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30.09.2013·Hygiene in der Zahnarztpraxis Das Hygienemanagement und die Aufbereitung von Medizinprodukten: Änderungen im Überblick

·Hygiene in der Zahnarztpraxis

Das Hygienemanagement und die Aufbereitung von Medizinprodukten: Änderungen im Überblick

von Iris Wälter-Bergob, IWB-Consulting, Meschede, www.iwb-consulting.info 

| Verbindliche Hygiene-Richtlinien und Praxisbegehungen, RKI-Richtlinien und zahlreiche DIN-Normen bestimmen bundesweit den Praxisalltag. Vor einigen Monaten wurden die „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ geändert. Sie beruhen auf Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Wichtige Änderungen stellen wir Ihnen vor. |

Die Änderungen im Überblick

Die im Bundesgesundheitsblatt bekanntgegebenen Änderungen sind in den Anlagen 1 bis 8 enthalten. Im Einzelnen:

 

Anlage 1: Geeignete validierte Verfahren

Im Sinne von § 4 Abs. 2 Medizinprodukte-Betreiberverordnung sind dies Verfahren, die ein im Vorfeld definiertes Ergebnis ständig reproduzierbar und nachweisbar erbringen – nämlich Sauberkeit, Keimarmut, Sterilität und Funktionalität. Im Sinne der Qualitätssicherung werden Standardarbeitsanweisungen für die Vorgänge Vorbehandeln, Sammeln, Vorreinigen, Zerlegen, Sauberkeitsprüfung, Pflege/Instandsetzung, Funktionsprüfung, Verpackung, Kennzeichnung, dokumentierte Freigabe und Abweichungsprotokollierung verbindlich festgelegt.

 

Im Rahmen der Reinigung und Desinfektion wird beim manuellen Vorgang zusätzlich ein Beleg über die Wirksamkeit des Prozesses gefordert. Bei der maschinellen Reinigung und Desinfektion ist eine Prozessvalidierung durchzuführen. Die maschinelle Vorgehensweise wird validiert und in den Gesamtprozess eingebunden. Die Sterilisation geht mit einer Prozessvalidierung einher.

 

Anlage 2: Prüfung der technisch funktionellen Sicherheit

Hersteller von Medizinprodukten sind verpflichtet, verbindliche Angaben bezüglich der Aufbereitung von Medizinprodukten bereitzustellen (vergleiche DIN EN ISO 17664 sowie vorangehende Klassifizierung hinsichtlich des Risikos gemäß Din EN ISO 14971). Werden Medizinprodukte abweichend von den Herstellerangaben aufbereitet, muss die einwandfreie technisch-funktionelle Sicherheit gewährleistet sein. Spezifische relevante Prüfparameter müssen in den Validierungsprozess aufgenommen werden. Es handelt sich hierbei um drei verschiedene Gruppen:

 

  • medizinproduktbezogene Aspekte wie Material oder Konstruktion,
  • durch die Anwendung bedingte Aspekte wie Ort, Dauer und Belastung während der Anwendung,
  • Einflüsse durch den Aufbereitungsprozess in Summe.

 

Das Risikomanagement umfasst die Risikobewertung, Maßnahmen und Gegensteuerung sowie Akzeptanz des Restrisikos. Hinsichtlich der Materialeigenschaften sollten die Parameter Oberflächenbeschaffenheit, Korrosionsbeständigkeit, Versprödung, Reiß- und Zugfestigkeit, Stabilität von Verklebungen/Kontaktstellen, Schmierung von Gelenken, Materialermüdung, Rückstände oder Absorption von Prozesschemikalien und Integrität von Gehäusen und Bauteilen beachtet werden.

 

Aufgrund des umfassenden Medizinproduktespektrums können detaillierte Angaben zur Funktionsprüfung nicht aufgeführt werden. Diese sollen vom Hersteller in Validierungs- und Aufbereitungsprozesse aufgenommen werden. Darüber hinaus werden die maximale Anzahl der Aufbereitungszyklen sowie die Dauer der Verwendbarkeit von aufbereiteten Produkten gemacht.

 

Anlage 3: Inbetriebnahme und Betrieb von Reinigungs-Desinfektionsgeräten (RDG) zur Aufbereitung von Medizinprodukten (Checkliste)

Es sind nicht nur die Einzelschritte der Abnahmeprüfung – wie Installationsqualifikation (IQ), Betriebsqualifikation (BQ), Abstimmung der Prozesschemikalien und Beladungsvorgaben – zu beachten. Vielmehr richtet sich das Augenmerk auf die geeignete Zusatzausrüstung für Medizinprodukte der Klassifizierung semikritisch und kritisch. Eine ausreichende Anzahl von Trays, Einsätzen und Körben ist ein „Muss“. Außerdem sind chirurgische Hand- und Winkelstücke mit geeigneten Verfahren im RDG aufzubereiten.

