21.12.2018·Dokumentation Grobe Dokumentationsmängel ‒ OLG Hamm akzeptierte nur eine Ziffer in der Rechnung
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Grobe Dokumentationsmängel ‒ OLG Hamm akzeptierte nur eine Ziffer in der Rechnung
von Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg, www.rechtsanwalt-schinnenburg.de
| Es lohnt sich, bei der Planung, der Durchführung, Dokumentation und Abrechnung einer zahnärztlichen Behandlung sorgfältig zu arbeiten. Ansonsten drohen dem Zahnarzt erhebliche Honorarverluste. Einen sehr drastischen Fall zeigt ein erst jetzt veröffentlichtes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (27.06.2017, Az. 26 U 109/13, www.dejure.org). Dabei kam es zu einer Kürzung der Rechnung eines Implantologen über zahnärztliche Leistungen um mehr als 90 Prozent. |
Der Fall: Abrechnung von 10.000 Euro für Teilleistungen
Der GKV-Patient kam in die Praxis eines Zahnarztes, der für minimalinvasive Implantatbehandlungen bekannt war. Der Zahnarzt führte zunächst nach professioneller Zahnreinigung eine Parodontitis-Behandlung durch, u. a. unter Verwendung eines Lasers und unter Einsatz von Emdogain. Weiter fertigte er Röntgenaufnahmen an und beriet den Patienten zu dessen Gebiss im Allgemeinen und zu Implantaten im Besonderen.
Dann brach der Patient die Behandlung ab. Daraufhin berechnete der Zahnarzt für die bisher erbrachten Leistungen mehr als 10.000 Euro.
Das Urteil: Nr. 8000 GOZ war berechtigt ‒ sonst nichts
Da der Patient nicht zahlte, klagte der Zahnarzt. Das OLG akzeptierte jedoch nur die Abrechnung einer einzigen Gebührenziffer. Außer dem Ansatz der Nr. 8000 GOZ wies das OLG alle anderen Positionen aufgrund zweier Sachverständigengutachten aus folgenden Gründen zurück:
- Nr. 34 GOÄ (Erörterung der Auswirkung auf die Lebensgestaltung) wurde verneint, da es sich bei einer Implantatversorgung nicht um „besonders schwerwiegende Umstände“ handele. Auf die Besonderheiten einer Implantateinbringung sei lediglich in aller Kürze einzugehen. Das gelte in diesem Fall ganz besonders, weil der Patient durch eine frühere Implantation bereits „implantaterfahren“ war.
- Mehrere Positionen im Rahmen der Parodontitis-Behandlung ‒ wie die Positionen Ä298, Ä4785, Ä5370, Ä5377 GOÄ ‒ seien zum Zeitpunkt ihrer Erbringung nicht indiziert gewesen. Zuerst hätten zuvor die entzündlichen Veränderungen an den Wurzelspitzen mit Erfolg behandelt werden müssen.
- Die Röntgenaufnahmen seien nicht indiziert gewesen, da Voraufnahmen hätten beschafft werden können.
- Die Laserbehandlung hätte nicht kurz nach der Zahnreinigung, sondern erst nach etwa acht Tagen durchgeführt werden dürfen.
- Die Lappenoperationen hätten erst nach entsprechender Vorbehandlung durchgeführt werden dürfen.
- Nr. 5380 GOÄ (Bestimmung des Mineralgehalts) durfte der Zahnarzt nicht berechnen, da er weder die technische Ausstattung noch die persönliche Qualifikation hatte.
- Die Erstellung der berechneten Modelle wurde nicht dokumentiert und gilt deshalb als nicht erfolgt.
Folgen für die Praxis
Selbstverständlich ist ein so drastisches Urteil die Ausnahme. Jedoch macht es deutlich, dass der zahnärztliche Honoraranspruch gefährdet ist, wenn nicht alle Voraussetzungen für deren Rechtmäßigkeit erfüllt sind. Dies sind vor allem:
- Die Behandlung muss indiziert sein, d. h. der Zahn oder das Parodont muss sanierungs-, aber erhaltungsbedürftig sein.
- Eventuell notwendige Vorbehandlungen müssen abgeschlossen sein.
- Es liegen ausreichende Röntgenbilder bzw. DVTs vor.
- Der Patient muss ausreichend aufgeklärt sein (Befund, Diagnose, Behandlungsalternativen, Risiken, eventuell die Kosten).
- Die Befunderhebung, die Aufklärung des Patienten und die Behandlung müssen dokumentiert sein.
- Es liegen keine Abrechnungsausschlüsse vor (z. B. Kürettage neben Lappenoperation).
- Sämtliche Formalien der GOZ ‒ wie z. B. die Leistungsbeschreibung ‒ werden beachtet.
Grundsatz: Lieber zu viel dokumentieren als zu wenig
Es ist zu beobachten, dass die Gerichte bezüglich der Dokumentation strenger werden („Was nicht dokumentiert ist, ist auch nicht erfolgt“). Da nie sicher ist, welchen Umfang das Gericht bzw. der beratende Gutachter erwarten wird, sollte man im Zweifel zu viel dokumentieren. Das Notieren von Abrechnungspositionen reicht nicht.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass eine gute Dokumentation nicht nur bei der Rechnungslegung hilft, sondern auch bei eventuellen Haftungsprozessen, bei denen der zuvor zitierte Grundsatz ebenfalls gilt. Eine unzureichende Dokumentation kann im Falle eines Rechtsstreits die Beweislastumkehr zulasten des Zahnarztes zur Folge haben.
Außerdem muss die Dokumentation nach § 630 f. BGB in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung erfolgen. Und die einmal erstellte Dokumentation darf nur verändert werden, wenn der ursprüngliche Inhalt erhalten bleibt und erkennbar ist, wann die Änderungen vorgenommen worden sind. Eine nachträgliche Änderung, die diesen Anforderungen nicht genügt, kann zur Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung führen.