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02.12.2019·Bildgebende Verfahren MRT statt DVT? ‒ Eine strahlenfreie Alternative mit vielen Einsatzmöglichkeiten

·Bildgebende Verfahren

MRT statt DVT? ‒ Eine strahlenfreie Alternative mit vielen Einsatzmöglichkeiten

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZahnmedizinReport, Berlin

| Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist bei der Abbildung der Kieferregion eine strahlenfreie Alternative zur Digitalen Volumentomografie (DVT). Auf dem Deutschen Zahnärztetag 2019 beschrieben mehrere Vorträge die Eignung und die Einsatzmöglichkeiten der MRT. Von der Parodontitis-Diagnostik bis zur Implantatplanung sind die Vorteile groß ‒ so die Experten. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Aussagen der Vorträge zusammen und zeigt auf, wie die MRT im Vergleich zu anderen bildgebenden Verfahren dasteht. |

DVT aktuell der Goldstandard für die 3D-Kephalometrie

Aktuell gilt die DVT als Goldstandard für die 3D-Kephalometrie, ihre Anwendbarkeit ist jedoch aufgrund der Strahlenbelastung eingeschränkt. Prinzipiell verändert sich diese Bewertung auch nicht durch die Einführung strahlungsreduzierter DVT-Geräte ‒ die Strahlung lässt sich technisch ohne Einbußen bei der Abbildungsqualität nicht beliebig absenken. Im Gegensatz zur DVT ist die MRT aber ein nicht-ionisierendes bildgebendes Verfahren ‒ das heißt, die Patienten unterliegen keiner Strahlenexposition.

MRT zur Parodontitis- und Periimplantitisdiagnostik

Bei der Bildgebung entzündlicher Veränderungen des Zahnhalteapparats kommen bislang vor allem konventionelle röntgenbasierte Techniken zum Einsatz wie OPT und DVT. Die MRT zeigt in vielen Bereichen des Körpers Veränderungen an, noch bevor sie in Röntgentechniken abgrenzbar sind. Im Neuro-Kopf-Zentrum im Klinikum rechts der Isar, München, wurde die MRT als diagnostisches Werkzeug im Rahmen der Parodontitiserkennung erprobt.

 

Der Untersuchungsaufbau

Ein besonderer Fokus wurde auf die Erkennung von frühen Krankheitsstadien mit erhaltener Mineralisierung gesetzt. Zunächst wurden 30 gesunde Probanden im MRT mittels verschiedener Sequenztechniken (STIR, T1 Black bone) untersucht, um Normwerte zu ermitteln. Daraufhin wurden 40 Patienten mit klinischen Zeichen einer Parodontitis vor und nach der Behandlung mittels MRT untersucht.

 

Die MRT-Aufnahmen wurden mit Befunden der Panoramaröntgen-Aufnahmen (Orthopantomogramm/OPT) sowie mit klinisch erhobenen Parametern (Sondierungstiefe, Bleeding on probing) korreliert. Das Knochenödem, das in der STIR-Sequenz abgrenzbar war, sowie das Areal, das von Knochenabbau (Attachment-Verlust) betroffen war, wurde volumetriert und miteinander verglichen.

 

Die Untersuchungsergebnisse

Bezüglich des Knochenabbaus wiesen die MRT-Daten vergleichbare Werte zum Orthopantomogramm auf. Es zeigte sich eine gute Korrelation mit der klinisch erhobenen Sondierungstiefe. Darüber hinaus war die Größe des volumetrierten Areals des ossären Ödems ‒ als bildgebendes Korrelat der entzündlichen Aktivität ‒ deutlich über dem des Knochenabbaus gelegen.

 

Für Dr. Monika Probst (Fachärztin am Neuro-Kopf-Zentrum) hat die MRT mit speziellen Black-bone-Sequenzen (hier wird der Knochen dunkel dargestellt) sowie mit hochauflösender STIR-Sequenz das Potenzial, nicht nur als gleichwertiges diagnostisches Tool zu konventionellen röntgenbasierten Techniken in der Parodontitisdiagnostik zu fungieren. Die MRT liefert darüber hinaus auch einen Mehrwert, indem potenziell reversible Areale der Erkrankung angezeigt werden. Das Ausmaß der Erkrankung scheint in Röntgentechniken unterschätzt zu werden.

Darstellung des N. alveolaris inferior und N. lingualis

Die Anatomie des N. alveolaris inferior kann durch Bildgebungsmodalitäten wie das OPT, die Computertomografie (CT) oder die DVT allein indirekt durch die Darstellung seiner kortikalen Begrenzung abgebildet werden. Eine präzise Darstellung des N. lingualis ist bis heute im klinischen Alltag nicht reproduzierbar durchzuführen.

