Abrechnung

Die Abrechnung der Sinusbodenelevation Teil 1: Externer Sinuslift

31.05.2010 |Kostenerstattung

Die Abrechnung der Sinusbodenelevation Teil 1: Externer Sinuslift

Die Abrechnung der Sinusbodenelevation führt beinahe immer zu Erstattungsproblemen und somit zu Auseinandersetzungen zwischen dem Behandler und seinem Patienten bzw. dessen privatem Kostenträger. Dies liegt vor allem darin begründet, dass es für die Abrechnung des Sinuslifts verschiedene Möglichkeiten gibt und diese – je nach teilweise eigenwilliger Auslegung der Gebührenordnung – als nicht korrekt seitens der privaten Kostenträger angesehen werden. Die unterschiedlichen Abrechnungsmöglichkeiten mit den Vor- und Nachteilen zeigen wir Ihnen mit diesem Beitrag auf. 

Erste Möglichkeit: Abrechnung der Einzelleistungen

Eine Möglichkeit zur Abrechnung des externen Sinuslifts ist die Berechnung der Einzelleistungen als Abfolge verschiedener eigenständiger Operationsmaßnahmen. Hierbei werden die einzelnen operativen Maßnahmen mittels Gebühren aus der GOÄ abgerechnet, da die GOZ keine Ziffern für diese Leistungen enthält. Die meisten operativen Maßnahmen sind allerdings auch nicht in der GOÄ beschrieben, weil die Operationstechniken neu sind und erst nach Inkrafttreten der GOÄ zur Praxisreife gelangten. Somit müssen Analoggebühren herangezogen werden.  

 

Folgende GOÄ-Ziffern kommen zunächst in der Regel in Betracht: 

 

Nr. 1467 

Operative Eröffnung einer Kieferhöhle vom Mundvorhof aus – einschließlich Fensterung, in der Regel als Analoggebühr für die Präparation des Knochendeckels 

Nr. 2386  

Schleimhauttransplantation – einschließlich operativer Unterminierung der Entnahmestelle und plastischer Deckung, in der Regel als Analoggebühr für die Präparation der Schneider´schen Membran 

Nr. 2730  

Operative Maßnahmen zur Lagerbildung beim Aufbau des Alveolarfortsatzes, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, in der Regel als Analoggebühr für die Konditionierung des Knochens, der Entfernung von Knochensepten und Ähnliches 

Weiterhin stehen folgende Gebühren für das Einbringen von Knochen und/oder Fremdmaterial zur Verfügung: 

 

Nr. 2254  

Implantation von Knochen 

Nr. 2255  

Freie Verpflanzung eines Knochens oder von Knochenteilen (Knochenspäne) 

Nr. 2442  

Implantation alloplastischen Materials zur Weichteilunterfütterung, als selbstständige Leistung, in der Regel als Analoggebühr für die Augmentation von alloplastischem Material 

Hinweis: Die GOÄ-Nr. 2254 ist für eine alleinige Knocheneinpflanzung einmal je OP-Gebiet berechenbar. Dabei kann zum Beispiel allogener Knochen (Knochen eines anderen Menschen) bezogen werden. Auch das Einbringen von körpereigenem Knochen ist nach dieser Gebührenziffer berechenbar. Wenn Knochen aus dem OP-Gebiet gewonnen wird, zum Beispiel mittels Bone-Collector (Knochenfalle), Bone-Scraper (Knochen-Schaber) oder mit einem Meißel, wird das Einbringen der struktuierten Knochenchips nach GOÄ-Nr. 2254 berechnet.  

 

Oftmals wird Knochen aus dem Retromolarenbereich im Unterkiefer entnommen und im Oberkiefer an einer Defektstelle eingebracht. Diese Maßnahme ist Leistungsinhalt der GOÄ-Nr. 2255. Die Entnahme und das Einbringen sind dabei Inhalt dieser Gebührenziffer.  

 

Die GOÄ-Nr. 2255 wird in der Regel einmal für eine freie Knochenverpflanzung bzw. Transplantation innerhalb desselben operativen Eingriffs berechnet; das heißt: Die Gebühr beinhaltet die Entnahme und Einpflanzung desselben autologen (körpereigenen) Knochens als räumlich, zeitlich und technisch getrennte Maßnahme. Wird zum Beispiel ein Knochenblock verpflanzt, so ist für die Entnahme und das Wiedereinsetzen zur Anlagerungsplastik die GOÄ-Nr. 2255 zu berechnen.  

