29.11.2012·Aktuelles Fallbeispiel Therapie und Abrechnung der Leistungen bei einer Periimplantitis-Behandlung
·Aktuelles Fallbeispiel
Therapie und Abrechnung der Leistungen bei einer Periimplantitis-Behandlung
| Die Periimplantitis ist ein zunehmendes Problemfeld in der Implantologie, da sie unter gewissen Umständen zum Verlust von Suprakonstruktion und Implantat führen kann. Ein Gesamtkonzept vor der Insertion von Implantaten sowie eine Behandlungsstrategie nach Implantation und prothetischer Versorgung sollte daher in jeder implantologischen Praxis vorliegen. Eine detaillierte Anamnese zeigt individuelle Risiken des Patienten, die auf der Basis einer fundierten Diagnostik einzubezogen werden, um die Langlebigkeit der implantologischen Versorgung zu gewährleisten. |
Die Ursachen und Risikofaktoren der Periimplantitis
Am Anfang eines Entzündungsprozesses besteht in der Regel eine Mucositis – die pathologische Veränderung der das Implantat umgebenden Weichgewebsmanschette. Während die reversible Entzündung des periimplantären Weichgewebes ohne Beteiligung des Knochens besteht, spricht man bei fortschreitender Entzündung mit einem progressiven irreversiblen Knochenverlust von einer frühen Periimplantitis (Knochenabbau < 2 mm) oder einer fortgeschrittenen Periimplantitis (Knochenverlust > 2 mm).
In verschiedenen Studien konnte durch mikrobiologische Untersuchungen belegt werden, dass sich das für die Periimplantitis verantwortliche Keimspektrum nicht vom für die Parodontitis verantwortlichen Keimspektrum unterscheidet. Ein plaqueinduziertes Auftreten von Keimen, deren Spektrum der einer chronisch progressiven Parodontopathie entspricht, liegt auch bei der Periimplantitis vor.
Neben verschiedenen exogenen Risikofaktoren wird insbesondere der genetischen Prädisposition sowie der Zusammensetzung der oralen Mikroflora des Patienten große Bedeutung beigemessen. Parodontopathogene Bakterienspezies wurden auch bei Patienten mit Implantat-Misserfolgen in signifikant erhöhten Konzentrationen isoliert (zum Beispiel Porphyromans gingivalis, Tannerella forsythensis, Treponema denticola, Prevotella intermedia, Fusobacterium nucleatum, Campylobacter recta, Actinobacillus actinomycetemcomitans). Aufgrund dieser Vergleichbarkeit sind auch zur Behandlung der Periimplantitis Ansätze aus der Parodontaltherapie erfolgversprechend.
Zur optimalen Patientenmotivation müssen moderne Strategien angewandt werden, um durch Aufbau eines Vertrauensverhältnisses die Compliance nachhaltig zu verbessern. Hierzu zählen auch Information und Instruktion des Patienten über die aktive Unterstützung in allen Behandlungsphasen.
Die Behandlung der Periimplantitis
Die folgenden Behandlungsmaßnahmen kommen infrage:
Matrix-Metalloproteinase-8
Im Sulcusfluid kann die Konzentration der aktiven Form des Enzyms Matrix-Metalloproteinase-8 (aMMP-8) bestimmt werden. Die MMP-8 ist eine körpereigene gewebezerstörende Kollagenase, die in ihrer aktiven Form (aMMP-8) den Abbau des Knochengewebes und des parodontalen Gewebes bedingt. Dieser Test wird auch in der parodontalen Erhaltungstherapie angewandt, um frühzeitig Veränderungen effektiv zu begegnen.
Genetische Risikobestimmung
Patienten mit genetisch bedingter Veränderung der für das Zytokin Interleukin-1 (IL-1) codierenden Gene reagieren auf die Anwesenheit parodontopathogener Markerkeime mit einer Überproduktion des Entzündungsmediators IL-1, wodurch es im Rahmen der entzündlichen Reaktion zu einem massiven Bindegewebsverlust und Knochenabbau kommen kann. Durch eine genetische Risikobestimmung können Veränderungen in den Genen analysiert werden.
