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06.12.2010 |Kostenerstattung LG München: Medizinische Notwendigkeit bei Implantatversorgung anerkannt

06.12.2010 |Kostenerstattung

LG München: Medizinische Notwendigkeit bei Implantatversorgung anerkannt

von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anita Benigna Lehner, Feldafing, www.rain-lehner.de

Der Fall: Ein 60-jähriger Patient mit hochgradiger Alveolaratrophie im UK beidseits und fehlenden Zähnen in den Regionen 44 bis 48 wünschte eine festsitzende Versorgung. Der Patient trug seit über 15 Jahren eine Teilprothese im UK, die mittels Geschiebe an den verblockten Prämolaren befestigt wurde. Die Prothese wackelte. Der Patient war in seiner Sprachfunktion eingeschränkt. Er wünschte einen festsitzenden Zahnersatz; dies wurde erfolgreich realisiert.  

 

In einer ersten Sitzung unter stationären Bedingungen erfolgte die Augmentation im UK-Seitenbereich mittels Einlagerung von autologer Beckenkammspongiosa im Sinne einer Bone-Splitting-Technik. Nach Konsolidierung konnte ambulant in einer zweiten chirurgischen Sitzung das Setzen von Implantatpfeilern durch fünf Titanimplantate erfolgen. Nach Osteointegration erfolgte die prothetische Versorgung. Die Rehabilitation konnte erfolgreich abgeschlossen werden. 

 

Die private Krankenversicherung (PKV) des Patienten verweigerte jede Zahlung. Der Patient klagte und setzte daraufhin seinen Erstattungsanspruch gegen die PKV in einem selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht München I durch. Das Verfahren begann 2007 und wurde in diesem Jahr abgeschlossen. 

 

Lag hier eine „Übermaßbehandlung“ vor?

Die PKV vertrat den Standpunkt, dass die implantologische Versorgung nicht objektiv medizinisch notwendig war und eine Übermaßbehandlung darstellte. Demgegenüber berief sich der Patient darauf, dass bei seiner defizitären Restpfeilersituation das gesamte Rehabilitationskonzept objektiv medizinisch notwendig war – insbesondere zur Vermeidung der weiteren Verschlechterung der Kiefersituation und damit zur Verhinderung weiterer kausaler Spätschäden. 

 

Medizinische Notwendigkeit durch Gerichtsgutachter bestätigt

Der Gerichtsgutachter bestätigte die objektive medizinische Notwendigkeit nach persönlicher Untersuchung des Patienten und Prüfung der vollständigen Aktenlage. Er stellte fest, dass dem Patienten beträchtlich Schmelz und Dentinanteile an den Zähnen im OK fehlten, sodass die ursprüngliche Bisslage nicht mehr gegeben war und im UK eine ersichtlich leichte Rücklage vorhanden war. Den Behauptungen der PKV, dass lediglich eine herausnehmbare Prothese zur Wiederherstellung der Kau- und Sprechfunktion medizinisch notwendig sei und Teleskopkronen ein deutlich geringeres Operationsrisiko beinhalteten sowie auch die Mundhygiene wesentlich einfacher sei als bei festsitzendem Zahnersatz, folgte der Gutachter nicht. Er stellte fest, dass „diese Aussage anmute, als empfehle man bei einem Patienten mit Nierenversagen eine Dialysebehandlung anstelle einer Nierentransplantation, weil man dafür keine Operation benötige“. 

 

Weiterhin meinte der Gutachter: Der zahnmedizinische Standard ist die Eingliederung festsitzenden Zahnersatzes, wenn keine Kontraindikation besteht. Zahnimplantate werden als Basisstrukturen für den Ersatz verloren gegangener Zähne verwendet – mit dem Ziel, die Voraussetzungen für eine funktionelle und ästhetische Rehabilitation zu verbessern. Dadurch sollen die physiologischen Involutionsprozesse wie Knochenresorption und Funktionsverlust vermindert werden. 

 

Fazit

Die implantologische Versorgung ist zahnmedizinischer Standard und stellt keine Übermaßbehandlung dar. Ein Patient kann nicht auf eine andere Art des Zahnersatzes verwiesen werden, weil er bisher daran gewöhnt war. Einzig monetäre Gründe haben bis heute bei gesetzlich Versicherten die Kostenübernahme für Zahnimplantate verhindert. Dies findet keine Anwendung auf Privatversicherte. Schließlich noch ein haftungsrechtlicher Hinweis: Es kann einem Behandler als Fehler vorgeworfen werden, wenn er nicht über die Alternativen des Zahnersatzes aufklärt.