 

Visualisierung des N. lingualis inzwischen erreichbar

Dr. Egon Burian (Assistenzarzt am Neuro-Kopf-Zentrum im Klinikum rechts der Isar, München) konnte mittels neuer hochauflösender Bildgebungssequenzen eine direkte Visualisierung des N. alveolaris inferior und des N. lingualis und seiner jeweiligen anatomischen Varianten erreichen. 33 gesunde Probanden wurden mit einem 3T-Scanner (Elition, Philips Healthcare) untersucht. Das durchgeführte Sequenzprotokoll bestand aus einer 3D-STIR-, 3D-WATS- und einer 3D-T1-FFE-Sequenz „black bone“.

 

Die Studienergebnisse

Burians Studie unterstreicht das Potenzial der MRT zur direkten Visualisierung der proximalen und peripheren Äste des N. alveolaris inferior und des proximalen N. lingualis. Darüber hinaus bot die MRT die Möglichkeit, die Gewebsentitäten des neurovaskulären Bündels im Mandibularkanal zu differenzieren. Die Sequenzen ermöglichten die morphologische Unterscheidung von Nerven- und Gefäßkomponenten und ihre anatomische Lokalisierung innerhalb des Unterkiefers. Der anatomische Verlauf des N. lingualis konnte reproduzierbar detektiert werden.

MRT in der 3D-Kephalometrie

Die Abteilung für Experimentelle Radiologie der Neuroradiologie in Heidelberg forscht seit Jahren intensiv an der Entwicklung neuer MRT-Methoden für die zahnmedizinische Bildgebung. Dr. Alexander Jürchott (Neuroradiologe am Universitätsklinikum Heidelberg) untersuchte an Dysgnathie-Patienten, ob die MRT bei der 3D-Kephalometrie eine strahlenfreie Alternative zur DVT darstellt.

 

Der Untersuchungsaufbau

In dieser prospektiven Studie erhielten 12 Patienten präoperativ sowohl eine Großvolumen-DVT als auch eine dedizierte 3D-MRT-Untersuchung. Auf den Bilddatensätzen beider Modalitäten wurde eine kephalometrische Analyse von zwei unabhängigen Untersuchern in zwei Messrunden durchgeführt. Für jeden Bilddatensatz wurden dabei 27 dentale und skelettale Fixpunkte gesetzt und daraus jeweils 35 3D-Messungen (17 Winkel, 18 Strecken) berechnet.

 

Die Untersuchungsergebnisse

Die MRT-basierte 3D-Kephalometrie weist nach Aussage von Dr. Jürchott in vivo eine hohe Verlässlichkeit und eine exzellente Übereinstimmung mit dem „Goldstandard“ DVT auf. Somit könnte die MRT zukünftig als nicht-ionisierende Alternative zur Therapieplanung und zum Therapiemonitoring in der Kieferorthopädie und der Implantologie sowie in der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie eingesetzt werden.

MRT-basierte computergestützte 3D-Implantatplanung

PD Dr. Dr. Florian Probst (MKG-Oberarzt am Klinikum der Universität München) zeigte anhand einer Fallserie, inwieweit eine computergestützte 3D-Implantatplanung mit schablonengeführter Insertion zahnärztlicher Implantate („guided-surgery“) auf der Basis von Bilddaten durchführbar ist, die mittels MRT gewonnen wurden.

 

Der Untersuchungsaufbau

Bei acht Patienten wurden in den Jahren 2018 und 2019 Implantate der Firmen Straumann und Camlog inseriert. Die jeweiligen virtuellen 3D-Implantatplanungen erfolgten auf der Basis von DICOM-Datensätzen, die mittels 3T-MRT-Untersuchungen (Fa. Philips) erstellt wurden. Die Auflösung betrug jeweils 0,65 mm, die Aufnahmezeit je Sequenz ca. 3‒4 Minuten. Zur Anwendung kamen eine zur Darstellung von Knochen optimierte Sequenz (T1 Black Bone) sowie eine Sequenz zur Kontrastierung von Weichgeweben (T2 STIR) wie beispielsweise des N. alveolaris inferior, der oralen Mukosa oder der Pulpavitalität.

