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02.11.2012·Innovationen Lappenlose Sofortversorgung: Neue implantatprothetische Möglichkeiten mit Modell-Matching

·Innovationen

Lappenlose Sofortversorgung: Neue implantatprothetische Möglichkeiten mit Modell-Matching

von Dr. med. dent Jan H. Koch, Freising

| Dreidimensionale Röntgenverfahren und schablonengestützte Implantationen werden in Konsenspapieren für einen weiten Indikationsbereich empfohlen. Dazu gehört die lappenlose Sofortversorgung, die jetzt auch in Verbindung mit einem intraoralen oder Modell-Scan möglich ist. Neben den Grundlagen werden klinische Ergebnisse und aktuelle Fallberichte vorgestellt. |

EAO und DGI empfehlen computergestützte Planung

Eine durchgängig computergestützte Implantation wirkt sich positiv auf die implantatprothetische Versorgung aus. Die Leitlinie der European Association of Osseointegration (EAO) bezieht sich zunächst auf Röntgenverfahren für die implantologische Diagnostik. In ihren Empfehlungen zu CT und DVT stellen die Autoren fest, dass dreidimensionales Röntgen in vielen Fällen das Risiko für Schädigungen senkt. Gleichzeitig wird betont, dass sich die prothetikbezogene Diagnostik durch Röntgenschablonen und computergestützte Planung verbessern lässt. Die Qualität der Versorgung werde biomechanisch, funktionell und ästhetisch besser voraussagbar (Quelle: Harris D et al, 2012).

 

Auch die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) empfiehlt die Anwendung computergestützter Implantationsverfahren. Das im November 2011 in Dresden vorgestellte Konsenspapier beruht auf einer systematischen Literaturübersicht. Demnach ist die computergestützte Implantologie insbesondere für komplexe Versorgungen und Sofortkonzepte zur Vermeidung von Augmentationen geeignet. Folgende Indikationen werden genannt:

 

  • minimalinvasive, also lappenlose Techniken, vor allem bei Risikopatienten
  • die komplexe implantatprothetische Wiederherstellung größerer Gewebsdefekte, zum Beispiel nach Tumorresektionen
  • spezielle prothetische Konzepte wie Sofortversorgungen mit präfabrizierten Brücken zur Vermeidung einer Augmentation

 

Schließlich kommen die Autoren zum Ergebnis, dass sich das Design von Abutments und Implantatprothesen mithilfe computergestützter Implantologie verbessern lässt. Diese Aussage stimmt weitgehend mit den E.A.O.-Leitlinien überein und zeigt die hohe Akzeptanz der Methode bei hochrangigen Experten (Quelle: Nitsche T, Menzebach M, Wiltfang J, 2011).

Vergleich von konventioneller und lappenloser Implantation

Transgingivale Implantationen, die in Verbindung mit Sofortversorgung zahnloser Kiefer erfolgen, entlasten den Patienten signifikant. In einer Studie mit 341 Implantaten bei 52 Patienten wurde eine konventionell behandelte Kontrollgruppe (Panoramaschichtaufnahme, Aufklappung, keine Bohrschablone) mit zwei Testgruppen verglichen. Bei Testgruppe 1 verwendeten die Chirurgen knochengestützte Schablonen, bei Gruppe 2 weichgewebsgestützte Schablonen, jeweils ohne Präparation von Lappen. Die Patienten in Testgruppe 2 hatten – gemessen am Verbrauch von Analgetika – signifikant weniger Schmerzen als in der Kontrollgruppe und Testgruppe 1. Weiterhin traten in der lappenlos operierten Testgruppe signifikant weniger postoperative Blutungen und Schwierigkeiten bei der Mundöffnung auf (Quelle: Arisan V, Karabud CZ, Ozdemir T, 2010).

