28.10.2015·Personal suchen, binden und fördern Was tun, wenn das Personal wegläuft?
·Personal suchen, binden und fördern
Was tun, wenn das Personal wegläuft?
von Jessica Greiff, Betriebswirtin im Gesundheitswesen und Inhaberin von Seminare am Johannisbollwerk in Hamburg
| Gutes Personal ist die wichtigste Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg einer Zahnarztpraxis. Daher stellt sich die Frage: Wie organisiert man eine durchdachte Personalsuche und – ebenso wichtig – wie binde ich gute Mitarbeiter langfristig an die Praxis? |
Geringe emotionale Bindung zum Arbeitsplatz: Ursachen?
Anhand von zwölf Fragen zum Arbeitsplatz und zum Arbeitsumfeld erstellt das Marktforschungsinstitut Gallup jährlich einen „Engagement-Index“ für Deutschland. Die letztjährige Gallup-Studie ergab: 70 Prozent der Befragten verspürten im abgelaufenen Arbeitsjahr eine „geringe emotionale Bindung“ zum Arbeitsplatz. Das bedeutet: geringe Motivation zur Arbeit und damit wenig Engagement bei der Arbeit. Irgendwann folgt dann die Gleichgültigkeit.
Die Frage nach dem Grad der Bindung der Mitarbeiter an ihr Unternehmen steht und fällt mit der Qualität der Führung. Der Spruch „Mitarbeiter kommen wegen des Jobs und gehen wegen des Chefs“ wird ebenfalls in der Gallup-Studie untermauert: 42 Prozent der emotional nicht Gebundenen erwogen in den vergangenen zwölf Monaten, ihr Unternehmen wegen ihres Vorgesetzten zu verlassen. Jeder Vierte hat diesen Schritt schon einmal in seinem Berufsleben vollzogen und – um sich besser zu fühlen – wegen des Chefs gekündigt.
Anhand eines fiktiven, aber nicht untypischen Fallbeispiels wollen wir einige relevante Aspekte der Personalsuche und -bindung beleuchten.
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Julia, 21 Jahre jung: Vor sechs Monaten hat sie die Prüfung zur ZFA erfolgreich bestanden und sich aufgrund einer allgemeinen Stellensuche in einer Zahnarztpraxis beworben. Sie ist sehr motiviert und zeigt viel Interesse an ihrem Beruf. Auch die Praxis freut sich auf die Unterstützung, wo doch alle schon zu lange am Limit arbeiten. Es wird eine „Probe- und Kennenlernwoche“ verabredet. In der Praxis erwartet sie eine Mischung aus Assistenz am Behandlungsstuhl, die Annahme von Patienten an der Rezeption sowie die direkte oder telefonische Terminvergabe. Das Dokumentieren der Behandlungsleistungen in die Praxissoftware ist auch gewünscht. Nach der Woche ist dem Behandler eigentlich klar, dass Julia vor allem praktisch noch deutliche Defizite hat. Er bietet ihr dennoch einen Arbeitsvertrag an, denn der „Druck“, dringend jemanden zu brauchen, ist einfach zu groß.
Nach einigen Wochen – die Probezeit ist bereits abgelaufen – wird allen klar, dass hinsichtlich Anspruch und Wirklichkeit auf beiden Seiten deutliche Divergenzen bestehen. Die Praxis beklagt: Julia habe zu wenig Fachkompetenz, es müsse ihr zu viel Grundsätzliches gezeigt werden. Sie beherrsche die Software nicht ausreichend und ihr fehlten Kenntnisse in den Gebührenordnungen GOZ und BEMA. Beim Patientenempfang sei sie zwar höflich, dennoch fehle es an der Fähigkeit zum „Small Talk“. Julia beklagt: Der Behandler hätte zu wenig Zeit für sie und werde schnell ungeduldig. Sie kenne diese Art der Behandlungen und Abläufe nicht, fühle sich hilflos und alleingelassen. Es sei schwer, zwischendurch eine Kollegin zu erwischen, die ausreichend Zeit hat, Fragen zu beantworten und detailliert zu erklären. Deshalb probiert sie viel eigenständig aus, was auch zu Problemen führt. |
Aspekte der strukturierten Personalsuche
Die im Fallbeispiel beschriebene Vorgehensweise der Personalsuche ist in der Praxis sicher nicht unüblich. Die Verdichtung der Arbeitsprozesse, die erhöhte Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter im Falle einer vakanten Stelle erhöht schließlich mit fortlaufender Zeit den Druck auf alle Praxisbeteiligten. Eine Ad-hoc-Einstellung verbessert dann – zumindest „gefühlt“ – die Situation, kostet am Ende aber vielleicht noch mehr Nerven, Zeit und Geld.
