02.01.2013·Recht Wer darf rechtsverbindlich (zahn)ärztliche Gebührenordnungen interpretieren?
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Wer darf rechtsverbindlich (zahn)ärztliche Gebührenordnungen interpretieren?
von Norman Langhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-legal.de
| Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Abrechnung (zahn)ärztlicher Leistungen haben viele Facetten. Wie wirken sich Unklarheiten oder Mehrdeutigkeiten in den (zahn)ärztlichen Gebührenordnungen aus? Auf welche Handreichungen darf sich der behandelnde (Zahn)arzt verlassen? Welche Konsequenzen können drohen? Mit diesem Beitrag soll Klarheit, gleichzeitig aber auch Problembewusstsein geschaffen werden. |
Konstellationen bei Streitigkeiten um Gebührenziffern
Honorarstreitigkeiten zwischen Behandler und Patient können sich im Zusammenhang mit Privatleistungen oder zuzahlungspflichtigen Leistungen ergeben, während Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Gebührenziffern des Bema regelmäßig im Verhältnis zwischen Zahnarzt und Kassenzahnärztlicher Vereinigung auftreten. Außerdem sind GOZ-Ziffern oft Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Privatpatienten und ihren Versicherern. Schließlich können Abrechnungsfragen für den Behandler nicht nur vergütungsrechtlich relevant sein, sondern auch berufsrechtliche, vertragszahnärztliche und schlimmstenfalls strafrechtliche Konsequenzen haben.
Anwendung und Auslegung von Gebührenordnungen
Mit Liquidation seiner Privatleistungen gegenüber dem Zahlungspflichtigen legt der (Zahn)arzt die Gebührenordnung aus und wendet sie an. Er bestimmt sowohl den Gebührentatbestand als auch den Gebührensatz; letzterer wird nach billigem Ermessen ermittelt, wobei Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umstände bei der Ausführung zu berücksichtigen sind (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ). Bei alledem greift der Zahnarzt möglicherweise auf offiziöse Verlautbarungen oder Stellungnahmen zum zahnärztlichen Gebührenrecht – beispielsweise Kommentierungen von Zahnärztekammern bzw. der BZÄK – zurück.
Im Falle eines Rechtsstreits wenden aber auch die Gerichte die Vorschriften der Gebührenordnungen an. Wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der gelegentlich von Privatversicherungen aufgestellten Behauptung, die rechtsgültige Auslegung der GOZ obliege allein den Gerichten und die Stellungnahmen der Bundeszahnärztekammer oder berufsständischen Organisationen seien nur als Empfehlung zu werten?
Vom Grundsatz her gilt, dass zum Beispiel Beschlüsse der Bundeszahnärztekammer zur Auslegung der GOZ für die gebührenrechtliche Auslegung durch die ordentlichen Gerichte nicht maßgeblich sind (LG Regensburg, Urteil vom 24. März 2009, Az. 2 S 78/08). Ähnliches gilt auch für Verwaltungsanweisungen. So kann sich beispielsweise eine Beihilfestelle nicht auf die Hinweise des Bundesinnenministeriums zu den Beihilfevorschriften berufen, denn hierbei handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern eine ermessensbindende Richtlinie, die die bestehende Rechtslage im Sinne einer Einschränkung der Ansprüche des Beilhilfeberechtigten nicht zu ändern vermag (Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 12. Juli 2010, Az. 14 BV 09.808).
Die Hinweise können nur die Vorschriften der Beihilfeverordnung konkretisieren und Zweifelsfälle im Sinne einer einfachen und gleichartigen Handhabung klären oder die Ausübung vorhandener Ermessens- oder Beurteilungsspielräume lenken, sie können aber nicht selbstständig neue Leistungsausschlüsse schaffen (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, siehe Urteil vom 20. März 2008, Az. 2 C 10/06; Abruf-Nr. 123896).
EBM und Bema abschließend; bei GOÄ und GOZ Analogabgriffe möglich
Nach alledem obliegt die letztlich bindende Interpretation von Vorschriften (zahn)ärztlicher Gebührenordnungen in der Tat den Gerichten; deren Befugnisse können jedoch variieren. So ist beispielsweise die Auslegung vertragszahnärztlicher Vergütungstatbestände auf den Wortlaut begrenzt, während im privat(zahn)ärztlichen Bereich weitere juristische Auslegungshilfen wie Gesetzessystematik und Gesetzgebungshistorie herangezogen werden können. Das liegt vor allem auch daran, dass die vertragsärztlichen Gebührenordnungen Bema und EBM abschließend sind, das heißt: Andere als die dort genannten Leistungen können zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nicht erbracht werden. Dagegen lassen GOZ und GOÄ die Abrechnung auf der Grundlage von Analogziffern zu.
Auslegung des Gebührenrechts durch Zivilgerichte maßgeblich
Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für (zahn)ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des (zahn)ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Somit können Verwaltungsvorschriften des beihilfepflichtigen Dienstherrn nicht eine vom (zahn)ärztlichen Gebührenrecht nach der Auslegung der Zivilgerichte abweichende Berechnungsmethode verlangen (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. Januar 2011, Az. 2 B 70/10; Abruf-Nr. 123897 unter pi.iww.de).
Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung beachten
Schließlich sollte man sich auch die strafrechtliche Relevanz bei der Abrechnung (zahn)ärztlicher Leistungen bewusst machen. Sowohl im privat- als auch vertrags(zahn)ärztlichen Bereich gilt der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Nur eigene, also höchstpersönlich oder unter Aufsicht nach fachlicher Weisung erbrachte Leistungen können abgerechnet werden.
Mit der Abrechnung erklärt der (Zahn)arzt nicht nur, zur Abrechnung berechtigt zu sein (Beschränkung auf das Fachgebiet), sondern auch, dass die Abrechnungsvoraussetzungen – vor allem der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung – eingehalten wurde. Der Bundesgerichtshof hat dies jüngst unter Bestätigung der verhängten empfindlichen Sanktionen (Freiheitsstrafe und Berufsverbot) erneut betont (Beschluss vom 25. Januar 2012, Az. 1 StR 45/11, Abruf-Nr. 120897 unter pi.iww.de).