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28.02.2020·Prothensenhygiene Der unsichtbare Feind ‒ die Prothesenhygiene

·Prothensenhygiene

Der unsichtbare Feind ‒ die Prothesenhygiene

| Der Titel der Überschrift soll zum Nachdenken anregen. Die Bedeutung und Notwendigkeit der Hygiene von herausnehmbarem zahn- und/oder implantatgetragenem Zahnersatz kann nicht genug betont werden. Schmutzige, verunreinigte Zahnprothesen sind nicht nur im sozialen Umgang inakzeptabel ‒ unstrittig besteht auch ein direkter Zusammenhang zwischen solchen Zahnprothesen und Entzündungen der Oralmukosa. In Zeiten des Corona-Virus sind Patienten sensibilisiert und aufmerksamer, wenn es um Pflegehinweise für Zahnprothesen und deren Umsetzung geht. |

Warum Zahnprothesen gereinigt werden müssen

Nicht nur für die natürlichen Zähne ist Zahnbelag ein Problem, sondern auch für künstliche Zähne. Ein Belag bildet sich überall dort, wo Essensreste nicht entfernt werden ‒ da machen künstliche Zähne keine Ausnahme. Zahnbeläge an Prothesen stellen ein Reservoir von Mikroorganismen dar, die auch für Restzähne und Implantate ein Risiko für Karies und Parodontitis darstellen. Zudem setzt sich Zahnstein auch an Verbindungselementen von Zahnprothesen fest, die für einen optimalen Halt sorgen sollen. Auf der Kunststoff- und Metalloberfläche von Zahnprothesen bildet sich ein Biofilm, der sich von der Plaque auf Zähnen insbesondere durch häufiges Vorkommen von Hefepilzen (Candia-Arten) unterscheidet. Die Reinigung kontaminierter Zahnprothesen ist in erster Linie für den Patienten, aber auch für die Gesundheit der Betreuer, des Pflege-, Praxis- und zahntechnischen Personals wichtig.

 

Zu der Flora, die sich unter den Prothesenbasen entwickelt, gehören auch einige hoch pathogene Pneumonieerreger wie Klebsiellen, Serratien, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) und Acinetobacter. Mikrobielles Spektrum in Prothesenplaque ist ein Risiko für gefährliche Atemwegserkrankungen. Pathogene Mikroorganismen im dentalen Biofilm können besonders von bettlägerigen Bewohnern in Pflegeheimen, deren Lungen schlechter belüftet werden, zu Pneumonien mit Todesfolge führen.

Pflege von Zahnprothesen

Das Zähneputzen im Alter fällt oft schwerer, weil die Feinmotorik nachlässt. Es ist dennoch wichtig, dass Zähne, Implantate und Zahnprothesen gründlich gereinigt werden, um Mundgeruch, Entzündungen am Zahnfleisch und Karies zu vermeiden. Für die Prothesenpflege gibt es verschiedene Reinigungsmittel wie etwa Pulverreiniger oder Reinigungstabletten, die eine Desinfektionswirkung bieten und die Reinigung der Prothese unterstützen. Sie können jedoch die regelmäßige tägliche Reinigung mit der Bürste nicht ersetzen.

 

Teilweise kuriose Zahnprothesen-Pflege durch Patienten

Fragt man Patienten nach der Art und Weise, wie sie gewöhnlich ihre Zahnprothesen reinigen, hört man mitunter Merkwürdiges. Zu den kurioseren Antworten zählen Tauchbäder in Kaffeemaschinenreiniger, eine Beilage in den Waschgang der Geschirrspülmaschine oder in die Mikrowelle.

 

Die Idee mit der Mikrowelle funktioniert prinzipiell gut, da bei einer handelsüblichen Frequenz von 2,5 GHz das Absterben von Mikroorganismen auf und im Prothesenkunststoff derart greift, dass beinahe von einer Sterilisierung gesprochen werden kann. Die Zahnprothese muss dabei allerdings in einer wässrigen Lösung eingelegt sein. Es fehlt jedoch der Reinigungseffekt und es kommt durchaus zu Veränderungen im Kunststoff der Prothesenbasis. Zahnprothesen mit Metallbasis und/oder Metallklammern sind zudem nicht für die Mikrowelle geeignet. Kernseife und Spülmittel sind immerhin noch positiv zu werten, da der intensive und unangenehme Geschmack nur durch intensives und längeres Putzen entfernt werden kann.