 

Hinsichtlich der Dokumentation werden alle anwendungsrelevanten Beladungskonfigurationen und die Begründungen mittels der Betreiberdokumente festgehalten und durch Fotos der Anwender ergänzt.

 

Die dazugehörige Leistungsqualifikation bezieht sich auf die Eignung der Betriebsparameter hinsichtlich der Wirksamkeit von Reinigung und Desinfektion. Sie umfasst Anforderungen an Beladungsmuster, Betriebsbedingungen und -mittel, Funktionen, Druckangaben, Sensorposition, Wirksamkeit, Prozessrückstände, Chemikaliendosierung und Effizienz der einzelnen Prozessschritte. Diese werden anschließend im Validierungsbericht mit Produktdatenblättern, Schreiberausdrucken und per Fotodokumentation nachgewiesen. Unter Umständen ist ein Äquivalenznachweis erforderlich.

 

Unerlässlich zur Erreichung eines wirkungsvollen Reinigungs- und Desinfektionsprozesses ist ein ausreichend geschultes und regelmäßig von Neuem unterwiesenes Team. Der Nachweis über Schulungen erfolgt in darauf abgestimmten Dokumenten, die Auskunft über Schulungsinhalte, Teilnehmer und Unterweisende geben.

 

Hervorzuheben sind Besonderheiten zu chargenbezogenen Prüfungen. Neben dem Festhalten aller relevanten Prozessparameter ist die tägliche Sichtprüfung des Behandlungsguts mit Dokumentation gefordert. Die finale Freigabe wird begleitet von Qualifizierungsnachweisen und Namenslisten der Anwender. Um eine lückenlose Nachvollziehbarkeit von Prozessen und durchführenden Personen zu gewährleisten, werden ausgeschiedene Mitarbeiter auf inaktiv geschaltet und ggf. neue Mitarbeiter in den Listen ergänzt.

 

Anlage 4: Inbetriebnahme und Betrieb von Kleinsterilisatoren für die Aufbereitung von Medizinprodukten (Checkliste)

Da die Medizinprodukte der Klassen unkritisch, semikritisch und kritisch verschiedene Leistungsanforderungen an Autoklaven bedingen, unterscheidet EN 13060 drei Prozesstypen bzw. Sterilisationszyklen: Zyklus N, Zyklus B und Zyklus S. Sterilisatoren des Zyklustyps N sind aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit nicht mehr aktuell. Typ B, der ein Vakuum zur Luftentfernung anwendet, eignet sich für verpackte und unverpackte massive Produkte.

 

Typ S ist für Produkte gemäß Herstellerangaben geeignet. Liegen Herstellernachweise in Form von Studien, Beladungsmustern oder Konformitätserklärungen vor, kann ein Autoklav mit Sterilisationszyklus S die Anforderungen normenkonform erfüllen. Das Bundesgesundheitsblatt 2006.49:375-394 belegt, dass im Rahmen der Aufbereitung von semikritischen und kritischen Instrumenten (Hand- und Winkelstücke) für die abschließende thermische Desinfektion unverpackt/verpackt im Dampfsterilisator ein Gerät des Zyklustyps B oder S verwendet werden kann. Sterilisatoren des Zyklustyps S sind auch unter der Bezeichnung „Schnellsterilisatoren für Hand- und Winkelstücke“ bekannt, da sie in kürzester Zeit eine geeignete Aufbereitung liefern können (zum Beispiel Sirona DAC oder Statim).

 

Ein elementarer Bestandteil ist die Abnahmeprüfung (Installationsqualifikation IQ und Betriebsqualifikation OQ). Nach Überprüfung aller relevanten Daten wird ein Installations- und Übergabeprotokoll erstellt. Der dazugehörige Validierungsbericht erfolgt per Schreiberausdrucken und umfasst zusätzlich eine Fotodokumentation.

 

Bestimmungsgemäß kritische Medizinprodukte müssen immer steril zum Einsatz kommen, da sie bei der Behandlung voraussichtlich Haut oder Schleimhaut durchdringen. Deshalb ist das Hauptaugenmerk auf den Verpackungsprozess und ein adäquates Sterilbarrieresystem zu richten (gemäß DIN EN ISO 11607-1:2006). Ist das Sterilbarrieresystem nicht für das gewählte Sterilisationsverfahren geeignet, so sind alle folgenden Schritte ineffizient. Aktueller Goldstandard sind Einwegverpackungen wie siegelbare Klarsichtbeutel oder -schläuche nach DIN EN 868-5:2009, die mittels Siegel- oder Einschweißgerät verschlossen werden. Die kritischen Prozessparameter sind Temperatur und Anpressdruck. Siegelnähte müssen eine Breite von mindestens 6 mm aufweisen, wobei der Mindestabstand zwischen Siegelnaht und Medizinprodukt 3 cm sein muss. Routinekontrollen umfassen den sogenannten Sealcheck, die Siegelnahtfestigkeit und die kritischen Parameter.

