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02.01.2013·Gesteuerte Geweberegeneration Membranen – Altbewährtes mit Zukunft

·Gesteuerte Geweberegeneration

Membranen – Altbewährtes mit Zukunft

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „Zahnmedizin Report“, Berlin

| Beim Konzept der gesteuerten Geweberegeneration (Guided Tissue Regeneration; GTR) werden Gewebe, die nicht zur Regeneration beitragen und diese durch ihre Proliferation verhindern (zum Beispiel Epithel und Bindegewebe der Gingiva), durch eine Barriere vom Einwachsen in den Defekt abgehalten. Wurde ein intaktes Periost lange Zeit als Membranersatz diskutiert, wird heute der Einsatz von mechanischen Barrieren insbesondere beim Einsatz von Knochenersatzmaterialien als generell indiziert angesehen, betonte PD Dr. Dr. Daniel Rothamel (Universität zu Köln) im November 2012 auf dem 26. Gemeinschaftskongress von DGI/SGI/ÖGI in Bern. |

Herstellung, Beschaffenheit und Wirkung der Membranen

Membranen geben den langsam wachsenden Zellen des parodontalen Ligaments und des Alveolarknochens Zeit, den Defekt wieder zu besiedeln und ein neues parodontales Attachment zu regenerieren. GBR-Membranen können aus nichtresorbierbaren (Titan, Polytetraflourethylen) oder resorbierbaren Materialien (Polylaktid, Polyglycolid, Polyethylenglycol, Kollagen) bestehen. Nichtresorbierbare Materialien müssen in einem zweiten Eingriff entfernt werden, was eine zusätzliche Belastung für Patienten darstellt. Auch ist ihr Einsatz mit einer erhöhten Rate von Wundheilungskomplikationen verbunden, was häufig auf ein nicht ideales Weichgewebsmanagement zurückzuführen ist.

 

Die resorbierbaren Membranen werden aus synthetischen oder natürlichen Biomaterialien hergestellt. Die aus synthetischen Materialien hergestellten Membranen bestehen aus einem oder zwei Polymeren, eventuell kombiniert mit Weichmachern (Zitronensäureester). Die Resorption erfolgt durch Hydrolyse der Esterbindungen unter Bildung von Glykol und Milchsäure, die im Zitronensäurezyklus zu CO2 und H2O abgebaut werden. Die Resorptionszeit der synthetischen Membranen beträgt drei bis sechs Monate. Als natürliches Biomaterial wird tierisches (Rind oder Schwein) oder menschliches Kollagen (Dura mater) vom Typ I und II verwendet. Die Resorption des Kollagens erfolgt mittels Kollagenasen, Gelatinasen und Proteinasen. Die Resorptionszeit beträgt etwa vier Wochen bis sechs Monate.

 

Galten die nichtresorbierbaren Membranen vor zwei Jahrzehnten noch als Goldstandard, haben sich in den vergangenen Jahren die Kollagenmembranen als Barrierematerial etabliert. Resorbierbare Membranen sind aufgrund besserer Gewebeverträglichkeit, geringerer Dehiszenzraten und einfacherer Handhabung den nichtresorbierbaren Membranen überlegen. Sie weisen eine hohe Biokompatibilität bezogen auf die PDL-Fibroblasten sowie Osteoblasten auf und sind deutlich biokompatibler als Membranen aus Polytetrafluorethylen. In Deutschland werden am häufigsten Membranen verwendet, die aus resorbierbarem Kollagen tierischen Ursprungs bestehen. Die Verwendung solcher Membranen ist gut dokumentiert und mit Ergebnissen von hoher Erfolgswahrscheinlichkeit belegt. In Kombination von xenogenen Kollagenmembranen und xenogenem Knochenersatzmaterial können ähnlich gute Ergebnisse erreicht werden wie mit nichtresorbierbaren Membranen.

Neue Entwicklungen bei den Membranen

Betrachtet man die verschiedenen Kollagenfolien, so existieren jedoch große Unterschiede hinsichtlich Ursprungsmaterial, Standzeit, Gewebeintegration und Muster der zellulären Biodegradation. Wenig umstritten ist mittlerweile die negative Beeinflussung der Wundheilung durch chemische Quervernetzung der Kollagenfibrillen, auch wenn diese mit einer Standzeitverlängerung verbunden ist. Durchgesetzt hat sich die doppelte Auflage bestimmter Membranen, um auf physikalischem Wege eine Standzeitverlängerung zu erzielen.

 

Neuere Membranen aus multilayergeschichtetem nativem Perikard versprechen eine verlängerte Standzeit, während dermale fibrilläre Kollagene die transmembranäre Blutgefäßversorgung beschleunigen. Letzteres kann gerade die initiale Knochenneubildung auch von einer gegebenenfalls noch intakten Periostseite her unterstützen. Zudem wurden neuere synthetische Membranen entwickelt, deren flüssige Applizierbarkeit und nachfolgende Aushärtung auf eine verbesserte Stabilisierung der Augmentate abzielt.

Auswahl der Membran: Der Einzelfall entscheidet

Ob resorbierbare oder nichtresorbierbare Membranen, ob eine Membran mit Formstabilität oder größerer Steifigkeit angewendet wird, entscheidet der individuelle Fall. Je größer der Defekt und je größer der Aufbau sein muss, desto stärker ist eine Formstabilität der Membran gefordert. Bei Sinusbodenelevation zum Beispiel hat es sich bewährt, das Tatum-Window mit einer Membran zu verschließen und mit Nägeln zu fixieren. Nichtresorbierbare Nägel können in den meisten Fällen im Operationsgebiet belassen werden.

