Kosten, Vertrauen, Qualifikation – warum entscheiden sich Patienten für oder gegen Zahnbehandlungen?
Die Höhe der Zuzahlung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), ein gutes Vertrauensverhältnis zum Zahnarzt und seine Qualifikation sind entscheidende Faktoren dafür, dass sich Patienten für eine Zahnbehandlung wie zum Beispiel eine Zahnkrone entscheiden. Das ergab eine qualitative Studie über Gründe für die Wahl oder Nichtwahl von zahnärztlichen Behandlungen von Susanne Felgner, Marie Dreger und Dr. Cornelia Henschke am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der TU Berlin.
Im Rahmen der Studie wurde untersucht, welche Gründe aus Patientensicht für oder gegen die Wahl von Zahnbehandlungen sprechen. Außerdem wurde untersucht, ob Zahnbehandlungen aus Sicht der Patienten durch die GKV ausreichend bezahlt werden. Um die Fragen zu beantworten, führten die drei Wissenschaftlerinnen Interviews mit Patientinnen und Patienten aus verschiedenen Alters- und Einkommensgruppen und mit verschiedenen beruflichen Hintergründen durch.
Auch der Verzicht auf Urlaub spielt eine Rolle
Insgesamt ermittelten die Wissenschaftlerinnen 53 Gründe, die Patienten dazu veranlassen, sich für oder gegen Zahnbehandlungen zu entscheiden. Diese Gründe wurden den zwei Kategorien „Gesundheitsleistung“ und „Zahnarzt & Zahnarztpraxis“ zugeordnet. Die bereits genannten Gründe der Kostenübernahme durch die GKV, eines guten Vertrauensverhältnisses und der Qualifikation des Zahnarztes (das heißt seine Aus- und Weiterbildung) entscheiden über ein Ja oder Nein zu einer Zahnbehandlung.
Das Thema Kosten spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung der Befragten. Die Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer berichteten unter anderem, dass sie auf einen Urlaub verzichten würden, um sich eine teure Zahnbehandlung leisten zu können; dass sie schon einmal eine Behandlung abgelehnt haben, da sie ihnen zu teuer war, und dass sie bestimmte Behandlungen beim Zahnarzt, zum Beispiel eine professionelle Zahnreinigung, nur durchführen lassen könnten, weil sie eine Zahnzusatzversicherung haben, die die Kosten übernimmt.
Karies – eine der häufigsten chronischen Erkrankungen
„Die Zahngesundheit der Bevölkerung kann zunehmend als eine Herausforderung für das Gesundheitssystem in Deutschland angesehen werden. Zahnerkrankungen kommen bemerkenswert häufig vor. Laut der fünften Mundgesundheitsstudie ist Karies eine der häufigsten chronischen Erkrankungen. Weltweit steht Karies nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf Platz vier. Zahnerkrankungen können sich zudem auf die allgemeine Gesundheit auswirken und langfristige gesundheitliche Folgen für Körper und Psyche haben zum Beispiel aufgrund sozialer Isolation“, sagt Susanne Felgner.
Im Vergleich zu anderen medizinischen Behandlungen werden Zahnbehandlungen in Deutschland oftmals nur zum Teil von der GKV bezahlt. Der Betrag, der von ihr übernommen wird, orientiert sich an der sogenannten Regelversorgung, einer definierten Behandlung, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist, und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. Dies muss nicht zwingend die ästhetisch ansprechendste Lösung sein. Beim Zahnersatz übernimmt die GKV sogar nur einen Teil der Kosten der Regelversorgung. Für bestimmte Behandlungen können somit hohe Eigenbeteiligungen für die Patientinnen und Patienten resultieren. „Die Kosten sind aus Sicht der Befragten daher ein entscheidender Grund, warum sich Patientinnen und Patienten gegen eine Zahnbehandlung entscheiden – wie unsere Studie zeigt“, so Susanne Felgner. Bisher wurden Gründe für Behandlungsentscheidungen von Patientinnen und Patienten in der Wissenschaft wenig untersucht.
Zuzahlungen sind ungenügend
Die Ergebnisse aus dieser nicht-repräsentativen Studie bieten eine Grundlage für weitere Studien und für politische Entscheidungsträger. Eine anschließende quantitative Studie wird derzeit ausgewertet. Patientinnen und Patienten empfinden die Kosten bestimmter Behandlungen als eine Barriere zur Vorsorge und Versorgung. Die Zuzahlung der GKV genügt ihnen nicht. Daher sollte darüber nachgedacht werden, ob Maßnahmen entwickelt werden, die teure Zahnbehandlungen auf lange Sicht erst gar nicht entstehen lassen, indem Patientinnen und Patienten notwendige frühe Vorsorge- und Zahnbehandlungen nicht ablehnen. So sollten zu Beispiel Anreizinstrumente wie das Bonusheft noch verstärkt und Informationen zu Konsequenzen von Zahnerkrankungen gezielter an die Bevölkerung herangetragen werden.
Felgner S, Dreger M, Henschke C (2022) Reasons for (not) choosing dental treatments—A qualitative study based on patients’ perspective. PLoS ONE 17(5): e0267656. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0267656
Information der TU Berlin vom 21.10.2022