Die Entfernung des mikrobiellen Biofilms und der Endotoxine ist die wichtigste Voraussetzung für das Erreichen einer Biokompatibilität der betroffenen Implantatoberfläche. Dies ermöglicht die anschließende knöcherne Regeneration des periimplantären Defekts.
Mechanische Reinigung
Zur mechanischen Belagsentfernung werden Plastikscaler und Prophylaxewinkelstücke mit Polierkelchen und Titanküretten empfohlen, damit die Implantatoberfläche nicht beschädigt wird. Diese sind jedoch bei engen Gewindegängen des Implantats nicht immer geeignet.
Schleifkörper und Reinigungsbürsten aus Titan
Zur Vorbeugung einer erneuten Plaqueakkumulation kann die Abtragung rauer Oberflächenstrukturen mithilfe diamantierter Schleifkörper und Gummipolierer erfolgen, wobei Versprengungen von Titanpartikeln und Polierkörperanteilen in das umgebende Gewebe bestmöglich vermieden werden müssen. Eine erfolgreiche Behandlung für das offene Debridement der Oberfläche von Titan-Implantaten kann mit einer speziellen Reinigungsbürste aus Titan erfolgen. Dafür sollte die Suprakonstruktion nach Möglichkeit vorher entfernt und die innere Verbindung des Implantats mit einer Abdeck- oder Verschlussschraube geschützt werden.
Nekrotischer Knochen und entzündliches bzw. überschüssiges Weichgewebe wird zuerst mithilfe von Instrumenten entfernt, bevor die auf einem chirurgischen Handstück befindliche rotierende Titanbürste oszilliert. Da der Biofilm nicht restlos entfernt werden kann, werden desinfizierende oder antimikrobielle Wirkstoffe aufgetragen, um die verbleibende Biofilm- bzw. Proteinschicht zu entfernen. Sterile Kochsalzlösung oder Ringer-Lösung dienen zur Spülung und Kühlung der Behandlungsstelle.
Anwendung von Pulver-Wasserstrahlgeräten
Die Entfernung von Endotoxinen erfolgt auch mit Pulver-Wasserstrahlgeräten, wobei jedoch zu beachten ist, dass weder sterile noch isotonische Verhältnisse möglich sind.
Antimikrobielle Therapie
Das Antisepetikum Chlorhexidin weist je nach Präparat und Konzentration unterschiedliche Ergebnisse auf und zeigt mit CHX 0,2-prozentig weiterhin die besten Ergebnisse in der Literatur. Eine systemische Antibiotikagabe ist aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung nur in Einzelfällen angeraten. Eine lokale Applikation von einer ausreichenden Menge an Antibiotika ist aufgrund der hohen Sulkusfließgeschwindigkeit oft problematisch.
Neben der klassischen Mundhygiene bestehen auch alternative Vorgehensweisen wie zum Beispiel die photodynamische Therapie (PDT) und die Ozonanwendung. Aufgrund der geringen Zahl durchgeführter Studien gibt es derzeit in der Fachliteratur keine Empfehlung für ein bestimmtes Protokoll oder Präparat.
Lasertherapie
Das Ziel der Laseranwendung besteht in der oberflächlichen Verdampfung der wässrigen Plaque bzw. der thermischen Inaktivierung von Endotoxinen (Zerfallsprodukte von Bakterien) durch die einfallende Laserstrahlung ohne Erwärmung des Implantats selbst. Die Photodynamische Therapie (PDT) ist eine nicht-invasive Methode, um parodontalpathogene Keime unabhängig von der Implantatoberfläche in hohem Maße zu eliminieren. Dazu werden photosensitive Farbstoffe aufgetragen, die infolge der Bestrahlung mit einem geeigneten Laserlicht zur Keimabtötung führen.
Chirurgisch-resektive Therapie
Röntgenologisch schüsselförmige Defekte mit einem chronisch progredienten – fortschreitenden – Knochenabbau und erhöhten Entzündungsparametern sind nach der Initialbehandlung meist chirurgisch-resektiv anzugehen. Röntgenologisch trichter- und spaltförmige periimplantäre Defekte mit chronisch progredientem Knochenabbau und erhöhten Entzündungsparametern sehen sowohl chirurgisch-resektive als auch augmentative Verfahren vor.