Wie plant man also besser? Zunächst ist es ratsam, ein exaktes Stellenprofil zu entwickeln. Wird in der Praxis mit einem Qualitätsmanagementsystem (QMS) gearbeitet, steht die Stellenbeschreibung bereits fest. Aus der Beschreibung muss neben der Position (Assistenz, Rezeption usw.) eindeutig herauslesbar sein, welche elementaren Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten an sie geknüpft sind. Auch müssen die Schnittstellenfunktionen klar formuliert sein.
Eine Checkliste für eine Stellenbeschreibung können Sie auf unserer Website (pi.iww.de) unter der Rubrik „Praxisführung“ aufrufen.
Checkliste / Stellenbeschreibung |
Nachdem formuliert wurde, welche Bedeutung die Stelle innerhalb der Praxis hat und welche Aufgaben damit verbunden sind, beginnt der nächste Schritt: die Entwicklung eines Anforderungsprofils. Nun heißt es herauszufinden, welche fachlich-methodischen („hard skills“), aber auch sozialen Kompetenzen („soft skills“) erforderlich sind, um genau diese Stelle optimal zu besetzen. Je klarer und eindeutiger sich die Beteiligten – das heißt Praxisinhaber bzw. Behandler und das Personal – mit den erforderlichen Kernkompetenzen auseinandersetzen (zum Beispiel in Teamsitzungen), desto präziser und aussagekräftiger wird die Stellenanzeige.
Anschließend muss sich die Praxis entscheiden, welche Veröffentlichungskanäle der Personalsuche sie nutzen möchte: Zeitungsannonce (Tageszeitung, Verbandszeitungen); Zahnärztekammern, Personalvermittler; Zeitarbeitsvermittlung (zum Beispiel op-rufdienst.de); Messen (zum Beispiel Praxisstand bei der Fachtagung des VmF e.V. im November 2015 in Hamburg); eigene Poster für Schwarzes Brett (Sportvereine, Berufsschule, Volkshochschule); Social-Media-Plattformen wie Facebook, Xing, LinkedIn; Praxis-Homepage; Mundpropaganda oder Flyer (Mitarbeiter, Depots, Labore, Patienten, Freunde). Ein kleiner Tipp dazu: Gestalten Sie außergewöhnliche Postkarten. Beispiel: „Personalloch in Zahnarztpraxis sucht passende Füllung!“ |
Trotz des demografischen Wandels und der allgemeinen Personalknappheit erhalten die Praxen durchaus auch Initiativbewerbungen von arbeitsuchenden Fachkräften. Bei der Selektion der Bewerbungen ist es sinnvoll, sich im Vorfeld über Ausschlusskriterien Gedanken zu machen, um so die Anzahl der einzuladenden Bewerber zu beschränken. Allgemein wird unterteilt in:
- Unabdingbare persönliche Voraussetzungen (zum Beispiel spezielle Fachkenntnisse, Sprachkenntnisse, Mobilität etc.).
- Unabdingbare personenunabhängige Fakten (zum Beispiel Einkommensforderungen nicht über Summe XY; kein Branchenfremder etc.).
- Negativliste: Diese Liste stellt die Praxis nach eigenen Kriterien auf, zum Beispiel: Unregelmäßigkeiten im Lebenslauf, zentrale Anforderungen werden nicht erfüllt, überzogene Gehalts- oder Urlaubsvorstellungen. Tipp: Bei Unklarheit hilft oft ein Anruf beim Bewerber, um den Sachverhalt zu klären.
So erhält man Raum für wichtige Fragen im Rahmen des Bewerbungsgesprächs. Zunächst sollten eine überschaubare Anzahl von Bewerberinnen eingeladen werden. Die Termine hierzu sind unbedingt so zu legen, dass keine Termine Druck erzeugen oder das Gespräch dauernd gestört wird.
Verlassen Sie sich am Ende der Gespräche und bei Ihrer Entscheidung durchaus auf Ihr „Bauchgefühl“, aber sichern Sie es durch „harte Fakten“ (Anforderungsprofil, Passgenauigkeit, Negativliste, s.o.) ab. Dadurch wird verhindert, dass sich die Praxis mit einer „Notlösung“ zufrieden gibt.
