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07.11.2014·Recht Die Garantie der Implantathersteller: Welchen Wert hat sie tatsächlich für den Praktiker?

·Recht

Die Garantie der Implantathersteller: Welchen Wert hat sie tatsächlich für den Praktiker?

von Dr. Georg Taffet, Rielasingen-Worblingen

| „Für unsere Implantate geben wir Ihnen eine lebenslange Garantie, Herr Doktor!“ Sie werden zugeben: Als Implantologe bzw. niedergelassener Zahnarzt empfindet man ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit, wenn man diese Aussage vom Vertreter eines Implantatherstellers erhält. Doch wie sicher sind wir, wenn tatsächlich etwas Unvorhergesehenes passiert? |

Der Ernstfall tritt ein

Stellen Sie sich mal vor, der folgende Super-GAU tritt ein: Sie haben einen Patienten vor relativ kurzer Zeit mit einer Brücke auf zwei Implantaten versorgt. Die Implantate sind gut osseointegriert, die Brücke passte prima, der Patient ist glücklich und zufrieden. Heute kommt er, innerhalb der zweijährigen Gewährleistungspflicht, in Ihre Praxis und klagt: „Ich habe ein komisches Gefühl am Implantat Herr Doktor, seit ein paar Tagen spannt es so!“

 

Sie untersuchen den Patienten. An einem Implantat erkennen Sie tatsächlich eine Rötung der Gingiva. Pus entlädt sich auf Druck im Vestibulum. „Das kann ja gar nicht wahr sein, er war ja vor vier Wochen zur Zahnreinigung da. Damals war ja noch alles in Ordnung.“ So denken Sie. Doch das Röntgenbild schafft Klarheit: Das distale Implantat ist im Bereich des Halses frakturiert!

Wie kann das passieren?

Vielleicht war die Brückenspanne wegen der Beihilfeverordnung oder der Vorgabe eines Sachbearbeiters der PKV ein wenig zu optimistisch gewählt? Sie wollten dem Patienten die Kosten für ein zusätzliches Implantat ersparen?

 

Der Durchmesser des Implantats war wegen des dünnen Kieferkamms doch ein wenig zu „reduziert“? Ihr Patient hat plötzlich angefangen, nachts zu bruxen, weil er irgendwelchen Ärger hat, durch den er sich „durchbeißen“ muss? Er hat vielleicht auch seine Zufriedenheit einem Freund demonstrieren wollen („Die Implantate sind noch besser als die eigenen Zähne, mein Doktor ist ein toller Hecht!“) und hat deshalb zum Beweis eine Bierflasche mit den Zähnen geöffnet? Oder war es doch ein Anwendungsfehler und die Brücke saß doch nicht zu 100 Prozent spannungsfrei?

 

Die Schraube des Abutments wurde nach Gefühl festgeschraubt, nicht mit der Drehmomentratsche … Ein wenig zu fest, damit sich die Schraube ja nicht löst? Sie wissen ja: Nach „fest“ kommt „ab“… Möglicherweise war es auch tatsächlich – trotz „Premiumprodukt“ – ein Materialfehler am Implantat?

 

Es gibt viele mögliche Ursachen. Hinterher wird nicht immer zweifelsfrei geklärt werden können, was schlussendlich dort passiert ist. Eigentlich spielt das ja in der Regel, solange der Fall nicht vor Gericht landet, nur eine untergeordnete Rolle: Aus Erfahrung wird man ja bekanntlich klug, dafür wäre ein erfolgreiches „Troubleshooting“ schön.

Wie „umfassend“ ist das Garantieversprechen der Hersteller?

Andererseits spielt es keine Rolle: Sie müssen das in Ordnung bringen. Sie wollen keinen Ärger mit Ihrem Patienten, fühlen sich verpflichtet. Außerdem gibt Ihnen ja Ihre Implantatfirma eine „lebenslange Garantie“ auf ihre Implantate. Sie haben alles korrekt nach den Anweisungen des Herstellers verarbeitet, originale Abutments und Schrauben verwendet. Weil Ihnen dieses umfassende Garantieversprechen gegeben wurde, verwenden Sie seit Jahren immer noch das Produkt des „Premium-Herstellers“, obwohl es schon lange deutlich billigere Kopien des Implantats auf dem Markt gibt! Sie begründen auch Ihren Patienten gegenüber den hohen Preis der Implantate damit.

 

In der Regel wird es absolut kein Problem sein: Sie füllen die Garantieformulare aus, explantieren das Implantat und senden es steril eingeschweißt an den Implantathersteller. Bereits kurze Zeit später erhalten Sie einen netten Brief, in dem Ihnen der Hersteller sein Bedauern kundtut und ein neues Implantat für Ihren Patienten anbietet. Möglicherweise ersetzt Ihnen der Hersteller auch noch das Abutment und die darüber hinaus für die Neuanfertigung der Brücke technisch notwendigen Kleinteile (Schrauben, Abformhilfen, Manipulierimplantat etc.). Alles in allem ergibt sich damit bei einem „Premium-Hersteller“ ein Materialwert von etwa 500 bis 600 Euro. Ein ganz schöner Batzen Geld …

 

Jetzt kommt aber die Überraschung: In den Garantiebedingungen sind jegliche weitere, über den Ersatz des fehlerhaften Materials hinausgehende Ansprüche ausgeschlossen. Das heißt im Klartext: Auf den Honorar-, Material- und Praxiskosten für Explantation, Augmentation, Neuimplantation, Nachsorge, eventuell notwendiger Interimsversorgungen, Wiederanfertigung der definitiven Prothetik sowie der damit verbundenen Zahntechniker-Kosten bleiben Sie sitzen! Diese Kosten können sich schnell auf mehrere tausend Euro summieren. Im Vergleich dazu sind die Kosten der vom Implantathersteller ersetzten Komponenten zwar besser als gar nichts, aber trotzdem eher „Peanuts“…

Fazit: Werten Sie die Versprechen der Hersteller realistisch!

Das ist eine Tatsache, die Sie nie aus Ihrem Bewusstsein verlieren sollten: Im Falle eines Falles haften Sie ziemlich allein für den Schaden, selbst dann wenn er nachweislich in Folge eines Materialfehlers entstanden ist. Lassen Sie sich durch die Aussage des Implantat-Vertreters also nicht in einer trügerischen Sicherheit wiegen, sondern werten Sie diese realistisch.

 

Weiterführender Hinweis

  • Im nächsten Beitrag erläutert unser Autor Norman Langhoff die Bewertung von Hersteller-Garantien aus rechtlicher Sicht. Er befasst sich u. a. mit der Frage, ob Dienst- oder Werkvertragsrecht vorliegt und welche freiwilligen Garantien Hersteller gewähren.