 

Berechnung je Implantationsstelle denkbar

Eine Leistung nach GOÄ-Nr. 2255 ist für dasselbe OP-Gebiet nicht neben den Gebühren nach GOÄ-Nrn. 2253 und 2254 zu berechnen. Wird allerdings entnommener Knochen an verschiedenen Stellen wieder eingepflanzt, so wäre eine Berechnung je Implantationsstelle denkbar. Hierzu gibt es aber unterschiedliche Auffassungen. Wird autologer Knochen von ein und derselben Spenderregion in mehrere Bereiche verpflanzt, sollte die Gebühr je eingesetzter Region berechnet werden. Ein OP-Zuschlag fällt zur GOÄ-Nr. 2255 allerdings nicht an. 

 

Die GOÄ-Nr. 2442 wird analog einmal je selbstständige – ortsgetrennte – Weichteilunterfütterung im Rahmen einer Augmentation mit alloplastischem Material berechnet. Daneben sind der OP-Zuschlag nach GOÄ-Nr. 444 und die Kosten für das alloplastische Material gemäß § 10 GOÄ zusätzlich berechnungsfähig.  

 

Analogie setzt Bestimmungen der Gebühr außer Kraft

Möglich ist insbesondere bei einer Sinusbodenelevation, dass die Implantation alloplastischen Materials zur Weichteilunterfütterung (GOÄ-Nr. 2442) neben der freien Knochenverpflanzung nach GOÄ-Nr. 2255 in einer Sitzung, jedoch in separaten Vorgängen und verschiedenen Gebieten durchgeführt wird. Auch wenn die Maßnahmen unabhängig voneinander erbracht werden, erkennen die Kostenerstatter beide Gebühren nebeneinander oft nicht an, da die GOÄ-Nr. 2442 den Zusatz „als selbstständige Leistung“ enthält. Darauf kann man sich hier aber nicht stützen, da die GOÄ-Nr. 2442 als Analogposition abgerechnet wird und in der Analogie die jeweiligen GOÄ-Bestimmungen zur Abrechnungsgebühr außer Kraft gesetzt sind. Zudem steht hier der Begriff „selbstständig“ und nicht „alleinig“. 

 

Abrechnung zusätzlicher Membrantechniken

Schließlich können zusätzliche Membrantechniken erforderlich sein: Das Legen und Fixieren einer Membran ist nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) und angeschlossener Berufsverbände zum Beispiel nach der GOÄ-Nr. 2442 analog zu berechnen, wenn diese über einen Bereich von mehr als zwei Zähnen hinausgeht.  

 

Abrechnungsvariante: Analogberechnung der GOZ-Nr. 413

In anderen Empfehlungen – zum Beispiel der Zahnärztekammern und des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ/EDI) – wird die Berechnung nach GOZ-Nr. 413 analog befürwortet, zuzüglich der Materialkosten.  

 

Honorierung von Einzelleistungen

Der Vorteil der Einzelleistungsvergütung ist, dass die aufwendigen Therapien in der Regel noch eine adäquate Honorierung erhalten und weitere Operationstechniken mit anderen bzw. weiteren Gebühren deutlicher berücksichtigt werden können (zum Beispiel durch die Angleichung der Steigerungsfaktoren an die jeweilige individuelle Situation und der zusätzlichen Berechnung der Materialkosten im Sinne des § 10 der GOÄ).  

 

Kostenerstatter argumentieren mit dem Zielleistungsprinzip

Leider gibt es bei der Einzelleistungsvergütung oft aus verschiedenen Gründen Erstattungsprobleme. Seitens der Kostenerstatter wird oft behauptet, dass einzelne Leistungen bereits Bestandteil von anderen Leistungen wären (sogenanntes „Zielleistungsprinzip“).  

