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31.08.2016·Arzthaftung Allergien und Zahnersatz: Wie ist die Rechtslage?

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Allergien und Zahnersatz: Wie ist die Rechtslage?

| Was passiert, wenn jemand eine Allergie gegen ein Material hat, das normalerweise für den Zahnersatz verwendet wird, und deshalb ein Material benötigt, das die Kosten für den Zahnersatz erhöht? Wer bezahlt die zusätzlichen Kosten? Und: Liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn eine Allergie auftritt, nachdem der Zahnersatz eingegliedert ist? |

Kein höherer Festzuschuss bei nachgewiesener Allergie

Die Bundesregierung teilte 2009 in einer Stellungnahme mit: Befundbezogene Festzuschüsse stellen nicht auf die medizinisch notwendige Versorgung im konkreten Einzelfall, sondern auf prothetische Regelversorgungen bei bestimmten Befunden ab. Da innerhalb der Festzuschusskonzeption nicht auf jeden einzelnen Behandlungsfall mit klinischen Besonderheiten oder individuellen Wünschen bei der Auswahl der Werkstoffe abgestellt werden kann, ist nicht auszuschließen, dass Versicherte im Einzelfall mehr als 50 Prozent der in der Regelversorgung abgebildeten Kosten zu übernehmen haben. Durch die Auswahl kostengünstiger hypoallergener Werkstoffe können Vertragszahnärzte die Höhe der zusätzlichen Kosten für Versicherte niedrig halten.

Verträglicher Werkstoff bei Allergien?

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat dazu Folgendes festgelegt:

 

  • Zahnersatz-Richtlinie Nr. 14

„Es dürfen nur solche Werkstoffe verwendet werden, die den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes entsprechen. Bei nachgewiesener Allergie gegen einen Werkstoff ist ein als verträglich ermittelter Werkstoff zu wählen. Der Nachweis einer Allergie ist gemäß den Kriterien der Kontaktallergiegruppe der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie zu erbringen. Er muss anhand von objektiv überprüfbaren Kriterien nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse erfolgen. Die Erprobung von Werkstoffen auf Kosten der Krankenkassen ist unzulässig. Bei der Auswahl der Dentallegierungen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung soll beachtet werden, dass Nichtedelmetalle und NEM-Legierungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein können.“

 

Erstattet die GKV bei nachgewiesener Allergie die Kosten?

Aus der Richtlinie des G-BA ist eine Erstattungspflicht der Krankenkassen nicht abzuleiten. Die Festzuschussregelungen haben zur Folge, dass gesetzlich Versicherte die zusätzlichen Kosten durch eine nachgewiesene Allergie grundsätzlich selbst zu tragen haben. In Härtefällen werden nach § 55 Abs. 2 SGB V die Mehrkosten durch eine nachgewiesene Allergie nach Auskunft des GKV-Spitzenverbands in aller Regel von den Krankenkassen getragen. Zu beachten ist allerdings, dass die Krankenkassen die Mehrkosten nur insoweit übernehmen, als darin keine Mehrkosten für Edelmetalllegierungen enthalten sind.

Allergische Reaktionen, nachdem der Zahnersatz eingegliedert wurde

Eine Patientin hatte sich vier Implantate inserieren lassen, die mit einer Suprakonstruktion versorgt wurden. Mit dem eingebrachten Zahnersatz war sie sehr unzufrieden. Begründung: Neben anderen Mängeln habe der Zahnarzt für den Zahnersatz Materialien verwendet, die sich mit den Metallen der eingebrachten Implantate nicht vertragen hätten. Aufgrund dessen sei es zu Magen- und Darmbeschwerden und anderen allergischen Reaktionen gekommen. Sie warf dem Zahnarzt vor, dass er vor dem Eingliedern des Zahnersatzes Materialtests hätte durchführen müssen, und klagte zuerst vor dem Landgericht (LG), anschließend vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg.

 

Das OLG entschied am 28.02.2007 (Az. 5 U 147/05) über den Behandlungsfall.Nach Ansicht der Richter ist dem Zahnarzt kein Behandlungsfehler vorzuwerfen, wenn es bei einer implantatgetragenen Zahnersatzkonstruktion zu galvanischen Strömungen geringster Stärke im Mund kommt. Darüber hinaus sei der Zahnarzt nicht verpflichtet, Allergietests vor dem Einbringen von Zahnersatz durchzuführen, soweit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Unverträglichkeit bei einem Patienten vorliegen.

Grober Behandlungsfehler bei einem Patienten mit Allergie?

Das OLG Oldenburg hat eine weitere Entscheidung zur Haftung von Zahnärzten bei allergischen Reaktionen im Rahmen einer Zahnersatzbehandlung getroffen. Es entschied am 04.07.2007 (Az. 5 U 31/05), dass ein grober Behandlungsfehler des Zahnarztes vorlag. Die Patientin hatte vor der Sanierung ihrem Zahnarzt durch die Übergabe des Allergiepasses über eine Unverträglichkeit gegen Palladiumchlorid informiert. Dass Zahnersatz mit einem Palladiumanteil von 36,4 Prozent in der Edelmetalllegierung verwendet wurde, war damit ein grober Behandlungsfehler.

 

Das Gericht sprach der auf 45.000 Euro Schmerzensgeld klagenden Patientin aber lediglich 1.000 Euro Schmerzensgeld zu. Zwar führt ein grober Behandlungsfehler regelmäßig zur Umkehr der Beweislast, sodass in diesem Fall der Zahnarzt zu beweisen hatte, dass der Behandlungsfehler für Reaktionen im Körper der Patientin nicht ursächlich war.

 

Ein Sachverständiger war jedoch zum Ergebnis gekommen, dass eine Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für fast alle von der Patientin angeführten Beeinträchtigungen – wie z. B. eine Vorwölbung der Bandscheibe, Gallenblasensteine, Virusgrippe oder eine Handgelenksversteifung – gänzlich unwahrscheinlich oder gar auszuschließen waren. Der Zahnarzt musste daher Schmerzensgeld nur im Hinblick auf vorübergehende allergische Reaktionen im Mundraum und im Gesicht zahlen. Dies entsprach nur zu einem kleinen Teil dem im Arzthaftungsprozess geltend gemachten Schadenersatzanspruch. Darüber hinaus wurde der Zahnarzt verpflichtet, sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Patientin durch die Neuversorgung entstand.