Neue Leitlinie: Die wichtigsten Ansätze der Kariesprävention im Überblick

Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) erstmalig eine S3-Leitlinie zur Kariesprävention an bleibenden Zähnen veröffentlicht [1]. Die zentrale Botschaft: Wirksame Kariesprävention beruht nicht auf einzelnen Interventionen, sondern auf dem abgestimmten Zusammenspiel von sieben zentralen Präventionsmaßnahmen.

[!] Die neue S3-Leitlinie zur Kariesprävention bei bleibenden Zähnen bietet praxisnahe, wissenschaftlich abgesicherte Empfehlungen für eine zielgerichtete, individuelle Kariesprävention über alle Lebensphasen hinweg. Sie stellt eine fundierte Grundlage für eine moderne, präventiv ausgerichtete Zahnmedizin dar – im Sinne einer langfristigen Zahngesundheit.

An der Entwicklung der Leitlinie waren 34 Expertinnen und Experten aus 19 Fachgesellschaften und Institutionen beteiligt. Erstmals wurden auch Patientenvertreter in die Konsensfindung eingebunden. Über 1.100 Publikationen wurden gescreent, mehr als 230 Studien gingen in die Evidenzbewertung ein. „Wirksame Kariesprävention ist ein Mosaik aus Maßnahmen“, betont Professorin Dr. Nadine Schlüter von der Medizinische Hochschule Hannover (MHH), eine der Autor*innen der Leitlinie, „nur im Zusammenspiel entfalten sie ihre volle Wirkung. Deshalb müssen Präventionsstrategien ganzheitlich und lebenslang gedacht werden.“

Die wichtigsten Ansätze der Kariesprävention im Überblick:

1. Mechanische Biofilmkontrolle

Zähne sollen zweimal täglich mit fluoridhaltiger Zahnpasta (≥1000 ppm) für mindestens zwei Minuten geputzt werden. Eine individuell angepasste Putzsystematik ist entscheidend – keine bestimmte Putztechnik ist nachweislich einer anderen überlegen. Elektrische Zahnbürsten können empfohlen werden, sofern ihre Anwendung erklärt wird. Für die Interdentalraumreinigung gelten Bürstchen meist als wirksamer als Zahnseide. Die frühere Empfehlung, nach säurehaltigen Mahlzeiten mit dem Putzen zu warten, ist nicht mehr haltbar.

2. Chemische Plaquekontrolle

Im Vergleich zur mechanischen Reinigung hat die chemische Biofilmkontrolle eine untergeordnete Bedeutung. Die Datenlage zur kariespräventiven Wirkung entsprechender Präparate ist insgesamt schwach. Nur in bestimmten Fällen – etwa bei festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen oder bei Wurzelkariesrisiko – kann der Einsatz von Chlorhexidin-Lack (mit einer Konzentration ≥ 1 %) erwogen werden.

3. Strukturierte Prophylaxeprogramme

Erstmals betont die Leitlinie die Bedeutung lebenslanger strukturierter Präventionsprogramme. Neben Kindern und Jugendlichen sollen auch Erwachsene aller Altersgruppen regelmäßig motiviert und instruiert werden. Besonders wirksam sind Programme, die auf Verhalten, Aufklärung und regelmäßige Kontrolle setzen.

4. Fluorid – bewährter Schutz differenziert eingesetzt

Die neue Leitlinie differenziert den Einsatz von Fluoridpräparaten stärker nach Alter und Kariesrisiko als die Vorläufer-S2k-Leitlinie „Kariesprophylaxe“ aus dem Jahr 2016:

  • Zahnpasta ab Durchbruch der bleibenden Zähne: mit 1000-1500 ppm Fluorid
  • Bei erhöhtem Wurzelkariesrisiko: Zahnpasta mit 5000 ppm Fluorid
  • Fluoridlack: zweimal jährlich, bei hohem Kariesrisiko viermal jährlich
  • Fluoridgele: wöchentlich zu Hause oder zwei- bis viermal jährlich professionell
  • Fluoridspüllösungen: ab sechs Jahren, besonders bei erhöhtem Risiko (z. B. festsitzende KFO-Apparaturen)
5. Ernährung – Zuckerreduktion im Fokus

Der Verzehr von zuckerhaltigen Produkten sollte reduziert werden. „Freie Zucker* sollten unter zehn Prozent der täglichen Energiezufuhr bleiben. Der Konsum gezuckerter Getränke und süßer Snacks – insbesondere nach dem Zähneputzen am Abend – soll konsequent vermieden werden. Insgesamt besteht zwischen dem Konsum gezuckerter Getränke und der Kariesentwicklung ein linearer Zusammenhang.

6. Speichel als Schutzfaktor nutzen

Speichel hat viele schützende Eigenschaften – er puffert kariesverursachende Säuren ab, reinigt die Mundhöhle und unterstützt die Remineralisation der Zähne. Das Kauen zuckerfreier Kaugummis nach den Mahlzeiten kann den Speichelfluss fördern und damit zur Kariesprävention beitragen.

7. Fissurenversiegelung gezielt einsetzen

Grübchen und Fissuren durchbrechender Molaren gelten als kariesanfällig. Fissuren- und Grübchenversiegelungen sind geeignete Maßnahmen zur Kariesprävention insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit einem tiefen Fissurenrelief und insgesamt hohem Kariesrisiko. Empfehlungen dazu enthält die ebenfalls aktuell erschienene S3-Leitlinie „Fissuren- und Grübchenversiegelung“ (AWMF 083-002) [2].

[1] DGZ, DGZMK: „Kariesprävention bei bleibenden Zähnen – grundlegende Empfehlungen“, Langfassung, Version 2.0, 2025, AWMF-Registernummer: 083-021, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-021.html

[2] DGKiZ, DGZ, DGZMK: S3-Leitlinie „Fissuren- und Grübchenversiegelung“, Langfassung 2024, AWMF-Registernummer: 083-002, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-002

 

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