04.11.2010 |Aktuelle Rechtsprechung Urteil: Erstattungspflicht bei besonders schwieriger Implantatbehandlung
04.11.2010 |Aktuelle Rechtsprechung
Urteil: Erstattungspflicht bei besonders schwieriger Implantatbehandlung
von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht Anita Benigna Lehner, Feldafing, www.rain-lehner.de
Eine Knochenresektion zur Gestaltung des Prothesenlagers stellt eine abzurechnende selbstständige Leistung dar – unabhängig davon, in welche Richtung reseziert wird. Die „Gestaltung des Prothesenlagers“ kann sich auch auf Kronen beziehen, die auf Implantaten platziert werden. Dies hat das Amtsgericht München am 28. Dezember 2009 (Az: 231 C 29341/08, Abruf-Nr. 103545) entschieden.
Der Fall
Bei Vorliegen einer Schaltlücke im UK regio 46 und 45 erfolgte bei der 45-jährigen Patientin eine objektiv notwendige chirurgisch-implantologische Rehabilitation. Es lagen sehr schwierige atrophierte Alveolarkamm-Verhältnisse vor. Die Gestaltung und Formung des Knochens für die richtige Herstellung des Bezuges zum Gegenkiefer hatten einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad. Die Gingiva propria in den regiones war vor der Behandlung außerordentlich schmal bzw. nicht vorhanden, bei der anatomisch schwierigen Gegebenheit eines hoch ansetzenden mobilen Wangenbandeinflusses.
Die Behandlung
Die Formung des Alveolarfortsatzes für ein ausgeglichenes, stabiles und entsprechend breites Knochenlager erforderte eine objektiv medizinisch notwendige Alveolarknochenresektion im Unterkiefer nach GOZ-Nr. 323. Die Alveolarknochenresektion erfolgte nicht in Zusammenhang mit einer anderen chirurgischen Maßnahme.
Der Behandler führte zur Schaffung einer zirkulär befestigten Gingiva propria rund um die Implantate eine Vestibulumplastik nach GOÄ-Nr. 2675 durch. Hierdurch wurde erreicht, dass die Implantate in einer ruhigen Zone die Schleimhaut durchbrechen und ein Einwachsen mit guter Langfristprognose ermöglicht wurde. Der dabei erforderliche Verschiebelappen wurden zeitaufwendig geplant. Die Umsetzung dieser Vestibulumplastik war mit deutlich schwierigeren Präparationen und mehr Arbeit verbunden. Für die weitere Implantation von Knochen nach GOÄ-Nr. 2254 wurde eine äußerst schwierige Knochenaugmentation im periimplantären Bereich nach Knochenmaterialgewinn bei Kieferkammatropie vorgenommen. Auch hier war eine sehr aufwendige Umsetzung zu berücksichtigen.
Rechtliche Argumente zur Erstattungspflicht
Dazu das Gericht: Die Knochenresektion ist eine selbstständige Leistung mit eigenständiger Gebührenziffer und Leistungslegende. Daher ist die Berechenbarkeit gegeben (siehe Bundesgerichtshof vom 13. Mai 1992 Az: IV ZR 213/91, und vom 16. März 2006, Az: III ZR 217/05; Abruf-Nr. 060920 unter www.iww.de). Wenn die Knochenresektion nicht nur das Glätten der Knochenkanten im Bereich der Implantatsetzung umfasst, ist GOZ-Nr. 323 immer abrechenbar. Insbesondere spielt es hierbei keine Rolle, in welche Richtung reseziert wird.
Der Begriff „zur Gestaltung des Prothesenlagers“ kann sich auch auf Kronen beziehen, die auf den Implantaten platziert werden. Kronen stellen Prothetik dar und bedürfen daher eines Lagers. Die GOZ-Nr. 323 ist zu erstatten. Für die Nachhaltigkeit der Versorgung war die rund um die Implantate durch die Behandlung verbreiterte, zirkulär befestigte Gingiva propria objektiv medizinisch notwendig. Dies wurde durch die Vestibulumplastik dauerhaft erreicht.
Auch das Verlegen des vestibulären Zugangslappens nach vestibulär stellt ein Verfahren einer Vestibulumplastik dar. Hier ergibt sich ein erhöhter Planungs- und Präparationsaufwand sowie Schwierigkeitsgrad – gegenüber einem einfachen Wundverschluss – und diese Leistung ist daher mit der GOÄ-Nr. 2675 abrechenbar und zu erstatten. Zusätzlich ist die GOÄ-Nr. 444 als Zuschlag für ambulante Operationsleistungen zu erstatten.
Für den durchgeführten Knochenaufbau ist die Abrechenbarkeit der GOÄ-Nr. 2254 gegeben. Es spielt nämlich keine Rolle, so das Gericht, auf welche Weise Knochen gewonnen wird. Insofern stelle das von der Beklagtenseite beschriebene Knochengewinnungsverfahren nur ein Beispiel dar. Der Knochenaufbau ist ein deutlicher planungstechnischer und operativer Mehraufwand mit zusätzlich erforderlichem Operationswerkzeug. Die zahnärztliche Leistung ist somit voll erstattungsfähig.
Praxishinweis
Das Amtsgericht München stellt in seinem Urteil anhand der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen insbesondere klar, dass Implantate nicht dort zu setzen sind, wo Knochen noch vorhanden wäre, sondern an der prothetisch richtigen Stelle.