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10.01.2014·Kongressbericht Sofortimplantation – eine Option auch bei älteren und sehr alten Patienten

·Kongressbericht

Sofortimplantation – eine Option auch bei älteren und sehr alten Patienten

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter des „Zahnmedizin Report“, Berlin

| Die Sofortimplantation mit sofortiger prothetischer Versorgung kann als eine Therapiemodalität nach Verlust der letzten Pfeiler oder bei geringem Restzahnbestand angesehen werden. Auch zur Verankerung von Totalprothesen sind Sofortimplantate geeignet. Die damit erhaltene funktionelle und ästhetische Kontinuität sowie die verkürzte Behandlungszeit führen zu einer hohen Therapieakzeptanz bei den Patienten. Auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main wurden entsprechende klinische Studien vorgestellt. |

Vorteile für Patienten, aber auch Risiken

Vorteil der Sofortimplantation: Patienten mit nicht mehr erhaltungsfähigem Restzahnbestand fürchten zumeist den Retentionsverlust und den Fremdkörpereffekt eines losen totalen Zahnersatzes. Daher wird verstärkt implantatgestützter Zahnersatz gewünscht, am besten in direktem Zusammenhang mit der Entfernung der eigenen Zähne.

 

Die Sofortimplantation in infizierte und defekte Alveolen nach Entfernung nicht erhaltungswürdiger und parodontal geschädigter Zähne wird zwar nicht unkritisch gesehen. Doch durch eine sofortige Implantation und Versorgung mit einer festsitzenden Prothetik wird der Kollaps der Weichgewebsarchitektur und weiterer Knochenabbau, der durch die anderenfalls notwendige Totalprothese eintritt, vermindert.

Klassisches Implantat-Konzept

Prof. Dr. Georg-Hubertus Nentwig von der Universität Frankfurt am Main berichtete über 26 Patienten, denen 127 Implantate (65 im Oberkiefer, 62 im Unterkiefer) in frische Extraktionsalveolen inseriert wurden. Fallspezifisch wurden weitere Implantate (Spätimplantate) gesetzt und gemeinsam mit den Sofortimplantaten sofort versorgt. Infolge der stets postoperativ durchgeführten Verblockung der Implantate mit provisorischen Brücken konnten einzelne Implantate, die ein finales Drehmoment unter 35 N/cm aufwiesen, in die Versorgung mit einbezogen werden.

 

Standardversorgung waren sechs Implantate im Oberkiefer und vier Implantate im Unterkiefer. Zum Zeitpunkt der Implantation waren die Patienten (15 männlich und 11 weiblich) im Durchschnitt 61,1 Jahre alt. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit beträgt 5 Jahre (Median 3,3). Bei allen Patienten konnte im Rahmen der Nachuntersuchungen bislang eine stabile periimplantäre Situation beobachtet werden. [1]

All-on-4-Konzept: Alternative zur zeitversetzten Implantation

Auch Konzepte mit einer reduzierten Anzahl von Implantaten – wie zum Beispiel das All-on-4-Konzept – haben sich als sichere Alternative zur zeitversetzten Implantation mit einer längeren postoperativen Heilungsphase bewährt. Wie Dr. Bernhard Drüke berichtet, werden im Implantatzentrum Münster seit über zehn Jahren Sofortversorgungen im Ober- und Unterkiefer festsitzend durchgeführt. Hinweis: Über die Abrechnung der Versorgung nach dem All-on-4-Konzept wurde in PI 11/2013, Seiten 4 bis 6, berichtet.

 

Das Behandlungsprotokoll sieht vor, dass nach atraumatischer Extraktion, sorgfältiger Kürettage und Entfernung der Granulationsgewebe die Alveolen gespült werden. Die Implantationen werden entsprechend dem vorhandenen Knochenangebot durchgeführt und es wird auch in Alveolen mit Knochendefiziten implantiert. Implantate, bei denen vermehrt Knochen aufgebaut werden muss oder die keine günstige Primärstabilität erreichen, werden nicht als Pfeiler für den sofortigen Ersatz genutzt.

 

Die Resultate der Sofortversorgungen aus biologischer, funktioneller und ästhetischer Sicht sind nach vorheriger Evaluierung des Behandlungsfalles günstig. Die Vorteile ergeben sich aus dem wenig invasivem Vorgehen, dem sofortigen Ersatz und der Weichgewebsstützung. Für den Patienten bedeutet dieses Verfahren die schnellstmögliche Rehabilitation. [2]

Zwei Implantate plus Locator® 

Auf dem Zahnärztetag in Frankfurt am Main stellten deutsche und Schweizer Zahnmediziner klinische Erfahrungen mit dem Locator-System vor. Bei der Verankerung von Voll- und Teilprothesen mit Implantaten im zahnlosen Kiefer zeigt das System gute Erfolge – wenn es auch für Patienten und Pfleger nicht einfach zu handhaben ist.

