung übernommen werden. Der Patient unterschrieb die Vereinbarung.

 

Im Jahr darauf begab sich der Patient in die Behandlung einer anderen Zahnarztpraxis; es wurde eine Neuversorgung der regio 47 aufgrund eingetretener Periimplantitis am Implantat in regio 47 vorgenommen. Außerdem wurden Keramikimplantate in regio 15, 16, 23, 24, 25 inseriert. Die Versicherung weigerte sich, die Kosten in Höhe von erneut mehr als 12.000 Euro zu erstatten.

Das Urteil

Das Landgericht Köln entschied allerdings, dass die Klage begründet war. Das Gericht folgte den Ausführungen des Sachverständigen, der die Behandlung zur Rettung des bestehenden Zahnersatzes und zur Behandlung der Periimplantitis als notwendig erachtet hatte. Es habe sich nicht um eine Neuversorgung gehandelt, sondern um die Behandlung einer Periimplantitis. Dabei sei die Implantatoberfläche in regio 47 gesäubert worden, um das zu hohe Einwachsen sogenannter nicht fixierter Schleimhaut im Implantatbereich zu reduzieren. Auslöser für diesen Eingriff sei vermutlich die Belassung von Zementresten nach Einzementierung einer Brücke auf den dort befindlichen Implantaten gewesen. Diese Entzündung sei also wohl nicht durch die Implantate selbst oder deren fehlerhafte Einbringung verursacht worden.

 

Das Gericht entschied außerdem, dass die Behandlung mit den Keramikimplantaten in regio 15, 16, 23, 24, 25 medizinisch notwendig war. Es habe angesichts der bereits bestehenden implantologischen Versorgung im Unterkiefer mit Keramikimplantaten keinen Sinn gemacht, eine Versorgung mit einem anderen Material durchzuführen, zumal die Unterkieferimplantate gut eingeheilt gewesen seien. Wegen des Umfanges des Eingriffs hielt das Gericht im Übrigen die Kosten der Vollnarkose für erstattungspflichtig.

 

Versicherung hätte Leistungszusage erteilen müssen

Auch die Berechnung von Leistungen über den 3,5-fachen Satz hinaus musste die Versicherung erstatten. Eine schriftliche Leistungszusage sei zwar nicht erteilt worden, jedoch sei ihr vom Patienten vor Durchführung der Behandlungsplan mit der Bitte um Erteilung einer Kostenzusage übermittelt worden. Dies habe die Versicherung insgesamt abgelehnt. Lagen aber die Voraussetzungen vor, unter denen eine Liquidation über dem 3,5-fachen Satz erfolgen konnte, so bestand laut Gericht für die Versicherung auch die Verpflichtung, eine entsprechende Leistungszusage zu erteilen.

 

Erstattungspflicht trotz ästhetischer Gründe für die Behandlung

Auch die Behauptung, sie habe die Preise der Implantate sowie einzelner Gebührenziffern nicht prüfen können, half der Versicherung nicht, weil sie diese Einwendungen nicht weiter substanziiert hatte. Dies gilt ebenfalls für das Argument der privaten Krankenversicherung, die Behandlung sei auch aus ästhetischen Gründen erfolgt. Dazu ein Zitat aus der Urteilsbegründung:

 

„Zwar liegen den vorgenannten Behandlungsmaßnahmen ästhetische Gründe zugrunde, jedoch besteht eine Erstattungspflicht nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer dennoch. Denn die Beklagte (Versicherung, d. Red.) ist aufgrund des Versicherungsvertrages verpflichtet, die Kosten für Zahnersatz zu tragen. Dass dieses Leistungsversprechen auch die Kosten umfasst, die dafür anfallen, dass der Zahnersatz äußerlich so gestaltet wird, dass er in seinem Aussehen dem Aussehen natürlicher Zähne soweit wie möglich angenähert wird, versteht sich aus Sicht der Kammer von selbst.“