Dazu neigen Personalentscheider, wenn eine Stelle möglichst zeitnah besetzt werden soll. Ehemals sinnvoll festgelegte Qualitätskriterien werden dann über Bord geworfen und es zeigt sich nach ein paar Wochen, vielleicht auch erst nach Monaten, dass Bewerber- und Anforderungsprofile nicht deckungsgleich sind. Die Personalsuche ist also keine „Nebentätigkeit“ für den Vorfeierabend. Sie sollte professionell geplant und durchgeführt werden. Gutes Personal ist selten, sicher teurer, aber definitiv lohnenswert für die Ökonomie und Ökologie (Arbeitsatmosphäre, Teambildung) einer Praxis.
Wie kann man gutes Personal halten?
Ist gutes Personal im Haus, ist es ratsam, weiterhin am Ball zu bleiben. Die Aufgabe der Personalpflege bzw. Personalbindung im Rahmen der Mitarbeiterführung liegt auch hier eindeutig in der Verantwortlichkeit der Behandler bzw. Praxisinhaber. Sie sind in der Initiativpflicht, sollten sensibel sein für „negative Schwingungen“ unter ihren Mitarbeiterinnen und sich frühzeitig Gedanken machen, wie Sie den Anzeichen der Unzufriedenheit begegnen wollen. In diesem Zusammenhang wollen wir das Fallbeispiel „Julia“ wieder aufgreifen. Sie hat sich wider Erwarten gut entwickelt.
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Julia arbeitet nun bereits seit vier Jahren in der Praxis. Sie hat sich trotz beschwerlicher Anfangsphase in der Praxis etabliert. Ihr Chef ist mit Julias fachlicher Arbeit und ihrer Integration sehr zufrieden. Sie erledigt ihre Aufgaben gewissenhaft und sorgfältig, ist immer interessiert daran, etwas dazu zu lernen, und hat sich im Team gut angepasst. Bereits nach zwei Jahren hat Julia bemerkt, dass sie ihre Arbeitsinhalte sehr gut beherrscht. In der Praxis macht ihr auf ihrem Gebiet niemand mehr etwas vor. Sie möchte sich weiterentwickeln, Neues lernen, fragt nach Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten. Ihr Chef reagiert lange Zeit nicht auf ihre Ambitionen – das Tagesgeschäft drückt, die Personalsituation ist doch eigentlich gut und entspannt. Julia konfrontiert ihn eines Tages mit ihren Abwanderungsplänen, möchte die Praxis wechseln. Er ist völlig überrascht und verwundert. |
Wie lässt sich mit dieser Situation umgehen – oder besser: Wie lässt sie sich verhindern? Lassen sich Mitarbeiter bezüglich ihrer Leistung kategorisieren?
Potenzialanalyse und Mitarbeitergespräch
Fest steht: Die guten Mitarbeiter sind oft diejenigen, die bezüglich eines Arbeitsplatzwechsels am mutigsten und zielstrebigsten sind. Sie gehen zuerst. Es muss also frühzeitig gegengesteuert werden. Welche Methoden eignen sich zur Mitarbeiteridentifikation und Mitarbeiterbindung?
Die Potenzialanalyse
Als Praxischef oder Teamleitung sollten Sie sich nach einiger Zeit der Beobachtung im Klaren darüber sein, über welche Potenziale Ihre Teammitglieder individuell verfügen. Im Idealfall haben Sie bereits das Team von Beginn an genau auf ein ausgeglichenes Stärken-Schwächen-Portfolio zusammengestellt. Die beiden interdependenten Paradigmen, aus denen sich ein Einordungsschema zusammensetzt, sind die allgemeine Leistungsbereitschaft und die potenzielle Leistungsfähigkeit.
Die potenzielle Leistungsfähigkeit definiert sich aus den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Was bringt eine Mitarbeiterin an Fachwissen und praktischen Kompetenzen mit? Aber auch: Über welche motorischen oder psychosozialen Fähigkeiten t- zum Beispiel Konfliktfähigkeit – verfügt sie, wie ausgeprägt sind Intelligenz, Auffassungsgabe oder Konzentrationsfähigkeit? Eine Mitarbeiterin mit Rechtschreibschwäche wird selbstverständlich nicht die Arztbriefe schreiben und ein vom Wesen her zurückhaltendes Teammitglied ist im kommunikationsintensiven Bereich eher fehl am Platze.
Variabler ist der Bereich der allgemeinen Leistungsbereitschaft. Bedürfnisse und Interesse können gezielt geweckt, Verantwortungsbewusstsein übertragen, Wissen und Können geschult, Erfahrungen gemacht werden. Mitarbeiterschulungen, die Wahrnehmung von Weiter- und Fortbildungsangeboten sollte regelmäßig thematisiert werden. Vor allem darf die Motivation an persönlicher Entwicklung seitens der Mitarbeiterinnen nicht geblockt, sondern sie sollte sensibel in Gesprächen diskutiert werden.
