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27.04.2018·Prothetische Versorgungen Die Risiken und Nebenwirkungen bei Zahnbehandlungen mit Auslandsberührung

·Prothetische Versorgungen

Die Risiken und Nebenwirkungen bei Zahnbehandlungen mit Auslandsberührung

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Norman Langhoff, LL.M., Mazars Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin, www.mazars.de

| Im Rahmen von prothetischen Versorgungen können sich sowohl aus Patienten- als auch aus Behandler-Sicht Berührungspunkte mit ausländischen Leistungserbringern ergeben. Der Beitrag beleuchtet die Fallstricke. |

Günstiger Zahnersatz aus dem Ausland aus Behandlersicht

Die Kosten zahnmedizinischer Versorgung im europäischen und nicht europäischen Ausland sind vielfach geringer als in Deutschland. Aus Behandlersicht können vor allem günstige Laborkosten relevant sein. Eine Partizipation des in Deutschland behandelnden Zahnarztes an den Kostenvorteilen ist jedoch rechtlich problematisch, wie mehrere Ermittlungsverfahren Anfang der 2000er-Jahre öffentlichkeitswirksam verdeutlicht haben (z. B. der sog. „Globudent-Skandal“).

 

Hier wurden die Kostenvorteile, die durch die günstigere Fertigung von Zahnersatz im Ausland erzielt wurden, weder an die Krankenkassen noch an die Patienten weitergereicht. Vielmehr erhielten die Zahnärzte aus diesen Differenzbeträgen eine Rückvergütung. Die Abrechnung zahntechnischer Leistungen in Höhe der Kosten, wie sie bei Fertigung in einem deutschen Labor nach damaliger Rechtslage entstanden wären, stellte sich danach als Betrug sowohl gegenüber und zulasten der Krankenkassen als auch der Patienten dar.

 

Seit dem 01.01.2005 gilt das Festzuschuss-System, nach dem die Höhe des Kassenzuschusses für Zahnersatz nicht mehr von Art und Umfang der tatsächlich geplanten bzw. durchgeführten Leistungen abhängt. Damit dürfte ein vormals gefährlicher Anreiz entfallen sein. Es bleibt jedoch dabei, dass realisierte Rabatte ‒ gleichermaßen für in aus- und inländischen Zahnlaboren gefertigte prothetische Arbeiten ‒ an den Patienten weitergegeben werden müssen. Ausgenommen hiervon sind Skonti (OLG Koblenz, Beschluss vom 23.09.2004, Az. 10 U 90/04: 3 Prozent Skonto).

Zahnersatz im Ausland tatsächlich kostengünstiger?

Für den Patienten bedeutet das Festzuschuss-System zwar einerseits Transparenz bei den Behandlungsalternativen und den korrelierenden Kosten. Es ist aber tendenziell auch mit einer erhöhten Kostenbelastung verbunden. Die gemäß § 13 Abs. 4 SGB V vorgesehene Möglichkeit, Behandlungsleistungen auch im EU-Ausland in Anspruch nehmen zu können, mag daher eine echte Option darstellen. Diese Voraussetzungen sind aus Patientensicht zu beachten:

 

  • Der Patient hat die Kosten der Behandlung im Ausland vorzustrecken und beantragt dann im Nachgang deren Erstattung bei seiner Krankenkasse.

 

  • Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (§ 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Da die im Ausland in Anspruch genommene Leistung dort als Privatleistung berechnet wird, sollte die Differenz zum erstattungsfähigen Kassensatz bekannt sein.

 

  • Bei zahnprothetischen Behandlungen im EU-Ausland muss der Versicherte seiner Krankenkasse vor Durchführung die Möglichkeit geben, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der erstrebten Zahnersatz-Versorgung anhand von Röntgenaufnahmen und Voruntersuchungen zu beurteilen. Eine Erstattungspflicht besteht nur, wenn die Krankenkasse die Auslandsbehandlung auch genehmigt hat (BSG, Urteil vom 30.06.2009, Az. B 1 KR 19/08 R).

 

  • Genehmigungsfähig sind nur Behandlungen, die nach Maßgabe der deutschen Regelungen vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt auch für Auslandsbehandlungen, sodass z. B. Implantationen nur in den definierten Ausnahmeindikationen (§ 28 SGB V) genehmigt werden können.

 

Darüber hinaus können im EU-Ausland vom deutschen Recht abweichende zivilrechtliche Vorschriften existieren. Dies betrifft vor allem Gewährleistungs- und Haftungsansprüche, wenn die komplette Behandlung im EU-Ausland durchgeführt wird. Gleiches gilt für die medizinprodukterechtliche Konformität von im Ausland gefertigten Prothesen (CE-Siegel).

 

Deutsches Recht ist demgegenüber anwendbar, wenn im Ausland gefertigter Zahnersatz vom heimischen Behandler eingesetzt wird. Denn der Behandlungsvertrag nach deutschem Recht enthält auch die Beschaffung der Prothetik und umfasst daher auch die diesbezüglichen Gewährleistungsverpflichtungen (2 Jahre Gewährleistungsfrist). Zusätzliche Kostenfaktoren wie Reise- und Unterbringungskosten müssen in die Betrachtung einbezogen werden. Dabei sind vor allem etwaige Nachbesserungstermine zu berücksichtigen.

Interessenkollision seitens der Kostenträger?

Gesetzliche Krankenkassen können durch ausländische Versorgungen Kosten einsparen. Dies erklärt die teilweise aggressiven Kampagnen der Kostenträger. Bei deren rechtlicher Behandlung hat sich die Rechtsprechung gewandelt: Während der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2000 Informationskampagnen als nicht wettbewerbsverhindernd angesehen hat (BGH, Urteil vom 14.03.2000, Az. KZR 15/98), sind die Informationsbefugnisse, auf die die Kostenträger ihre Hinweise gestützt haben, zuletzt immer restriktiver beurteilt worden. Entsprechende Hinweiskampagnen wurden untersagt (Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 24.05.2006, Az. S 10 KA 2369/06 ER).

 

FAZIT | Zahnersatz aus dem Ausland ist in der Regel günstiger als der hierzulande gefertigte. Dennoch gibt es ‒ wie aufgezeigt ‒ auch aus Patientensicht einige Argumente und Risiken, die für eine Versorgung aus dem Inland sprechen.