02.11.2016·Recht Ein Patient moniert delegierte Leistungen: Wie ist die Rechtslage?
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Ein Patient moniert delegierte Leistungen: Wie ist die Rechtslage?
| Eine Patientin monierte ihre Rechnung bei der Beschwerdestelle einer Zahnärztekammer und behauptet: Eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) sei von einer unqualifizierten Mitarbeiterin an ihren Zähnen und Implantaten erbracht und mit dem 3,3-fachen Satz berechnet worden. Die Kammer bittet die Praxis um Auskunft, welche Leistungen durch die Mitarbeiterin erfolgten. |
Wann und an wen dürfen Leistungen delegiert werden?
Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung enthält das Recht des Zahnarztes, nach dem Zahnheilkundegesetz (ZHG) festgelegte zahnärztliche Tätigkeiten an das Praxispersonal mit bestimmter Qualifikation bei Vorliegen der Voraussetzungen zu übertragen. Im § 1 Abs. 5 ZHG heißt es: „Approbierte Zahnärzte können insbesondere folgende Tätigkeiten an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung wie zahnmedizinische Fachhelferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dental-Hygienikerin delegieren …“. Eine unmittelbare Überwachung der Tätigkeit sowie eine Kontrolle und Endabnahme der delegierten Leistung durch den Zahnarzt ist dabei zwingend. Die ordnungsgemäß delegierte Leistung gilt als persönliche, zahnärztliche und berechenbare Dienstleistung des Zahnarztes im Rahmen des Behandlungsvertrags.
Zahnärzte dürfen im Prophylaxe-Bereich eine ZFA, eine ZMF, eine ZMP und eine DH nur für Aufgaben einsetzen, für die diese im Einklang mit den gesetzlichen – insbesondere auch den berufsbildenden und kammerrechtlichen – Vorschriften aus- und fortgebildet ist. Ein individueller Einsatzrahmen ist für jede Mitarbeiterin festzulegen, schriftlich zu fixieren und bei absolvierten Fortbildungen zu adaptieren. Allgemein gilt, dass je qualifizierter die Mitarbeiterin ist, desto mehr Teilleistungen an sie delegiert werden können. Über die ausgebildete ZFA hinausgehende Qualifikationen können im Rahmen von Fortbildungen erworben werden. Selbstverständlich ist es auch möglich, dass der Zahnarzt eine Mitarbeiterin persönlich ausbildet. In diesem Fall ist eine äußerst exakte Dokumentation der Qualifikation der ZFA unabdingbar.
Einzelne Zahnärztekammern haben Tabellen erstellt, aus denen die delegierbaren Leistungen und das dafür infrage kommende Personal abgebildet sind. Diese gelten grundsätzlich für den jeweiligen Kammerbereich (z. B. „Delegationstabelle“ der Zahnärztekammer Brandenburg – www.lzkb.de – unter „Praxismitarbeiter“, dann „Berufstätigkeit“ und „Weitere Informationen“).
Darf eine qualifizierte Mitarbeiterin die PZR durchführen?
Nach dem Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) von 2009 darf die Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen z. B. an eine ZMP oder eine DH delegiert werden. Die Fortbildung von ZFA zur ZMF, ZMP, und DH richtet sich nach den jeweiligen Fortbildungsordnungen der Kammern. Daher unterscheiden sich die regional delegierbaren Leistungen nach der jeweiligen Qualifikation. Nach Auffassung der KZBV zur Delegation muss der Zahnarzt zunächst die Indikationsstellung vornehmen, die Leistung konkret anordnen und die entsprechende Mitarbeiterin hinsichtlich ihrer fachlichen Qualifikation auswählen.
Kann die Ziffer oberhalb vom Mittelwert berechnet werden?
Gebührenrechtlich ist es unerheblich, ob eine Leistung vom Zahnarzt oder von dazu qualifiziertem Fachpersonal erbracht wurde. Ein Blick auf den § 4 Abs. 2 GOZ zeigt: „Der Zahnarzt kann Gebühren nur für selbstständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen).“ Delegierte Leistungen sind damit als zahnärztliche Leistungen anzusehen, der gesamte Gebührenrahmen von 1,0- bis 3,5-fach steht zur Verfügung. Auch delegierte Leistungen werden nach Zeitaufwand, Schwierigkeit, Umständen bei der Ausführung oder der Schwierigkeit des Krankheitsfalls bemessen. Anders als in der GOÄ enthält die GOZ keine Leistungen, die nur innerhalb eines kleinen oder reduzierten Gebührenrahmens berechnet werden können.
Ist die GOZ-Nr. 6190 delegierbar?
Der Text lautet: „Beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen.“ Diese Leistung ist nicht delegierbar. Zeigen die Einträge in der Kartei, dass die Maßnahme durch eine Mitarbeiterin erfolgte, ist die Rechnung nicht rechtskräftig.
Welche Konsequenzen drohen der Mitarbeiterin und dem Zahnarzt?
Wenn eine Mitarbeiterin eine Tätigkeit übernimmt, für die sie nicht qualifiziert ist, haftet sie zivilrechtlich persönlich für Fehler. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie gemäß § 18 ZHG strafrechtlich sanktioniert wird, weil sie sich ohne Approbation als Zahnärztin nicht über den Delegationsrahmen hinaus in der Zahnheilkunde betätigen darf. Darüber hinaus ist die Durchführung einer Heilbehandlung ohne wirksame Einwilligung des Patienten eine fahrlässige Körperverletzung gemäß §§ 223, 229 des Strafgesetzbuchs.
Auch der Zahnarzt haftet sowohl zivil- als auch ggf. strafrechtlich. Da die Mitarbeiterin als Erfüllungsgehilfe des Zahnarztes gemäß § 278 des BGB gilt, haftet er für deren Verschulden wie für das eigene. Eine Haftung scheidet nur dann aus, wenn er ein Verschulden widerlegen kann. Das ist jedoch bei bewusster Missachtung des Delegationsrahmens schwer vorstellbar. Außerdem stellt die Außerachtlassung des Delegationsrahmens gemäß § 18 ZHG eine Anstiftung dar, die ebenso strafbewehrt ist wie die eigentliche Tat.
FAZIT | Um Beschwerden zu vermeiden, sollte der Patient in die Delegation einwilligen, der Zahnarzt konkrete Maßnahmen anordnen, die Qualifikation der Mitarbeiter prüfen, entsprechende Einsatzrahmenpläne für die Maßnahmen erstellen, die Ausführung überwachen und abschließend prüfen. |