 

Die Bilddaten wurden in die Planungsprogramme 3Shape Implant Studio (Fa. 3Shape) bzw. coDiagnostiX (Fa. DentalWings) importiert. Nach virtueller Implantatpositionierung erfolgte die CAD/CAM-gefertigte Herstellung einer Schablone zur geführten Implantatinsertion.

 

Die Untersuchungsergebnisse

Die MRT-Bilder zeigten alle für die Implantatplanung relevanten anatomischen Strukturen wie z. B. kortikalen und spongiösen Knochen, N. alveolaris inferior, Sinus maxillaris und Nachbarzähne. Alle Implantate konnten mit guter Übereinstimmung zur geplanten Position komplikationslos primärstabil inseriert und letztlich zufriedenstellend prothetisch versorgt werden.

 

Die MRT eignet sich prinzipiell zur bilddatenbasierten computergestützten 3D-Implantatplanung mit nachfolgender schablonengeführter Operationsdurchführung. Bei vergleichbar guter Darstellung der Knochengewebe ergibt sich der Vorteil gegenüber CT und DVT, dass keine ionisierende Strahlung appliziert werden muss. Darüber hinaus hat die MRT einen diagnostischen Mehrwert, was die Darstellung von weichgewebigen anatomischen Strukturen wie Nerven oder Pulpagewebe betrifft.

Darstellung der Zahnoberflächen

Dr. Tim Hilgenfeld (Neuroradiologe am Universitätsklinikum Heidelberg) untersuchte in vivo die Genauigkeit der Zahnoberflächenrekonstruktion mittels Kegelstrahl-Computertomografie (CBCT) und dentaler Magnetresonanz-Bildgebung (Magnetic Resonance Imaging ‒ dMRI) bei Vorhandensein von metallischen Artefakten.

 

Der Untersuchungsaufbau

CBCT und 3-Tesla-MRT wurden prospektiv bei 22 Patienten durchgeführt (durchschnittliche Anzahl von Restaurationen pro Kiefer: 6,7±2,7). Für die dMRI wurde ein neues Verfahren zur Visualisierung von Zahnoberflächen mit Schiene und Zahnpasta eingeführt. Insgesamt 92 Zähne wurden berücksichtigt (31 Schneidezähne, 29 Eckzähne, 20 Prämolaren und 12 Molaren). Die Oberflächen wurden halbautomatisch rekonstruiert und auf einen Referenzstandard registriert.

 

Die Untersuchungsergebnisse

Die Zuverlässigkeit der Zahnoberflächenrekonstruktion war für CBCT und dMRI vergleichbar. Die geometrischen Abweichungen betrugen 0,102±0,042 mm für CBCT und 0,261±0,08 mm für dMRI. Für einen vordefinierten Äquivalenzbereich waren CBCT und dMRI statistisch äquivalent. CBCT war jedoch deutlich genauer. Bei beiden bildgebenden Verfahren unterschied sich die Genauigkeit zwischen den verschiedenen Zahnarten nicht wesentlich.

 

Hilgenfelds Schlussfolgerung: Kegelstrahl- (auch: Cone-Beam-) Computertomografie ist eine genaue und zuverlässige Bildgebungstechnik für Oberflächen restaurationsfreier Zähne in vivo ‒ auch in Gegenwart von Metallartefakten. Im Vergleich dazu ist die In-vivo-Genauigkeit der dMRI geringer, sie kann Zahnoberflächen aber noch in zufriedenstellenden Details und innerhalb akzeptabler Aufnahmezeiten abbilden.

 

Quellen

  • Monika Probst. MRT zur Parodontitisdiagnostik ‒ Eignung und Mehrwert
  • Egon Burian. MRT des N. alveolaris inferior und N. lingualis- qualitative und quantitative Darstellung bei gesunden Probanden
  • Dr. Alexander Jürchott. In-vivo-Vergleich zwischen MRT- und DVT-basierter 3D-Kephalometrie: Beginn einer neuen strahlenfreien Ära in der kraniofazialen Bildgebung?
  • Florian Probst. MRT-basierte computergestützte 3D-Implantatplanung mit schablonengeführter Insertion zahnärztlicher Implantate
  • Tim Hilgenfeld. In-vivo accuracy of tooth surface reconstruction based on CBCT and dental MRI
  • Alle: Vorträge für den Deutschen Zahnärztetag 2019, Frankfurt/Main, 08.‒09.11.2019
  • Juerchott A et al. 3D cephalometric analysis using Magnetic Resonance Imaging: validation of accuracy and reproducibility. Sci Rep. 2018 Aug 29; 8(1): 13029. doi: 10.1038/s41598‒018‒31384‒8.