 

OLG Hamm: Heranziehen der GOÄ über Analogie unzulässig

Auch die Heranziehung von analogen GOÄ-Nummern ist – vor allem seit dem Urteil des OLG Hamm vom 7. November 2003 (Az: 20 U 56/03; Abruf-Nr. 042205) – besonders problematisch. Zitat:  

 

„Dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 GOZ nach ist eine Heranziehung der GOÄ im Wege der Analogie unzulässig. Soweit die Kommentierung gleichwohl entgegen dem Wortlaut der Verordnung eine Analogie zu Gebührennummern auch der GOÄ für möglich hält und dem Zahnarzt gar ein Wahlrecht einräumt, wird dies auf der Grundlage der – nach Auffassung des Senats unzutreffenden – These gefolgert, dass die GOZ nicht alle berechnungsfähigen zahnärztlichen Leistungen enthalte. Diese These widerspricht dem ausdrücklich erklärten Gestaltungswillen des Verordnungsgebers“.  

 

Dem Gerichtsverfahren liegt allerdings eine parodontale Therapie mit Berechnung einer neuen, anerkannten Therapie zugrunde.  

Zweite Möglichkeit: Abrechnung als Gesamtleistung

Mit der Analogabrechnung können verschiedene Operationsmaßnahmen in einer Gebühr zusammengefasst werden. Hier stellt sich die Frage, welche Einzelleistungen die Analoggebühr enthalten soll und was zusätzlich abgerechnet wird. In der Regel sind bei dieser Variante folgende Einzelleistungen als Komplexgebühr zusammengefasst: Präparation des Knochendeckels und der Schneider´schen Membran; Lagerbildung für das Material; Augmentation. 

 

Eine Abrechnungsmöglichkeit besteht im Ansatz der GOZ-Nr. 534 („Eingliederung einer Prothese oder Epithese zum Verschluss extraoraler Weichteildefekte oder zum Ersatz fehlender Gesichtsteile einschließlich Stütz-, Halte- oder Hilfsvorrichtungen“). Diese Ziffer erbringt beim 2,3-fachen Steigerungsfaktor 944,30 Euro. Die genannte Analogposition stellt jedoch nur eine mögliche Gebührennummer dar, die keinesfalls verbindlich ist. Vielmehr kann jeder implantologisch tätige Zahnarzt, der sich für diese Art der Abrechnung entschließt, seine eigene, nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ermittelte GOZ-Nummer heranziehen.  

 

Bei dieser Abrechnungsvariante könnten die Materialkosten unter anderem zum Streitpunkt zwischen Behandler und Kostenerstatter werden, wenngleich die Analogabrechnung die jeweiligen GOZ-Bestimmungen außer Kraft setzt. Jetzt ist davon auszugehen, dass sich die Kostenerstatter auf das BGH-Urteil vom 27. Mai 2004 stützen und die zusätzliche Abrechnung von Materialkosten nur zu den im Urteil aufgeführten GOZ-Nummern erstatten. 

 

Fazit: An dieser Stelle kann im Prinzip kein „Wegweiser“ für eine korrekte Abrechnung einer Sinusbodenelevation aufgestellt werden, da die Gebührenordnung und die gesetzlichen Bestimmungen widersprüchlich sind und es keine eindeutige Rechtsprechung gibt.  

Was sagen die Zahnärztekammern und Gerichte?

Folgende Interpretationen der Zahnärztekammern lagen uns bis zum Redaktionsschluss vor (Die vollständigen Stellungnahmen im Original enthält – soweit uns die Erlaubnis zur Veröffentlichung vorlag – der Online-Service unter der Rubrik „Abrechnung“): 

 

Empfehlungen der Zahnärztekammern

Bundeszahnärztekammer, Stand 3.12.2004:
„Der Sinuslift ist gemäß § 6 Absatz 2 GOZ analog abrechenbar.“
(so auch die Zahnärztekammern Nordrhein, Hamburg, Niedersachsen) 

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, Stand 12/2009, GOZ-Ausschuss:
Die Sinusbodenelevation ist gemäß § 6 Abs. 2 der GOÄ zu berechnen. Empfohlen
werden die GOÄ-Nrn. 2706 und 2712 zusammen und als Analoggebühren. 

Zahnärztekammer Westfalen-Lippe: 

1. Möglichkeit: Abrechnung der Sinuslift-Operation als Analogleistung gemäß § 6 Abs. 2 GOZ  

2. Möglichkeit: GOÄ-Nr. 1467, GOÄ-Nr. 2386, GOÄ-Nr. 2730 zuzüglich je nach Verfahren GOÄ-Nr. 2442, GOÄ-Nr. 2254, GOÄ-Nr. 2255 und die Berechnung der Membran gemäß § 6 Abs. 2 der GOZ. Ebenfalls können zusätzliche Leistungen anfallen, wenn der Wundverschluss über den primären, normalen Wundverschluss hinausgeht. Dies können dann sein: GOÄ-Nr. 2675/2677, GOÄ-Nr. 2381/2382, zuzüglich des jeweiligen GOÄ Zuschlages. 

