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Covid und 3G: Darf ein Zahnarzt ungeimpfte und/oder ungetestete Patienten ablehnen?

Können Zahnarztpraxen die Behandlung eines Patienten von der Beachtung der sog. 3G-Regel abhängig machen? Das hätte zur Folge, dass nur noch solche Patienten behandelt würden bzw. behandelt werden müssten, die geimpft, genesen oder aktuell getestet sind. (Notfälle natürlich ausgenommen).

Ärztekammer Nordrhein verbietet „willkürliche Ablehnung ganzer Bevölkerungsgruppen“

Ein Rundschreiben (1) der Zahnärztekammer Nordrhein untersagt es, die Behandlung Ungeimpfter oder Ungetesteter abzulehnen: Es würde der Berufspflicht widersprechen, wenn der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten willkürlich ablehnt – beispielsweise, wenn er es ablehnt, ganze Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel Ungeimpfte oder nicht Getestete – zu behandeln.

„Jedes Mitglied der Zahnärzteschaft verpflichtet sich, seinen Beruf würdig, gewissenhaft und nach den Gesetzen der Menschlichkeit zum Wohle des Patienten auszuüben sowie dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Der Zahnarzt ist zum Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen. Ungeachtet der Verpflichtung des Zahnarztes, in Notfällen zu helfen, kann nach § 1 Abs. 6 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein der Zahnarzt die Behandlung ablehnen, falls eine Behandlung nicht gewissenhaft und sachgerecht durchgeführt werden kann oder die Behandlung ihm nach pflichtgemäßer Interessenabwägung nicht zugemutet werden kann oder er der Überzeugung ist, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht. Es würde dieser Berufspflicht widersprechen, wenn der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten willkürlich ablehnt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er es ablehnt, ganze Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel Ungeimpfte oder nicht Getestete – zu behandeln. Das fehlende Vertrauensverhältnis, das für die Ablehnung einer Behandlung erforderlich ist, kann stets nur einen einzelnen Patienten, nicht aber ganze Gruppen betreffen.“

Weiter heißt es im „Fazit“ der Stellungnahme der Zahnärztekammer:

„Es gibt keine gesetzliche Grundlage, durch die der Impfstatus oder ein aktueller Corona-Test eines Patienten Voraussetzung für eine Behandlung sein darf, gleichwohl sich der Zahnarzt oder Zahnärztin beim Patienten nach entsprechendem Status erkundigen darf, auch wenn dieser ihm oder ihr nicht antworten muss. Zudem darf gemäß der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt keinen Patienten ablehnen, nur weil er möglicherweise unter einer Infektionskrankheit leidet oder weil er zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (Ungeimpfte oder nicht Getestete) gehört.“

Rechtsanwälte widersprechen

Diese Stellungnahme trifft auf Widerspruch von Juristen. So schreiben die Fachanwältin für Medizinrecht Katrin-C. Beyer und Rechtsanwalt Dr. Uwe P. Schlegel (beide ETL Rechtsanwälte, Niederlassung Köln): „Wir teilen Ergebnis und Argumentation der Zahnärztekammer nicht! Wir halten es für zulässig, wenn der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten – von Ausnahmefällen abgesehen – unter Berücksichtigung der 3G-Regel durchführt bzw. nicht durchführt.“

Die Zahnärztekammer weise zu Recht darauf hin, dass eine zahnärztliche Behandlung nicht willkürlich abgelehnt werden darf. Allerdings ist nach Einschätzung der beiden Juristen die Beachtung einer 3G-Regel in einer Zahnarztpraxis mitnichten ein Akt der Willkür, sondern vielmehr eine sachlich gut begründete Maßnahme zum Schutz des Behandlers, seines bei ihm beschäftigten Personals sowie der Patienten vor einer potentiell tödlichen Erkrankung.

Dr. Uwe P. Schlegel: „Die Zahnärztekammer Nordrhein erkennt den Vorwurf willkürlichen Verhaltens maßgeblich darin, dass der Zahnarzt eine „ganze Bevölkerungsgruppe“ nicht behandele, nämlich etwa die nicht Getesteten. Das ist abwegig. Wie bereits ausgeführt, geht es dem Zahnarzt ausschließlich um den Gesundheitsschutz, nämlich um den Schutz vor einer in vielen Fällen todbringenden, zumindest mit einem lang andauernden Leiden verbundenen Krankheit (Stichwort Long Covid).“

Patient muss Auskunft geben

Es ist nicht erkennbar, welches überwiegende Interesse der Patient haben soll, einer Pflicht zur Auskunft über seinen Impfstatus bzw. einem Schnelltest erfolgreich zu entgehen, so Schlegel. Gänzlich unverständlich sei der Hinweis der Zahnärztekammer darauf, dass sich der Zahnarzt zwar nach dem Impfstatus des Patienten erkundigen dürfe, den Patienten aber keine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der (zulässigen) Frage treffe.

Dr. Uwe P. Schlegel: „Nach unserer Auffassung ist die Frage nach dem Impfstatus/Serostatus im Regelfall zulässig und muss demzufolge wahrheitsgemäß beantwortet sowie durch eine entsprechende analoge oder digitale Bescheinigung belegt werden.“

Schlegel weist darauf hin, dass diese 3G-Verordnungen Mindeststandards setzen. Es bleibe den Praxisinhabern prinzipiell die Möglichkeit, überobligatorische Standards zu setzen. (so z.B. das Verwaltungsgericht Frankfurt/M. zu einem Einzelhändler, der trotz nicht rechtlich vorgegebener 2G-Regel diese anwenden wollte; 29.09.2021 – 5 L 2709/21.F).

Zusammenfassung

Im Ergebnis stellt sich die Frage, ob der Wunsch nach einer Zugangsbeschränkung über die 3G-Regel mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf uneingeschränkten Zugang zur zahnärztlichen Behandlung kollidiert. Insoweit dürften sich  u.a. die Interessen der Zahnärzte/innen im Rahmen der Pandemieplanung der Praxis, die Einhaltung der Hygienevorschriften auch zur Vermeidung haftungsrechtlicher Weiterungen, dem auch arbeitsrechtlich zu verortenden Schutz ihrer Mitarbeiter/innen sowie dem Schutz der unbeteiligten Patienten/innen sowie der eigenen körperlichen Integrität einerseits mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf zahnärztliche Behandlung gegenüberstehen. Dies unabhängig von der (insoweit weitergehenden Fragestellung, inwieweit die Erfragung des Impfstatus als zulässig zu bewerten ist und wahrheitsgemäß durch den die zahnärztliche Behandlung Ersuchenden beantwortet werden muss).

Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Norm begründet einen Anspruch dem Grunde nach für die in der GKV Versicherten auf Krankenbehandlung und damit einen Rechtsanspruch i.S.d. § 38 SGB I.

Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V die zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden.

Dies vorweggeschickt dürfte der Wunsch nach einer Zugangsbeschränkung über die 3G-Regel mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf uneingeschränkten Zugang zur zahnärztlichen Behandlung kollidieren.

Die Empfehlung geht daher dahin, nicht den Zugang der in der GKV versicherten Patienten in konsequenter Umsetzung der 3G-Regel zu verweigern, sondern an der Strategie, Tests anzubieten, festzuhalten.

(1) (https://www.zahnaerztekammernordrhein.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Sonstiges/Kein_3G-Nachweis_von_Patienten_erforderlich.pdf, Abruf am 04.10.2021, 12:40 Uhr)