 

Sicher haben alle Methoden ihre spezifische Wirkung. Natürlich vermag etwa die Essigsäure, wie sie im Apfelessig in verdünnter und im Kaffeemaschinenreiniger in konzentrierter Form enthalten ist, Mineralisationen auf der Prothesenoberfläche zu lösen. Doch muss der Patient es überhaupt soweit kommen lassen, dass sich „Kalk“ auf seiner Zahnprothese ablagert? Grundsätzlich sollten bei Verwendung von Reinigungsmitteln die jeweiligen Anwendungsvorschriften genau beachtet werden.

 

Prothesenpflege in der Nacht

Zahnprothesen sollten nachts aus dem Mund genommen und trocken gelagert werden, um die Überlebenschance von Keimen zu reduzieren, wobei es auch andere Meinungen gibt. Das 24-Stunden-Tragen ist die Hauptursache für Prothesenstomatitiden. Die Besiedelung mit der Stomatitis auslösenden Candida albicans verringert sich dadurch erheblich, ohne dass weitere Maßnahmen erforderlich sind. Haftmittel für Prothesen stellen kein zusätzliches Risiko dar, wenn die Reste im Rahmen der täglichen Mund- und Prothesenreinigung gründlich entfernt werden. Eine saubere und geruchsfreie Prothese bedeutet für viele Prothesenträger ein Stück Lebensqualität.

 

Pflege von Teilprothesen

Teilprothesen haben es mit zwei Sorten Biofilm zu tun ‒ der Zahn- sowie der Implantat-/Prothesenplaque. Eine mangelhafte Prothesenhygiene führt oftmals zum Verlust von wichtigen Pfeilern, ohne dass dies dem Patienten bewusst wird. Viele Patienten zeigen sich an detaillierteren Informationen zur Verbesserung der Mund- und Prothesenhygiene sehr interessiert. Dieses prinzipielle Interesse ist weder alters- noch geschlechtsabhängig und sollte im Hygienekonzept der Prophylaxeabteilung integriert sein.

 

Kontroverse Diskussionen zu Versiegelungen mit Kunststoff

Zahntechnische Maßnahmen bei der Herstellung von herausnehmbarem Zahnersatz, wie beispielsweise der Kunststoffverschluss von schwer zugänglichen Approximalräumen und eine Versiegelung der gesamten Außenflächen mit einer dünnen Kunststoffschicht, ist längst Standard. Ob diese Maßnahmen tatsächlich hilfreich sind, wird kontrovers diskutiert, da trotz Reduktion der Zahl an aeroben und anaeroben Keimen die Anzahl immer noch zur Bildung einer Prothesenstomatitis ausreicht. Bisher ist kein absoluter plaqueabweisender Prothesenkunststoff entwickelt worden.

 

Industriell hergestellte PMMA-Prothesenblanks werden zur Herstellung digital gefräster Totalprothesen verwendet. Die homogene Materialqualität bewirkt eine Reduktion von Porositäten, Lufteinschlüssen und Polymerisationsschrumpfungen. Studien zu dieser Thematik stehen jedoch noch aus.

 

PRAXISTIPP | Generell ist wichtig, dass die Prothesenträger alters- und persönlichkeitsgerechte Instruktions- und Motivationsmaßnahmen erhalten. Das bedeutet, dass sich der „Prothesenreinigungsplan“ an den jeweilig individuellen Erfordernissen und Möglichkeiten der Patienten und der Gestaltung von Teil-, Total- und Hybridprothesen orientieren muss. Implantatbedingte Verbindungselemente, die basal in die Zahnprothesen eingearbeitet werden, bedürfen einer individuellen Schulung der Pflegehandhabe in der Propylaxeabteilung.

 

Prothesenplaque ‒ Entfernung nur durch Profis

Die Ablagerungen auf einer Prothese sind individuell unterschiedlich und hängen nicht zuletzt von der Quantität und der Qualität des Mundspeichels ab. Die Verschmutzung der Prothesen erfolgt in aller Regel in zwei aufeinanderfolgenden Phasen. Nahrungsreste und strukturgebende Bestandteile des Schleims auf Schleimhäuten (Muzine) ‒ die im Anfang noch sehr leicht zu entfernen sind ‒ lagern sich, wenn sie dort verbleiben, auf der (Kunststoff-)Basis und auf den konfektionierten Zähnen ab. Diese unterste Schicht der Prothesenplaque fungiert dann als eine Matrix für anschließende Verfärbungen, wie sie sich z. B. aus Tabakkondensat oder bestimmten Lebensmitteln bzw. Getränken ergeben. Im Stadium der Verfärbung ist Plaque bereits schwieriger zu entfernen.

