28.02.2019·Implantatexplantation Explantation vollzogen ‒ wann trägt der Hersteller die Kosten, gibt es Meldepflichten?
·Implantatexplantation
Explantation vollzogen ‒ wann trägt der Hersteller die Kosten, gibt es Meldepflichten?
| Für Explantationen von Implantaten gibt es eine Vielzahl von möglichen Gründen. Manchmal erfolgen sie vor Ablauf einer Herstellergarantie. In diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen, so etwa nach den rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf das Medizinproduktegesetz (MPG), den Eigentumsverhältnissen sowie eventuellen Meldepflichten. Und die Frage: Wer muss für die Behandlungskosten eintreten? PI stellt Ihnen die unterschiedlichen Aspekte vor. Explantationen aufgrund eines Behandlungsfehlers werden jedoch nicht betrachtet. |
Ursachen für Früh- und Spätverluste von Implantaten
Die Osseointegration wird definiert als direkte strukturelle Verbindung zwischen vitalem Knochen und der Oberfläche eines lastaufnehmenden Implantats. Es wird als osseointegriert betrachtet, wenn keine Relativbewegung zwischen Implantat und Knochen, mit dem es direkten Kontakt hat, vorhanden ist.
Bei den Frühverlusten von Implantaten wird als Ursache eine Störung bzw. ein vollständiges Ausbleiben der Osseointegration genannt. Gewöhnlicherweise findet ein früher Verlust in den ersten sechs Monaten nach Insertion statt. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. So kann es sich beispielsweise handeln
- um Wundinfektionen, die durch chronischen Nikotinabusus oder Diabetes mellitus begünstigt sind,
- um eine mechanische Überlastung in der Einheilungsphase,
- um eine unzureichende primäre Stabilität der Implantate,
- um chirurgische Komplikationen.
Bei den Spätverlusten geht man hingegen von einer initial erfolgreichen Osseointegration bei einer späteren Störung derselben aus ‒ z. B. durch plaqueinduzierte Gingivitiden oder Periimplantitiden sowie eine mechanische Überlastung durch die Suprakonstruktion.
Wem gehört das Implantat nach der Explantation?
Das Implantat ist nach § 90 Randnummer 28 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine bewegliche Sache. Mit Bestellung und Bezahlung durch einen Implantologen geht das Produkt vom Hersteller oder Vertrieb in das Eigentum des Implantologen über. Erst wenn das Implantat beim Patienten implantiert wird und die Rechnung bezahlt ist, geht es in das Eigentum des Patienten über. Da das Implantat im Körper des Patienten verankert wird, gilt es nicht als Ware, sondern als Bestandteil des Körpers, was bei der Einstufung der Umsatzsteuer zu 7 Prozent führt. Es verliert seine Sacheigenschaft, da der menschliche Körper im zivilrechtlichen Sinne keine Sache abbildet. Wird ein Implantat explantiert, bleiben die Eigentumsrechte beim Patienten.
Herstellergarantie auf Implantate
Im Vorfeld einer Explantation gilt es zu prüfen, ob der Hersteller eine Garantie für seine Implantate ausspricht und ‒ falls ja ‒ welche Regelungen zu beachten sind. Gewährt ein Hersteller eine Garantie, so ist im Standardfall ein Garantieformular mit allen geforderten Praxis-, Patienten- und Implantatdaten auszufüllen. Dabei werden die implantatbezogenen Materialdaten und Angaben zur damaligen OP sowie der heutige Zustand erfasst. Der Datenschutz ist zu wahren.