Regenerative Therapie
Zu den Indikationen für die Anwendung regenerativer Maßnahmen gehören ein moderater Knochenabbau, zwei- bis dreiwandige Knochendefekte sowie zirkulärer Knochenverlust mit einer infraalveolären Komponente. Als Hilfsmittel für die Regeneration werden Eigenknochen, Knochenersatzmaterial und/oder Membranen eingesetzt. Eine weitere Option besteht in der Anwendung von Schmelzmatrixproteinen, deren Wirkungsweise jedoch durch klinische Studien nachgewiesen werden muss, damit eine evidenzbasierte Indikationserweiterung vorgenommen werden kann.
Der Fall
Der Befund: Die Zähne 18, 28, 38, 41 und 48 fehlen; 41 wurden im Jahr 2003 mit einem Implantat und nach Osseointegration mit einer Krone versorgt. Es liegt ein befriedigender allgemeiner Pflegezustand vor. Ein trichter- und spaltförmiger periimplantärer Defekt mit Knochenabbau wurde diagnostiziert. Die Sondierungstiefe 41 bukkal beträgt sieben Millimeter.
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Anamnese und Befundaufnahme |
GOZ-Nr. 0010 oder GOÄ-Nr. 6 |
Parodontalstatus, Messung der Taschentiefe unter Verwendung einer Parodontalsonde; BOP; Faktorsteigerung, wenn die Taschentiefe an mehreren Stellen pro Zahn erhoben wird oder wenn elektronische Sonden Anwendung finden |
GOZ-Nr. 4000 |
Röntgen |
GOÄ-Nrn. 5000 ff. |
Beratung kurz |
GOÄ-Nr. 1 |
Mundhygienestatus |
GOZ-Nr. 1000 |
Mikrobiologische bzw. immunologische Testverfahren, zum Beispiel Interleukin-1, aMMP-8 Schnelltests |
GOÄ-Nr. 298 je Zahn für Entnahme Exsudat aus Tasche; Materialtest; bei Auswertung durch Zahnarzt Honorar § 6 (1) GOZ |
Analyse der patientenbezogenen Risikofaktoren, Therapiekonzept mit Alternativtherapie, Therapieplan |
GOZ-Nr. 0030 |
Mechanische Belagsentfernung, zum Beispiel: mit Plastikscaler, Prophylaxewinkelstück mit Polierkelch, Titankürette |
GOZ-Nrn. 4050, 4055 |
Reinigung von herausnehmbarem Zahnersatz ggf. |
§ 9 GOZ, z. B. BEB-Nr. 8123 Prothesenreinigung |
Kontrolle Mundhygiene |
GOZ 1010 |
Entfernung weicher Beläge und Politur ggf. |
GOZ-Nr. 4060 je Zahn/Brückenglied/Implantat |
Professionelle Zahnreinigung |
GOZ-Nr. 1040 je Zahn/Brückenglied/Implantat |
Symptombezogene Untersuchung |
GOÄ-Nr. 5 |
Anästhesie |
GOZ-Nrn. 0090, 0100; Material Anästhetikum |
Darstellung Defekt mit Mikroskalpellklinge und vertikalem Entlastungsschnitt; Entfernung Granulationsgewebe; Dekontamination der Oberfläche |
§ 6 (1) GOZ Periimplantitis-Therapie |
Weitere Maßnahmen, zum Beispiel: |
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Variante 1: Dekontamination über Perio-flow®, H2O2 und abschließender Kochsalzlösung |
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Variante 2: Dekontamination Oberfläche mit geeignetem Laser bei Hart- und Weichgewebseinwirkung einschließlich Sterilisationseffekt |
§ 6 (1) GOZ Keimreduktion mit Laser |
Variante 3: Photodynamische Therapie (PDT); Elimination parodontalpathogener Keime von der Implantatoberfläche. Auftragen eines photosensitiven Farbstoffes und Keimabtötung durch geeignetes Laserlicht |
§ 6 (1) GOZ Photodynamische Therapie |
Variante 4: Dekontamination von Gewindegängen mit einer speziellen Titanbürste und abschließender Kochsalzlösung |
Material Titan-Einmalbürste |
Augmentation Knochendefekt mit Knochenersatzmaterial, Naht Systemische Gabe von Antibiotika (Rezept) |
GOZ-Nr. 4110, GOÄ-Nr. 2442, wenn eine Weichteilunterfütterung erfolgt, und GOÄ-Nr. 444; Material Knochenersatz, Naht |
Einbringen einer Membran ggf. |
GOZ-Nr. 4138; Material: Membran |
Nachbehandlung, Nachkontrolle |
GOZ-Nrn. 3300, 3290 |
Unterrichtung häusliche Anwendung Pflegeprodukt und Instruktion spezieller Hilfsmittel zum Reinigen der Zwischenräume |
GOZ-Nr. 6190 |
Erläuterungen zur Abrechnung
Evidenzbasierte Verfahren sind in der zahnmedizinischen Literatur bzw. Datenbank zu recherchieren. Die im Fallbeispiel genannten Therapieschritte und Leistungen müssen an die jeweilige Patientensituation adaptiert werden.