Zahnärztekammer Berlin, GOZ-Referat Berlin, Stand 23.2.2006:
Die Analogabrechnung der GOZ wird befürwortet, wobei die Berechnung des Sinuslifts durch Zahnärzte ohne ärztliche Approbation mit einer Analoggebühr aus der GOZ erfolgen soll (zum Beispiel nach GOZ-Nrn. 532 bis 534). Die analoge GOZ-Gebühr muss alle methodisch notwendigen Einzelschritte wie die Aufklappung, die Präparation des Knochendeckels, Schneider´sche Membran, Lagerbildung, Materialeinbringung und plastischer Verschluss enthalten, ebenso soll das Material mit in der Gebühr berücksichtigt werden. Als zusätzlich abrechenbar werden die GOÄ-Nr. 2253 (zuzüglich OP Zuschlag) und eine Nummer für das Einbringen einer Membran angesehen.  

DGI, DGZI, DGMKG und BDO, Stand 8.2.2006:
Für die Berechnung einer regionalen externen Sinusbodenelevation werden empfohlen: GOÄ-Nr. 1467 analog, GOÄ-Nr. 2386 analog, GOÄ-Nr. 2730 analog, in Verbindung mit Bankknochen nach GOÄ-Nr. 2254/2255 bei autologem Knochen zusätzlich, in Verbindung mit Osteosynthese-Maßnahmen zusätzlich GOÄ-Nr. 2348 oder GOÄ-Nr. 2355, in Verbindung mit Membran zusätzlich GOZ-Nr. 413 bei lokaler Membran oder GOÄ-Nr. 2442 analog bei regionaler Membran, in Verbindung mit alloplastischem Material zusätzlich GOZ-Nr. 411 analog bei lokalem Gebiet oder GOÄ-Nr. 2442 analog bei regionalem Gebiet sowie bei autologem Knochenspan GOÄ-Nr. 2253 für die Entnahme bzw. GOÄ-Nr. 2254 für die Implantation.  

Zahnärztekammer Schleswig-Holstein (Stand 9/2000):
GOÄ-Nrn. 1467, 2386, 2730, 2255, 2254, 2442, 2675, 2677 und GOZ-Nr. 413  

Stand 5/2010: Analogabrechnung, ggf. auch nach GOÄ analog. 

Landeszahnärztekammer Hessen (Stand März 2009):
1. Möglichkeit: GOÄ-Nrn. 1467, 1466, 1465 und GOZ-Nr. 309  

2. Möglichkeit: Analogberechnung nach § 6 Abs. 2 GOZ mit der GOZ-Nr. 316, GOÄ-Nr. 2730, GOÄ-Nr. 2442 oder GOÄ-Nr. 2254 oder GOÄ-Nr. 2255 bei Augmentationen im selben Gebiet. 

Landeszahnärztekammer Brandenburg:
Neue Leistung, die nach den Vorschriften des § 6 Abs. 2 der GOZ zu berechnen ist. 

Landeszahnärztekammer Sachsen: 

Der externe Sinuslift wird analog berechnet. Die GOÄ-Nrn. 2706 mit 2712 werden dafür als denkbar angesehen, wobei Knochenentnahmen noch gesondert hinzukommen. 

Landeszahnärztekammer Thüringen: 

1. Möglichkeit als Gesamtleistung nach einer analogen GOZ-Gebühr
2. Möglichkeit nach GOÄ-Positionen, angelehnt an den Empfehlungen des BDIZ EDI. 

 

Empfehlungen von Gerichten

Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 2. März 2004 (Az: 23A C 466/01):
Abrechnung der Nrn. 412, 1467, 2381, 2382, 2442, 2675 und 2697 wird befürwortet neben den Nrn. 413, 2730, 2255 und 2386, die für die Sinusbodenelevation in Rechnung gestellt wurden. 

Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18. August 2005 (Az: 51C 12641/02):
Es besteht die Möglichkeit der Nebeneinanderabrechnung der GOÄ-Nrn. 1467 und 2386.