PRAXISTIPP | Um eventuelle Fristen im Rahmen eines Garantiefalls nicht zu riskieren, sollten Sie mit dem zuständigen Innen- oder Außendienstmitarbeiter die Meldepflicht und die Vorgehensweise klären. Wird eine Garantie ausgesprochen, ist weiterhin zu klären, ob der Hersteller die Kosten des zweiten chirurgischen Eingriffs mit der Insertion nach Nr. 9010 GOZ und alle Begleitleistungen sowie Material- und Laborkosten übernimmt. |
Ein Implantathersteller ersetzt beispielsweise für Implantate mit einer bestimmten Oberfläche im Falle eines Implantatbruchs nicht nur den Ersatz des Implantats selbst, sondern übernimmt auch die damit zusammenhängenden Behandlungskosten in Höhe von 1.000 Euro als Entschädigung für den Implantologen. Im Falle eines Implantatbruchs erfasst der Implantologe den Schaden auf der Website des Herstellers. Der Gewährleistungsanspruch wird geprüft. Wird er anerkannt, erfolgt die Abwicklung entsprechend der Garantiebestimmungen.
Meldepflichtige Fälle
Implantate sind Medizinprodukte der Risikoklasse IIb. Gesetzlich gelten die Bestimmungen des MPG oder die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV). Entscheidend für die Klassifizierung sind die Dauer und der Ort der Anwendung. In der Regel bedeutet dies: Je länger das Produkt angewendet wird, desto höher ist das Risiko und desto höher die Klassifizierung. Zudem gilt: Je tiefer das Produkt in den Körper gebracht wird, desto höher ist das Risiko. Diese Risikoklasse ist für die Zertifizierung entscheidend. Die Klassifizierung wird nach Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG bestimmt.
Eine generelle Meldepflicht zur Explantation von Implantaten an die zuständige Behörde gibt es in Deutschland nicht. Auch gibt es noch kein zentrales Register, in dem Explantationen unter Benennung möglicher Gründe erfasst werden.
Kriterien für Meldepflicht
§ 3 MPSV sieht Meldepflichten vor, wenn es im Zusammenhang mit Medizinprodukten zu „Vorkommnissen“ kommt. Diese werden in § 2 Punkt 1 MPSV wie folgt definiert: Ein Vorkommnis ist „eine Funktionsstörung, ein Ausfall, eine Änderung der Merkmale oder der Leistung oder eine unsachgemäße Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung eines Medizinprodukts, die oder der unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte; als Funktionsstörung gilt auch ein Mangel der Gebrauchstauglichkeit, der eine Fehlanwendung verursacht.“
Konsequenz: Ein zwingend erforderlicher Aspekt ist somit die Gesundheitsgefährdung eines Menschen, deren Folge eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands sein kann. Letztendlich muss ein Zusammenhang zwischen dem „Mangel“ des Medizinprodukts und der Gesundheitsgefährdung bestehen.
Liegt ein „Vorkommnis“ im Sinne des MPG vor, haben Implantologen, denen im Rahmen der Diagnostik oder Behandlung ein solches bekannt wird, unverzüglich die zuständige Bundesoberbehörde zu informieren (§ 3 Abs. 2 Satz 2 MPSV). Hierfür gibt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entsprechende Formulare. Allerdings wird diese Pflicht in den Praxen nicht immer umgesetzt, sodass die Dunkelziffer bei der Meldung von Produktmängeln nicht abschätzbar ist.
Nach einer Mitteilung von Prof. Dr. Frank Schwarz, Direktor der Poliklinik für zahnärztliche Chirurgie und Implantologie in Frankfurt am Main, müssten bei nur 0,1 Prozent meldepflichtiger Fälle bei dem Bundesinstitut jährlich 1.000 Meldungen eingehen. Real gingen laut seiner Aussage jedoch „von Januar 2016 bis Dezember 2018 insgesamt 878 Meldungen zu Zahnimplantaten“ beim BfArM ein.
Medizinprodukte werden nicht zugelassen ‒ nur CE-Zeichen
Medizinprodukte werden nicht zugelassen, sondern erhalten von der „Benannten Stelle“ ein CE-Zeichen als Zertifizierung. Dadurch wird bestätigt, dass der Hersteller alle für das Produkt relevanten EU-Richtlinien bei der Produktion eingehalten hat. Wie der Nutzen für den Patienten zu testen ist, darüber gibt es keine Vorgaben und es sind auch keine Nachweise darüber vorzuhalten.