 

Prothesenplaque ist derjenigen auf natürlichen Zähnen und Implantaten in der Zusammensetzung relativ ähnlich; außer der Matrix umfasst sie dementsprechend ein großes Spektrum an Mikroorganismen, die die Mundschleimhaut beeinträchtigen können. Wartet man mit der Entfernung der Beläge zu lange, so kommt es allmählich zur Kalzifizierung der Plaque und damit letztlich sogar zur Ausbildung von „Prothesenstein“. Dieser ähnelt qualitativ dem Zahnstein und ist wie dieser nur sehr schwer und deshalb in der Zahnarztpraxis bzw. im Labor professionell zu entfernen. Dabei sollten auch keimreduzierende Maßnahmen erfolgen.

 

Einsatz spezieller Zahnbürsten kann sinnvoll sein

Zur intensiven Reinigung der Zahnprothese muss nicht unbedingt eine spezielle Prothesenzahnbürste verwendet werden, eine normale Bürste aus dem Drogeriemarkt reicht aus. Dennoch sind spezielle Prothesenzahnbürsten nicht überflüssig, zumal spezielle Griffaufsätze verwendet werden können, wenn die Feinmotorik nachlässt. Durch ihre besondere Form und Anordnung der Borsten wird die Reinigung der etwas schwerer zugänglichen Flächen erleichtert. Der dickere Griff ermöglicht es, die Prothesenbürste besser festzuhalten. Alternativ kann eventuell eine Fingernagelbürste hilfreich sein, die ausschließlich für die Prothesenreinigung zu verwenden ist.

 

Maßnahmen zur Prothesenreinigung

Das Erfordernis zur sorgfältigen Reinigung und Pflege besteht bei Teil- und Vollprothesen gleichermaßen, will man schlechtem Mundgeruch und insbesondere Schädigungen von Mukosa, Restzähnen und dentalen Implantaten vorbeugen. Einbußen an Ästhetik sollen vermieden und die Anhäufung von Plaque und Zahnstein mit ihren schädlichen Auswirkungen auf die Schleimhaut verhindert werden.

 

Es ist deshalb erforderlich, Patienten und Bezugspersonen über die optimale Prothesenpflege zu informieren und sie ‒ im Hinblick auf das am besten geeignete Reinigungsverfahren ‒ zu beraten und aktiv in der altersgerechten Prophylaxe einzubinden. Für die Zahnprothesenreinigung bei Risikopatienten ist mit der Pflegeeinrichtung bzw. dem zuständigen Pfleger ein individueller Hygieneplan für Zahnprothesen zu erstellen.

 

Die verwendeten Prothesenreiniger sollten

  • Plaque wirkungsvoll entfernen
  • gegen Verfärbungen wirken
  • antibakteriell wirksam und nicht toxisch sein
  • unschädlich gegen alle bei Zahnersatz verwendeten Materialien sein
  • keinen schlechten Geschmack oder Geruch haben
  • nicht korridierend auf metallische Teile einer Zahnprothese wirken
  • Lagerungsstabilität besitzen.

 

Die Kombination mechanischer und chemischer Methoden (Konzentrate saurer Reinigungslösungen auf der Basis von Phosphorsäure) ist ideal ‒ die spezielle Aufmerksamkeit sollte der basalen Seite gelten. Bei jedem Zahnarztbesuch empfiehlt sich eine routinemäßige Desinfektion (Tauchbad) und Reinigung (Ultraschall- oder Nadelbad).

 

PRAXISTIPP | Je weniger die Patienten zur selbstständigen Reinigung fähig sind, desto wichtiger ist die Reinigung der Basalflächen. Bei Risikopatienten ‒ also hospitalisierten, dementen und immunkompromittierten Prothesenträgern ‒ kann die Prothesenhygiene lebenswichtig sein und sollte nach einem festen Regime durch Angehörige oder Pflegepersonen durchgeführt werden. Hier sind chemische Prothesenreinigungstabletten und eine in regelmäßigen Abständen durchgeführte Desinfektion Pflicht.

 

Bei sehr hohem Risiko, wie z. B. im Rahmen einer Stammzelltransplantation mit vorausgegangener Chemotherapie, kann es sogar sinnvoll sein, herausnehmbaren Zahnersatz vorübergehend gar nicht zu tragen, um jedes Infektionsrisiko zu minimieren. Dabei ist implantatgetragener herausnehmbarer Zahnersatz mit eingearbeiteten Verbindungselementen, die teils sehr empfindlich auf Fehlbehandlungen reagieren (z. B. Nyloneinsätze Locator), nach Anleitung durch die Praxis mit geeigneten Bürsten vorsichtig zu reinigen.