 

Die Anforderungen an resorbierbare Membranen müssen auch darin bestehen, dass eine ausreichend lange Standzeit der Membran gegeben ist, der ein komplettes Ausfüllen des Defekts mit einem belastungsfähigen Knochenregenerat unter Ausschluss von Bindegewebseinflüssen gewährleistet. Der Kollaps der Membran und die Auflösung müssen schrittweise vor sich gehen und dürfen zu keinen Fremdkörperreaktionen führen. Mikromobilitäten – auch bei einer beginnenden Resorption – müssen vermieden werden.

 

Die Barrierefunktion ist besonders wichtig bei der Augmentation größerer Knochendefekte, vor allem wenn es zu einer früheren Exposition der Membran kommt (Dehiszenz). Nichtresorbierbare Membranen sollten bei Exposition zur Mundhöhle aufgrund bakterieller Kontamination frühzeitig entfernt werden. Eine Dehiszenz bei resorbierbaren Membranen führt nicht zwangsläufig zu einer Kontamination des Augmentats, resultiert jedoch durch schnelleren Abbau der Membran in einem geringeren Augmentatvolumen. Nicht-chemisch vernetzte Kollagenmembranen weisen eine Dehiszenzrate von 22 bis 32 Prozent auf, bei einer stabilen Barrierefunktion von etwa 4 bis 6 Wochen. Durch eine zusätzliche chemische Vernetzung wird eine längere Liegedauer der Membran erreicht, bevor sie resorbiert wird. Mit steigendem Vernetzungsgrad nimmt zwar die Standzeit zu, aber die Ernährung des Augmentats über Vaskularisation nimmt ab. Es kommt dabei zu deutlich höheren Dehiszenzraten von 39 bis 64 Prozent. Durch die chemische Quervernetzung mit Glutaraldehyd (BioMend®, BioMend Extend®) wird die Biokompatibilität verringert, was auf die Vernetzung mit nativem Kollagen und Polysachariden nicht zutreffen soll (Bio-Gide®, Ossix®). Andererseits führt die Quervernetzung mit Glutaraldehyd zu einer biomechanischen Membranstabilisierung, die im klinischen Alltag die Applikation zum Teil wesentlich erleichtert.

Ausblick

All die herkömmlichen Membranen besitzen viele strukturelle, mechanische und bio-funktionelle Einschränkungen und die „ideale“ Membran zur Verwendung in der regenerativen Therapie muss erst noch entwickelt werden. Basierend auf einem abgestuften Biomaterialien-Ansatz haben Wissenschaftler der Universität Indianapolis die Hypothese aufgestellt, dass die nächste Generation der Membranen für die gesteuerte Gewebe-und Knochenregeneration (GTR/GBR) ein biologisch aktives, dreidimensional gestaltetes und funktional abgestuftes nanofibröses Biomaterial sein wird, das die native extra-zelluläre Matrix (ECM) imitiert.

 

Bei all diesen Fortschritten in der Materialtechnik sichert den Behandlungserfolg allerdings auch weiterhin nur ein klares Konzept und die strikte Einhaltung der von Buser, Dahlin und Schenk bereits 1994 postulierten Voraussetzungen der gesteuerten Knochenregeneration:

 

  • Der Defekt muss durch vitalen Knochen begrenzt werden, der als Quelle für osteogene Zellen dient.
  • Eine adäquate Vaskularisierung ist notwendig. Sie wird durch Gefäße aus dem Knochenmark und Volkmann’schen Kanälen sichergestellt.
  • Das OP-Gebiet muss während der Heilungsperiode mechanisch stabil sein.
  • Unter der Membran, also zwischen Membran und ortständigem Knochen, muss ein Raum für Regeneration zur Verfügung stehen.
  • Weichgewebszellen müssen von dem zu regenerierenden Raum ausgeschlossen werden. Das Material muss dieses sicherstellen können.

 

Doch bei allem Können des Zahnarztes ist der Patient auch weiterhin ein großer Risikofaktor – vor allem, wenn er raucht: In einer retroperspektiven Untersuchung der Berliner Charité zeigte sich, dass vorzeitige Membranexpositionen bei Rauchern signifikant häufiger erneute Augmentationen erforderten. Da topografische, interimsprothetische, material- und allgemeinmedizinische Aspekte für den Erfolg einer GBR unter Verwendung von Kollagenmembranen offenbar eine untergeordnete Rolle spielen, ist die Auswahl und präoperative Beratung sowie die Risikoaufklärung der Patienten – insbesondere von Rauchern und ehemaligen Rauchern – vor GBR-Maßnahmen sehr wichtig, rät PD Dr. Frank Peter Strietzel von der Berliner Charité.

 

Weiterführender Hinweis

  • [1] Rothamel D. Membranen. Vortrag auf dem Gemeinschaftskongress von DGI/SGI/ÖGI, Bern, 2012
  • [2] Hartmann H-J et al. GBR und GTR in der Implantologie. Implantologie Journal 2005 (5): 20-26
  • [3] Wessing B. Neue Materialien in der GBR. Implantologie Journal 2011
  • [5] Hahn T IMPLANTOLOGIE JOURNAL 2010 (5) 20-22
  • [6] Reiche W. GTR und GBR – Vom Problem zur Lösung. Implantologie Journal 2010 (4): 22-25.
  • [7] Gängler P et al.: Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie, Stuttgart 2005: 327
  • [8] Strietzel F P et al. Membrangesteuerte Knochenregeneration mit Kollagenmembranen – eine Neubewertung der Risikofaktoren. Jahrestagung der AG Kieferchirurgie 2012
  • [9] Bottino MC et al. Recent advances in the development of GTR/GBR membranes for periodontal regeneration–a materials perspective. Dent Mater. 2012 (7): 703-721
  • [10] Buser Det al. Guide Bone Regeneration in. Implant Dentistry. Chicago: Quintessence; 1994