 

In einer randomisierten Studie wurden bei lappenloser Implantation in abgeheilte Alveolen ebenfalls signifikant günstigere Ergebnisse festgestellt als in Verbindung mit Aufklappung (Quelle: Tsoukaki M, Kalpidis CD, Sakellari D, Tsalikis L, Mikrogiorgis G, Knstantinidis A, 2012). Bei 20 Patienten wurden jeweils drei Monate nach der Extraktion – ohne computergestützte Planung und ohne Bohrschablonen – insgesamt 30 Implantate eingebracht. Davon wurden jeweils 15 randomisiert in der Testgruppe (lappenlose Implantation) und Kontrollgruppe (Implantation mit Aufklappung) zugeordnet. Nach zwölf Wochen war in der lappenlos implantierten Gruppe die Sulkustiefe um die Implantate geringer. Während der krestale Knochenverlust in der Kontrollgruppe durchschnittlich 0,29 Millimeter betrug, wurde in der Testgruppe kein Abbau gemessen. Auch die Entzündungswerte waren in der Testgruppe signifikant geringer. Schließlich gaben die Patienten bei lappenloser Implantation geringere Schmerzen an als bei Aufklappung.

 

Wie in der Studie von Arisan und Mitarbeitern wird durch diese randomisierte Studie die Patientenfreundlichkeit lappenloser Implantationen dokumentiert. Zusätzlich waren biologische Werte wie Knochenniveau, Sulkustiefe und Entzündung für die lappenlos operierte Gruppe signifikant günstiger.

Präzision von Weichgewebsmessung und Modell-Matching

Die Weichgewebsdicke im Implantationsbereich lässt sich mithilfe von CT-Aufnahmen vermessen. Die physischen Messungen erfolgten mithilfe von endodontischen Nadeln. Die 114 Messstellen befanden sich jeweils bukkal, palatinal und auf dem Kieferkamm im Front- und Seitenzahnbereich. Die mittleren CT-Werte waren mit 2,83 mm etwas geringer als die mittleren Werte für die physischen Messungen (3,12 mm). An 23 bukkalen Messstellen ließen sich Knochen und Weichgewebe im CT nicht unterscheiden. Die mittlere Weichgewebsdicke betrug hier 0,69 mm und war sehr gering. Das bedeutet, dass die Gingivadicke im ästhetisch relevanten Bereich häufig nicht bestimmt werden kann (Quelle: Ueno D, Sato J, Igarashi C, Ikeda S, Morita M, Shimoda S, Adagawa T, Shiozaki K, Kobayashi M, Kobayashi K, 2010).

 

Oberflächendaten von gescannten Gipsmodellen und DVT-Aufnahmen stimmen gut überein und lassen sich in der Planungssoftware gut miteinander abgleichen. Bei 16 Patienten wurden an 64 Zähnen und insgesamt 1.792 Messpunkten Abweichungen zwischen Modell- und DVT-Daten in der Planungssoftware ermittelt (GALILEOS Implant, Sicat, D-Bonn). Als Referenz für den Datenabgleich dienten Schmelzbereiche hoher Radioopazität bei Zähnen, die an Einzelzahnlücken angrenzten. In den Lücken waren Implantate geplant, sodass die Behandlung auch klinisch mithilfe des Modell-Abgleichs durchgeführt werden konnte. Die mittleren Differenzen zwischen Modell- und DVT-Daten – also die Abstände zwischen eingeblendeter Modelloberfläche und radiologisch dargestellter Zahnoberfläche – lagen zwischen 0,03 und 0,14 Millimeter. Die Oberflächen des (Modell-)Scans überlagerten tendenziell diejenigen des DVT. Dabei ist die Ungenauigkeit im DVT höher einzuschätzen. Die Autoren folgern, dass die beschriebene Modell-Matching-Methode für die computergestützte Implantation ausreichend präzise ist. In geeigneten Fällen müsse daher keine radiopake Röntgenschablone mehr hergestellt werden. Weiterhin kann die im CT bestimmte Weichgewebsdicke mit der Modell-Matching-Methode ebenfalls überprüft werden. Die Weichgewebsdicke ist wiederum relevant für die Gestaltung des Durchtrittsprofils von Implantat-Abutments oder temporären Sofortversorgungen (Quelle: Ritter L, Reiz SD, Rothamel D, Dreiseidler T, Karapetian V, Scheer M, Zoller JE, 2012).