 

Auf Implantaten stellt der Locator ein vielseitiges und ausgereiftes Verankerungssystem dar, das auch von unerfahrenen Behandlern leicht gehandhabt werden kann. Der neuere Locator besitzt bezüglich klinischem Handling und vertikalem Platzbedarf Vorteile. Nachteilig ist hier aber – insbesondere bei Pfeilerzähnen – der erhöhte horizontale Platzbedarf. Der Locator weist somit auf Implantaten Vorteile gegenüber Kugelankern auf, wohingegen nach Meinung von Dr. Adrian Büttel, Universität Basel, ein Kugelanker auf Pfeilerzähnen weiterhin zu bevorzugen ist. [3]

Locator versus Stegsystem

Die Sofortbelastung von interforaminären Implantaten im zahnlosen Unterkiefer mit Locator-Aufbauten scheint vergleichbare Ergebnisse zum bekannten Stegsystem zu liefern und könnte insbesondere für ältere Patienten eine interessante Behandlungsoption darstellen, berichtete Dr. Stefanie Kappel, Oberärztin am Universitätsklinikum Heidelberg. 46 Patienten (Durchschnittsalter 69,4 Jahre; 73,9 Prozent Männer) mit zahnlosem Unterkiefer erhielten interforaminär jeweils zwei Implantate. Binnen 72 Stunden nach der Operation wurden randomisiert entweder zwei Locator-Aufbauten oder konfektionierte Dolder®-Stege sowie in jedem Fall eine metallverstärkte Basis in die Prothese eingearbeitet. Die Implantate wurden sofort belastet.

 

Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Jahr in Funktion lag bei 93,4 Prozent in der Locator-Gruppe und 87,1 Prozent in der Steg-Gruppe. Die Mundhygiene-Parameter (Gingiva und Taschentiefe) waren in der Locator-Gruppe signifikant besser. Während des Beobachtungszeitraums traten zwölf prothetische Komplikationen auf. Keine Prothese ging aufgrund technischer Komplikationen verloren, doch fünf Prothesen mussten in Folge der Implantatverluste umgearbeitet werden. [4]

Locatoren auch für sehr alte Patientengruppe

Für sehr alte und fragilisierte Patienten stellt die Stabilisierung einer existierenden Unterkiefer-Totalprothese mithilfe zweier kurzer Implantate ein plausibles Behandlungskonzept dar, das die Zufriedenheit der Patienten signifikant verbessert und gegebenenfalls funktionelle und strukturelle Vorteile bietet, berichtete PD Dr. Martin Schimmel von der Universität Genf. Die Umarbeitung vorhandener Unterkiefer-Totalprothesen zu Locator-gestützten Deckprothesen ist ein plausibles Behandlungskonzept bei sehr alten und betreut lebenden Patienten. Die Behandlung verbessert die maximale Beißkraft, die Kaueffizienz und die Masseter-Muskeldicke in dieser Patientengruppe.

 

Die Patienten in der experimentellen Gruppe – je zwei interforaminale 8mm-Straumann Implantate mit Locatoren, mittleres Alter 85,0 ± 6,19 Jahre – entwickelten höhere Beißkräfte und Masseter-Dicken als die Probanden in der Kontrollgruppe (Unterfütterung, mittleres Alter 84,8 ± 5,42 Jahre) und waren auch signifikant zufriedener mit ihrer prothetischen Versorgung. Die Kaueffizienz unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen.

 

Zwar wiesen die Locatoren zahnmedizinische Vorteile auf. Dennoch waren sie für die Patienten und das Pflegepersonal schwierig zu handhaben. Bei zwei Patienten wurden sie daher nachträglich gegen Kugelkopfanker getauscht. [5]

 

Quellen

  • [1] Nentwig G-H. Sofortimplantation und Sofortversorgung statt Totalprothese bei extraktionswürdigem Restzahnbestand. Deutscher Zahnärztetag 2013, Frankfurt am Main, 8. bis 9. November 2013
  • [2] Drüke B. Die Sofortimplantation und Sofortversorgung bei nicht erhaltungswürdigem Restzahnbestand. Deutscher Zahnärztetag 2013
  • [3] Büttel A E et al. Locator® oder Kugelanker? Eine Hilfe für die klinische Entscheidungsfindung. Schweiz Monatsschr Zahnmed 2009; 119 (9): 901-090
  • [4] Kappel S. Sofortbelastung 2er Implantate mit zahnlosem Unterkiefer mittels Locator® oder Steg: Erste Ergebnisse einer prospektiv randomisierten Studie. Deutscher Zahnärztetag 2013
  • [5] Schimmel M. Locator®-gestützte Deckprothesen bei sehr alten Patienten – eine randomisierte klinische Vergleichsstudie. Deutscher Zahnärztetag 2013