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Benannte Stellen sind staatlich autorisierte Stellen, die ‒ abhängig von der Risikoklasse der Medizinprodukte ‒ Prüfungen und Bewertungen im Rahmen der vom Hersteller durchzuführenden Konformitätsbewertung durchführen und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bescheinigen. |
Patient darf meldepflichtiges Explantat nicht ausgehändigt bekommen
Nach § 12 Abs. 4 MPSV haben Anwender dafür zu sorgen, dass Medizinprodukte, die im Verdacht stehen, an einem „Vorkommnis“ beteiligt zu sein, nicht verworfen werden, bis die Risikobewertung der zuständigen Bundesoberbehörde abgeschlossen ist. Dabei gehen die gesetzlichen Verpflichtungen zur Meldung dem zivilrechtlichen Eigentum vor, sodass der Patient das Explantat nicht ausgehändigt bekommen darf, selbst wenn er das verlangt.
Vorgehen bei nicht meldepflichtigen Fällen
Besteht im Rahmen der Explantation keine Meldepflicht, ist das gereinigte, sterilisierte, fotografierte (als Beweis für den Fall einer eventuellen späteren gerichtlichen Auseinandersetzung) und verpackte Implantat dem Patienten gegen Unterschrift auszuhändigen. Verzichtet der Patient darauf, ist auch dies mit seiner Unterschrift zu dokumentieren und das Explantat fachgerecht zu entsorgen. Werden die Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber dem Patienten nicht erbracht und das Explantat gedankenlos entsorgt, kann dies im Streitfall Schadenersatzansprüche des Patienten zur Folge haben.
Klinische Langzeiterfahrungen und klinische Studien
Der Langzeiterfolg von Zahnimplantaten soll in wissenschaftlichen Dokumentationen und in klinischen Studien nachgewiesen werden. So lautet die Aussage der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) auf ihrem Jahreskongress im November 2018. Zitat: „Wir empfehlen auch Patientinnen und Patienten, im Falle einer geplanten Implantatbehandlung ihren Zahnarzt oder ihre Zahnärztin zu fragen, ob für das jeweils empfohlene System der Langzeiterfolg wissenschaftlich belegt ist.“ Bei mehr als 200 verschiedenen Implantatsystemen liegen längst nicht für alle Systeme derartige Daten vor. Der Implantologe ist in der Pflicht, sich über diese Hintergründe zu informieren.
Durch eine neue europäische Verordnung über Medizinprodukte (MDR ‒ Medical Device Regulation, ca. 2020) werden die Anforderungen an eine Zulassung und Rezertifizierung deutlich verschärft. Eine qualitativ hochwertige klinische Dokumentation obliegt dann nicht mehr nur dem Goodwill des Herstellers.
Umgang mit dem Explantat
Es gibt daher unterschiedliche Sachverhalte und Verfahrensmöglichkeiten abzuklären, beispielsweise:
- Bietet der Implantathersteller bzw. Vertrieb eine Implantatgarantie? Falls ja ‒ welche Voraussetzungen sind für die Abwicklung des Schadenfalls zu beachten?
- Werden Behandlungskosten übernommen? Falls ja, in welcher Höhe?
- Liegt ein Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz vor, muss der Vorgang dem BfArM gemeldet werden?
- Möchte der Patient ein nicht meldepflichtiges Explantat mitnehmen (Foto, Unterschrift Patient), gleich ob ein Garantiefall besteht oder nicht?
- Verzichtet der Patient auf die Mitnahme des Explantats, wenn keine Meldepflicht besteht (Foto, Unterschrift Patient).
Ausblick
Eine Diskussion um die Einführung eines einheitlichen Registers für Zahnimplantate hat die europäische Vereinigung für Osseointegration (EAO) zwar im Herbst 2018 diskutiert, aber eine Umsetzung ist noch nicht in Sicht. Daher bleibt es bei einer Dunkelziffer an Implantaten, die verlustig gegangen sind, ohne den Grund zu erfahren.