Klinische Studien und Fallberichte

Mithilfe computergestützter Planung und darauf basierender Modellimplantation lassen sich implantatgetragene Kronen oder Brücken mit definitiven Zirkonoxid-Abutments herstellen und sofort eingliedern. Die Autoren präsentieren zwei Beispiele für dieses Vorgehen, die Teil einer laufenden Studie mit insgesamt 20 Patienten sind. Die Methode umfasst die CT-Aufnahme, den Import der Daten in die Planungssoftware, die Modellimplantation (im Labor) mithilfe stereolithografischer Bohrschablonen und eines stereolithografischen Knochenmodells und entsprechender Instrumente, die lappenlose Implantation am Patienten und schließlich die sofortige Eingliederung der definitiven keramischen Abutments und der temporären Kronen. Die Autoren folgern, dass für den Erfolg der Methode eine sorgfältige Patientenauswahl notwendig ist. Die Ergebnisse seien in Bezug auf Präzision und Ästhetik erfolgversprechend (Quelle: Kamposiora P, Papavasiliou G, Madianos P, 2012).

 

Bei der von Kamposiora und Mitarbeitern beschriebenen Methode der Modellimplantation wird die Weichgewebsdicke noch nicht direkt berücksichtigt. Das Verfahren wurde daher weiterentwickelt (Immediate Smile, Materialise Dental). Mithilfe einer stereolithografisch hergestellten Gingivamaske ist es jetzt möglich, die Weichgewebsdimensionen bei der Herstellung der temporären Sofortprothese oder Brücke einzubeziehen.

 

Der Artikel von Spiegelberg und Buhl gibt zunächst einen Überblick zur computergestützten Implantologie und zur Weichgewebsdicke. Anhand eines Beispiels wird dann die Anwendung der neuen Methode bei einem zahnlosen Patienten demonstriert. Mithilfe der Datensätze des gematchten Modells und des DVT werden Bohrschablonen und separate Modelle von Kieferknochen und Weichgewebe hergestellt. Zusätzlich wird auf Wunsch eine ebenfalls zentral gefertigte temporäre Sofortversorgung aus PMMA-Kunststoff mitgeliefert. Im Beispiel wurde diese nach ästhetischer Modifikation im Labor am Tag der Implantation eingegliedert (Quelle: Spiegelberg FE, Buhl C, 2011).

 

Literaturhinweise

  • [1] Harris D, et al. E.A.O. guidelines for the use of diagnostic imaging in implant dentistry 2011. A consensus workshop organized by the European Association for Osseointegration at the Medical University of Warsaw. Clin Oral Implants Res 2012, online publiziert am 21.03.2012.
  • [2] Nitsche T, Menzebach M, Wiltfang J. What are the indications for three-dimensional X-ray-diagnostics and image-based computerised navigation aids in dental implantology? Systematic review, consensus statements and recommendations of the 1st DGI Consensus Conference in September 2010, Aerzen, Germany. Eur J Oral Implantol 2011; 4: 49-58.
  • [3] Arisan V, Karabuda CZ, Ozdemir T. Implant surgery using bone- and mucosa-supported stereolithographic guides in totally edentulous jaws: surgical and post-operative outcomes of computer-aided vs. standard techniques. Clin Oral Implants Res 2010; 21: 980-988.
  • [4] Tsoukaki M, Kalpidis CD, Sakellari D, Tsalikis L, Mikrogiorgis G, Konstantinidis A. Clinical, radiographic, microbiological, and immunological outcomes of flapped vs. flapless dental implants: a prospective randomized controlled clinical trial. Clin Oral Implants Res 2012.
  • [5] Ueno D, Sato J, Igarashi C, Ikeda S, Morita M, Shimoda S, Udagawa T, Shiozaki K, Kobayashi M, Kobayashi K. Accuracy of Oral Mucosal Thickness Measurements Using Spiral Computed Tomography. J Periodontol 2010.
  • [6] Ritter L, Reiz SD, Rothamel D, Dreiseidler T, Karapetian V, Scheer M, Zoller JE. Registration accuracy of three-dimensional surface and cone beam computed tomography data for virtual implant planning. Clin Oral Implants Res 2012; 23: 447-452.
  • [7] Kamposiora P, Papavasiliou G, Madianos P. Presentation of two cases of immediate restoration of implants in the esthetic region, using facilitate software and guides with stereolithographic model surgery prior to patient surgery. J Prosthodont 2012; 21: 130-137.
  • [8] Spiegelberg FE, Buhl C. Vierdimensional rückwärts geplant. Temporäre Implantatbrücke mit digital erstellter Weichgewebsmaske. J Dent Educ 2011: 612-620.