Da die GOZ-Nrn. 4090 und 4100 nur eine Lappen-OP an Zähnen beinhalten, kann – nach neuer Empfehlung der Bundeszahnärztekammer – eine Periimplantitis-Therapie entsprechend § 6 Abs. 1 GOZ berechnet werden. Die ausgewählte Variante der Dekontamination bestimmt den Zeit- und somit Honoraraufwand, Az. keine Gebührenziffer als Analogziffer vorgeschlagen werden kann und seitens der Bundeszahnärztekammer grundsätzlich nicht ausgesprochen wird. Da der Einsatz eines Lasers als eigenständige Therapie gilt, kann bei dieser selbstständigen Leistung zusätzlich eine gleichwertige Analogziffer ausgewählt und honoriert werden.
Bei umfangreichen tiefen Defekten wird entweder Eigenknochen und/oder Knochenersatzmaterial augmentiert und nach der GOZ-Nr. 4110 berechnet.
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„Auch das Auffüllen von Knochendefekten ohne Volumenvermehrung im Rahmen einer chirurgischen Behandlung kann nach dieser Gebührennummer berechnet werden. Dies kann mit allen Materialien erfolgen, die geeignet sind, den Aufbau von verloren gegangenem Knochen anzuregen. Das können (alloplastische) Knochenersatzmaterialien ebenso wie regenerative Substanzen oder körpereigener (autologer) Knochen sein. … Das ist zum Beispiel möglich bei schüsselförmigen Knochendefekten in der Umgebung von Implantaten – sowohl beim Setzen des Implantats als auch im Zusammenhang mit der Behandlung einer Knochennische in Folge von Periimplantitis. … Die Leistung erfolgt ggf. im Zusammenhang mit der Einbringung von alloplastischem Material im Rahmen einer Weichteilunterfütterung nach Nummer 2442 (GOÄ), sofern es sich nicht um eine vorbereitende oder begleitende Maßnahme für eine Implantateinbringung handelt. Die Weichteilunterfütterung nach GOÄ 2442 ist eine volumenvermehrende Maßnahme kleineren Umfangs mit alloplastischem Material.“ |
Die Anwendung einer Membran wird kontrovers diskutiert, sodass jeder Behandler für sich die Entscheidung nach der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage treffen muss. Die Nachbehandlung und ggf. auch -kontrolle kann nach GOZ-Nr. 3300 bzw. Nr. 3290 angesetzt werden, da die Periimplantitis-Therapie entsprechend § 6 Abs. 1 GOZ vorgenommen wird und bei Augmentation mit Weichteilunterfütterung eine GOÄ-Ziffer zum Tragen kommt.
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„Das beratende und belehrende Gespräch bezieht sich auf festgestellte schädliche Gewohnheiten und Dysfunktionen sowie Anleitungen zu deren Beseitigung. Es kann sich auf kieferorthopädische Fragestellungen, aber auch auf andere zahnmedizinische Gebiete beziehen.“ |