12.10.2015·Aktuelle Rechtsprechung Neue Urteile: Umfang der Dokumentation, Wegfall des Honoraranspruchs, Sachverständigenbeweis
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Neue Urteile: Umfang der Dokumentation, Wegfall des Honoraranspruchs, Sachverständigenbeweis
von RA Norman Langhoff, Roever Broenner Susat Mazars, www.rbs-partner.de
| Dieser Beitrag enthält aktuelle Entscheidungen mit Relevanz für die Praxis. Hohe Anforderungen stellen beispielsweise das Landgericht (LG) Mönchengladbach an die Dokumentation der Verweigerung einer Behandlung durch den Patienten und das Oberlandesgericht (OLG) Köln an die „völlige Unbrauchbarkeit“ einer prothetischen Versorgung mit dem damit verbundenen Wegfall des Honoraranspruchs. |
Behandlungsverweigerung: Hohe Anforderungen an die Dokumentation
Weil die beklagte Zahnärztin nicht beweisen konnte, dass die Patientin auf der Grundlage ordnungsgemäßer Aufklärung eine indizierte Wurzelkanalbehandlung abgelehnt hatte, sprach das LG Mönchengladbach ihr zwar einen Anspruch auf Schadenersatz (Nachbehandlungskosten) zu, lehnte aber ein Schmerzensgeld ab (Urteil vom 7.1.2015, Az. 4 S 74/14, Abruf-Nr. 145432 unter pi.iww.de).
Die Zahnärztin hatte unter Verweis auf die Patientendokumentation vorgetragen, eine Trepanation „empfohlen“ zu haben. Zugleich war vermerkt worden, die Patientin habe noch warten wollen. Das LG Mönchengladbach verwies unter Hinweis auf die Aufklärungspflicht darauf, dass über „insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie“ aufzuklären sei.
Der Behandlungsdokumentation sei nicht zu entnehmen, wie und in welchem Umfang die Aufklärung erfolgte und ob sich die Patientin ein ausreichendes Bild davon machen konnte, was die Konsequenzen ihrer Entscheidung waren, von einer Behandlung abzusehen. Da der Behandler die ordnungsgemäße Aufklärung nachweisen muss, gingen die nach Auffassung des Gerichts bestehenden Unklarheiten zulasten der Zahnärztin. Hier wird ein erhöhter Dokumentationsaufwand gefordert.
Auch weitere mögliche Einwände waren im konkreten Fall nicht erfolgreich: Die Vernehmung einer Praxismitarbeiterin über den Inhalt des Aufklärungsgesprächs blieb unergiebig, weil diese beim Gespräch nicht anwesend war. Auch der Hinweis, es werde immer auf die Folgen unterbliebener Wurzelkanalbehandlungen hingewiesen, nutzte nichts: Das Gericht war nicht davon überzeugt, dass eine entsprechende Aufklärung stattgefunden hatte, weil sich die Zahnärztin nicht konkret an die Aufklärungssituation erinnern konnte.
Kommentar des Verfassers zum Urteil: Zumindest die letztgenannte Argumentation überrascht, wenn man bedenkt, dass nach gefestigter Rechtsprechung dem Behandler hinsichtlich der Aufklärungsinhalte geglaubt werden soll, wenn der Beweis für ein Aufklärungsgespräch – wie hier – erbracht wurde.
Kein Wegfall des Honorars, weil der Patient die Prothese sechs Jahre lang getragen hat
Auch wenn Behandlungsfehler vorliegen, bleibt der Vergütungsanspruch bekanntlich bestehen, solange die zahnprothetische Leistung nicht völlig unbrauchbar ist. Das OLG Köln stellte in einem Beschluss vom 30. März 2015 (Az. 5 U 139/14, Abruf-Nr. 145430) fest: Der Annahme völliger Unbrauchbarkeit stehe es entgegen, wenn ein Patient die Versorgung seit mehr als sechs Jahren in unveränderter Form trage. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob die Leistungen die behaupteten Mängel tatsächlich aufweisen. Auch eine objektiv wertlose Versorgung stelle einen wirtschaftlichen Wert für den Patienten dar, wenn er sie gleichwohl – jahrelang – nutzte. Dabei spiele es keine Rolle, aus welchem Grund sie noch getragen werde – etwa aus Gründen der Beweissicherung oder aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen. Völlig unbrauchbar sei eine Versorgung auch dann nicht, wenn der Verbleib im Mund mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden ist.
Kein Anwesenheitsrecht des Behandlers bei der Begutachtung durch einen Sachverständigen
Erwartungsgemäß hat das OLG München die Beschwerde gegen ein erfolgloses Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen zurückgewiesen (Beschluss vom 1.6.2015, Az. 24 W 881/15, Abruf-Nr. 145431).
Der Patient war vom gerichtlich bestellten Sachverständigen befragt und untersucht worden. Der beklagte Behandler war zur Befragung nicht geladen. Erfolglos wandte er ein, der Patient habe damit Gelegenheit gehabt, außerhalb der Vortragsregeln der Zivilprozessordung ohne Beisein des beklagten Zahnarztes seine subjektive Sicht der Geschehnisse – inklusive der Bewertung der Abläufe – dem Sachverständigen zu schildern und damit Einfluss auf das Gutachten zu nehmen.
Zwar wird in der Gerichtspraxis ein Anwesenheitsrecht der Parteien bei Begutachtungsterminen anerkannt. Die ärztliche Untersuchung einer Partei durch einen Sachverständigen wird dagegen seit langem anders behandelt als beispielsweise eine Ortsbesichtigung des gerichtlichen Sachverständigen. Begründung: Bei der Untersuchung einer Person durch einen ärztlichen Sachverständigen wird in den Intimbereich eingegriffen. Die Abwägung des Schutzes der Menschenwürde mit den Interessen der Gegenpartei wird regelmäßig dazu führen, dass diese bei der Untersuchung kein Anwesenheitsrecht hat. Das gilt laut dem Urteil auch für das Anamnesegespräch. Die Einwilligung der Partei in eine Untersuchung umfasst demnach nicht stillschweigend auch die Einwilligung in die Anwesenheit des Prozessgegners.
Weiterführender Hinweis
- Beachten Sie dazu auch den Beitrag „Kein automatischer Wegfall des Vergütungsanspruchs bei mangelhafter Prothetik“ in PI 11/2013, Seite 17.