 

Hinweise zum Ablaufplan der Zahnprothesenhygiene

Entwickeln Sie ein eigenes Informationsschreiben mit Praxislogo für Ihre Patienten. In der nächsten Ausgabe stellen wir Ihnen Textbausteine zu unterschiedlichen Aspekten der Prothesenreinigung vor. Je nach Patientenklientel und Art der Zahnprothesen können Sie Ihre Empfehlungen selbst zusammenstellen und das individuelle Informationsschreiben Patienten aushändigen. Somit können die Hygienemaßnahmen zu Hause jederzeit nachgelesen und umgesetzt werden, vor allem wenn das Gedächtnis nicht mehr vollkommen in Takt ist.

Methoden zur Prothesenreinigung

Geriatrische oder behinderte Patienten sind bei dieser notwendigen Reinigungsleistung auf die Hilfe Dritter angewiesen (Pflegekräfte, Angehörige).

 

Mechanisch reinigende Produkte

Zu den Materialien, die mechanisch wirken, zählen Markenzahncremes, spezielle Prothesenpulver bzw. -schäume und Ultraschallgeräte. Zur wirkungsvollen Entfernung von Plaque und Verfärbungen enthalten diese Reiniger milde Schleifmittel, z. B. Calciumcarbonate oder Calciumphosphate. Prothesenreiniger dürfen die Basismaterialien der Zahn-/Hybridprothese nicht schädigen, was auch für Unterfütterungsmaterialien gelten muss.

 

Chemisch reinigende Produkte

Chemische Reinigungsprodukte sind als Tabletten oder Pulver erhältlich und bieten eine wirksame Lösung nach dem Zusatz von (Leitungs-)Wasser. Zu den Einweichmaterialien zählen alkalische Hypochlorite, verdünnte organische und anorganische Säuren, Peroxide, Desinfektionsmittel und Enzymate. Eine Reinigung von Zahnprothesen in chemischen Prothesenreinigern (CPR) reicht als Hygienemaßnahme nicht aus, sondern muss grundsätzlich durch die mechanische häusliche Reinigung unterstützt werden. Die Pflegetipps von Verbindungselementen in der Zahnprothese sind zu beachten.

 

In der Praxis erfolgt eine gründliche Prothesenreinigung im Desinfektionsbad (ca. 10 Min.). Die antimikrobielle Lösung dringt in die feinen Rauigkeiten des Kunststoffs ein und verringert effektiver die Keimbesiedelung als bei häuslichen Maßnahmen. Einer Zahnarztpraxis und dem Labor stehen Konzentrate saurer Reinigungslösungen auf der Basis von Phosphorsäure zur Verfügung (z. B. Dentaclean, Fa. Bredent), die in Ultraschallgeräten verwendet werden. In den Nadelbädern (z. B. Micro Clean, Fa. Schütz Dental) befinden sich auch Reinigungslösungen und feine Stahlnadeln, die über einen Magneten bewegt werden und somit auch schwierig zugängliche Bereiche wie Geschiebematrizen und Sekundärteleskopkronen mechanisch aufbereiten sowie die Oberfläche der Zahnprothese polieren.

 

Als angeblich „sanfte“ Mittel zur häuslichen Anwendung werden mitunter Essig- und Zitronensäure empfohlen. Diese lösen aber nur auf Kalk basierende Ablagerungen auf. Der Biofilm mit den dort lebenden Mikroorganismen widersteht diesem Angriff dagegen nahezu unbeschadet, weil es keine mechanische Reinigungskomponente gibt. Ähnlich „sanft“ soll Backpulver wirken. Es enthält ein Hydrogencarbonat und ein sauer reagierendes Salz der Phosphorsäure. Im Wasser dissoziieren diese Verbindungen und setzen sich sichtbar sprudelnd frei. Davon erhofft man sich eine mechanische Reinigung. Die gelingt aber nur bedingt ‒ letztlich ist Backpulver viel zu sanft, um eine keimmindernde und plaquelösende Wirkung zu haben.

 

FAZIT | Patienten werden oftmals nur unzureichend über die Notwendigkeit und die möglichen Methoden der Zahnprothesenreinigung informiert und zu wenig aktiv in Pflegeinstruktionen eingebunden. Packen wir es an und motivieren die Patienten, a‒ soweit möglich in Eigenregie sowie zwei- bis viermal pro Jahr ‒ in der Praxis professionelle Hygienemaßnahmen zum Erhalt ihrer Gesundheit vorzunehmen.