 

Anlage 5: Übersicht über Anforderungen an die Aufbereitungseinheiten für Medizinprodukte

Die Einstufung der Aufbereitungseinheiten in die Kategorien A, B und C ist für die Zahnarztpraxis nicht relevant. Vielmehr kommen einschlägige Vorschriften des Arbeitsschutzes zum Tragen. Hand- und Winkelstücke semikritisch A und kritisch A müssen gesondert behandelt werden. Es sind eigene Aufbereitungsräume zur Verfügung zu stellen, die eine Bereichstrennung von unrein, rein und Lagerung aufweisen. Der Arbeits- und Aufbereitungsprozess ist gemäß den Ampelphasen grün, rot und gelb zu gliedern und durchzuführen.

 

Für die Aufbereitung von Medizinprodukten der Klassen „semikritisch B“ oder „kritisch B“ nach invasiven Eingriffen und Operationen sollte neben Thermodesinfektor und Autoklaven ein zeitgemäßes Siegelgerät zur Verfügung stehen. Selbstklebebeutel sollten auf keinen Fall mehr verwendet werden. Dies geht aus der neuen Verpackungsnorm ISO/DTS 16775 hervor.

 

Anlage 6: Sachkenntnis des Personals

Eine tragende Rolle kommt der Sachkenntnis des Personals hinsichtlich der Aufbereitung von Medizinprodukten und der Aufbereitungseinheiten zu. Dies setzt die fachgruppenspezifische Instrumentenkunde voraus. Weiterhin sind Kenntnisse in der Hygiene und Mikrobiologie gefordert. Jedes Teammitglied sollte selbstständig eine Risikobewertung und Einstufung der Medizinprodukte entsprechend der RKI-Richtlinien und BfArM vornehmen können. Kenntnisse und Wissen, über alle Bausteine eines lückenlosen Aufbereitungsprozesses hinweg, sind dabei gefordert. Sicherheit im Wissen um räumliche und organisatorische Aspekte der Aufbereitung sowie in der Erstellung von Verfahrens- und Arbeitsanweisungen und eine Rechtskunde zur Vertiefung der bekannten Regulatorien (MPG, MPBetreibV, BioStoffV) sind obligatorisch. Eine ausreichende Qualifikation liegt vor, wenn eine abgeschlossene Ausbildung in Medizinalberufen nachgewiesen werden kann.

 

Anlage 7: Maßnahmen zur Minimierung des Risikos einer Übertragung der Creutzfeld-Jacob-Krankheit durch Medizinprodukte

Die Krankheitserreger sind extrem resistent gegenüber den üblichen Aufbereitungsverfahren. Maßnahmen gegen das Übertragungsrisiko werden eingeteilt in solche, die bei erkennbarem Risiko, und solche, die bei nicht erkennbarem Risiko angewendet werden. Die Risikogruppen werden in sechs Gruppen eingeteilt. Die Übergruppierungen sind das Vorliegen von möglicher oder wahrscheinlicher Erkrankung. Liegt wahrscheinlich eine Erkrankung vor, müssen kritische und semikritische Medizinprodukte nach der Anwendung verbrannt werden. Bei einer möglichen Erkrankung kann nach Ausschluss der Krankheit eine Aufbereitung erfolgen.

 

Nach Möglichkeit sollen bei Risikopatienten nur Einwegprodukte angewendet werden (zum Beispiel Skalpelle, Nadeln, Bohrer oder Schrauben). Kommen wiederaufbereitbare Medizinprodukte zum Einsatz, so ist die Unterscheidung zwischen thermostabil und thermolabil zu treffen.

 

Eine unnötige Antrocknung von Gewebe- und Blutresten ist zu vermeiden. Hierzu sollen Entsorgungszeiten optimiert und eine entsprechende Vorreinigung realisiert werden. Lösungen von Ultraschallbädern sind täglich zu wechseln und auch eine tägliche Reinigung der Geräte selbst ist vorzunehmen. Beladungsmuster des Herstellers müssen berücksichtigt werden. Ob ein Reinigungsprozess geeignet ist, kann unter Beachtung der Angaben zur Validierung festgestellt werden. Nach entsprechender Vorreinigung und Spülung werden die Instrumente isoliert maschinell mit einem prionenwirksamen Reinigungsprozess gereinigt bzw. desinfiziert. Die Sterilisation ist unter nachgewiesener Prionenwirksamkeit durchzuführen. Die Dampfsterilisation wird 5 Minuten bei 134°C Haltezeit realisiert, sofern eine Vorbehandlung erfolgte. Ohne eine sichere Vorreinigung gilt eine Haltezeit von 18 Minuten.