Aus dem Zusammenspiel der beiden Dimensionen – allgemeine Leistungsbereitschaft und potenzielle Leistungsfähigkeit – setzt sich das menschliche Potenzial zusammen. Damit sind für den Personalverantwortlichen bestimmte Grenzen, aber auch gleichzeitig Möglichkeiten des Arbeitsplatzeinsatzes erkennbar. Im Praxisalltag werden diese Kriterien häufig ganz automatisch und intuitiv berücksichtigt: Es ergibt sich fast automatisch, wer die Abrechnung macht oder das Kassenbuch führt. Dennoch lohnt sich der intensive Blick auf die menschlichen Potenziale. Mitarbeiter mit einer hohen Leistungsbereitschaft („Will und kann“) und hoher Leistungsfähigkeit gehören zu den sogenannten „Karrieretypen“. Sie benötigen immer wieder inhaltliche Anreize, Schulungen und im Praxisbetrieb verantwortungsvolle Aufgaben- und Arbeitsbereiche. Des Weiteren sollte der Identifikationsgrad mit Arbeit, Team und Praxisbetrieb durch eine vorausschauende Mitarbeiterführung stets hoch gehalten werden, um die gute Mitarbeiterin zu halten.
Eine Mitarbeiterin vom Typ „Will/kann nicht“ signalisiert eine hohe Leistungsbereitschaft, ihr mangelt es aber an notwendigen Kompetenzen zur Erfüllung der Aufgaben. Der richtige Weg ist, die Mitarbeiterin durch Teilnahme an Schulungen gezielt zu fördern, interne oder externe Hospitationen zu vermitteln und/oder ihr innerhalb der eigenen Praxis eine (erfahrene) Lernpatin zur Seite zu stellen, die klar definierte Coaching-Aufgaben übernimmt.
Eine Herausforderung für eine Praxis ist eine Mitarbeiterin, die weder die nötigen Fähigkeiten noch die Bereitschaft zur Erfüllung ihrer Aufgaben besitzt (Typ: „Kann nicht/will nicht“). Hier muss man genau hinschauen: Passen Aufgabe und Arbeitsbereich vielleicht nicht? Sind fehlende Fachkompetenzen noch erlernbar? Spielen „weiche Faktoren“ wie Teamkonstellationen oder private Probleme eine bremsende Rolle? Ebenso herausfordernd ist eine Mitarbeiterin vom Typ „Kann, will aber nicht“. Nach offenen Gesprächen sind es vor allem motivationsfördernde Aktionen, die gegensteuern können.
Die Relevanz des Mitarbeitergesprächs
Grundlage zum Erkennen von „besonderen Fähigkeiten“ ist das Mitarbeitergespräch. Neben der Arbeitsbeurteilung stehen Zielvereinbarungen im Fokus. Das Gespräch sollte regelmäßig stattfinden und klar strukturiert sein. Arbeitshilfen für die Vorbereitung und Durchführung des Gesprächs können Sie dem Download-Bereich der PI-Website unter „Praxisführung“ entnehmen, und zwar: ein Merkzettel zur Vorbereitung des Vorgesetzten, ein Mitarbeiterbogen für das Jahresgespräch und eine Auswertung der Zielvereinbarung.
Maßnahmen werden gemeinsam besprochen und können inner- oder außerhalb der Praxis stattfinden. Beispiele für Maßnahmen innerhalb der Praxis: Arbeitsplatzwechsel, Projektarbeit, Trainerfunktion, Managementaufgaben, Patenfunktion, interne Referentenfunktion. Beispiele für Maßnahmen außerhalb der Praxis: Seminare, Einzelschulungen, Hospitationen, Supervisionen.
FAZIT | Das Suchen von guten Mitarbeitern und deren Bindung an das Unternehmen ist ein, wenn nicht der wichtigste Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg. Der Personalbereich ist eine, wenn nicht die wichtigste Stellschraube im Praxismanagement. Mitarbeiter, die sich wahrgenommen, gelobt und gefördert fühlen, bringen mehr Leistung. Ehrlichkeit, Transparenz, Anerkennung und Respekt auf den Personalebenen sind dabei wichtige Grundwerte, die von allen Beteiligten gelebt werden sollten. Es wird sich auf Dauer auszahlen. |