28.03.2013·Recht Implantatprothetik als Verlangensleistung?
·Recht
Implantatprothetik als Verlangensleistung?
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Norman Langhoff, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de
| Die Aussage, dass private Krankenversicherungen in Bezug auf die Übernahme von Kosten für implantologische Versorgungen oftmals von der Behandler- oder Patientenseite abweichende Auffassungen haben, ist altbekannt. Wie aber ist in diesem Zusammenhang mit der Neuregelung in § 2 Abs. 3 GOZ umzugehen, wonach seit dem 1. Januar 2012 alle über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgehenden Leistungen (Verlangensleistungen) vor der Leistungserbringung in einem Heil- und Kostenplan (HKP) schriftlich vereinbart werden müssen? |
Regelungsinhalt und Anwendungsbereich von § 2 Abs. 3 GOZ
Vor dem Inkrafttreten der GOZ-Novelle konnten Verlangensleistungen, die weder im Gebührenverzeichnis der GOZ noch der GOÄ enthalten waren, und ihre Vergütung abweichend von den Vorschriften der GOZ in einem HKP schriftlich vereinbart werden. Seit dem 1. Januar 2012 müssen sämtliche – auch in den Gebührenordnungen enthaltene – Verlangensleistungen schriftlich vor Leistungserbringung in einem HKP vereinbart werden. Zwingend erforderlich ist danach, dass der HKP vor der Leistungserbringung erstellt und unterzeichnet wird, dass er die einzelnen Leistungen und Vergütungen bezeichnet und die Feststellung enthält, dass es sich um Leistungen auf Verlangen handelt sowie eine Erstattung möglicherweise nicht gewährleistet ist.
Relevanz der Abgrenzung zwischen zahnmedizinisch notwendiger Versorgung und Verlangensleistung
Gemäß § 1 Abs. 2 GOZ sind nur Vergütungen für zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgungen honorierbar; über dieses Maß hinausgehende Versorgungen dürfen nur auf Grundlage einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ als Verlangensleistung berechnet werden. Die Abgrenzung zwischen „medizinisch notwendiger“ und „über das medizinisch Notwendige hinausgehender Leistung“ hat somit direkte vergütungsrechtliche Relevanz.
Sieht sich der Behandler beispielsweise gezwungen, seine Honorarforderung gegen einen Patienten klageweise geltend zu machen, und stellt das Gericht – vermutlich sachverständig beraten – fest, dass die vorgenommene Behandlung zum Beispiel in dem konkreten Umfang – etwa das Setzen von vier statt lediglich von zwei Implantaten – nicht „medizinisch notwendig“ war, so entfiele in diesem konkreten Fall ein Vergütungsanspruch komplett, wenn zuvor keine Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ geschlossen worden ist. Die bislang lediglich im Deckungsprozess zwischen Patient und dessen privater Krankenversicherung relevante Frage der medizinischen Notwendigkeit der geplanten Versorgung fällt damit direkt auf den Implantologen zurück.
Die Frage der „medizinischen Notwendigkeit“ ist nach der BGH-Rechtsprechung jedoch gerade nicht vorrangig mit Blick auf die Behandlungskosten zu beurteilen, sondern vielmehr vor dem Hintergrund der medizinischen Vertretbarkeit des gewählten Therapiekonzepts zu entscheiden. Die medizinische Notwendigkeit ist „dann zu bejahen, wenn und solange es nach den zur Zeit der Anordnung der stationären Aufnahme und Weiterbehandlung erhobenen objektiven Befunden und hierauf beruhenden ärztlichen Erkenntnissen vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“ (BGH, 29. Mai 1991, Az: IV ZR 151/90; BGH, 12. März 2003, Az: IV ZR 278/01).
Vereinbarung von Verlangensleistung: Ausweg oder Sackgasse?e
Die Frage, ob zur Absicherung des eigenen Honoraranspruchs deshalb stets Vereinbarungen über Verlangensleistungen nach § 2 Abs. 3 GOZ geschlossen werden sollten, lässt sich meines Erachtens nicht pauschal mit „ja“ beantworten. Die Frage der „medizinischen Notwendigkeit“ stellt sich zwar prozessual in versicherungsrechtlichem Kontext; sie ist aber keine versicherungsrechtliche, sondern letztlich eine medizinisch zu beantwortende Frage.
Hält der Behandler einen Behandlungsplan (nur) in seiner konkreten Form für medizinisch erforderlich, dann kann es – trotz unstreitig bestehenden prozessualen Aufwandes und entsprechender Unwägbarkeiten – durchaus fragwürdig sein, allein aus Gründen der vermeintlich einfacheren Kostenerstattung eine (scheinbare) „Abkürzungz“ zu wählen. Letztlich könnte auf diese Art nämlich der Begriff der „medizinischen Notwendigkeit“ ausgehöhlt werden, weil – gerade unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht unproblematisch – möglicherweise tatsächlich „notwendigez“ Leistungen aus versicherungsrechtlichen Erwägungen als „über das Notwendige hinausgehend“ bezeichnet würden.
Die Notwendigkeit eines standardmäßigen Ausweichens auf eine „Verlangensvereinbarung“ scheint sich auch vor dem Hintergrund neuerer Rechtsprechung nicht zwingend zu ergeben. So hat das OLG Köln in einer Entscheidung nach Inkrafttreten der GOZ-Novelle – durchaus in Übereinstimmung mit tradierter Auffassung – festgestellt, dass „die Tatsache, dass ein Zahnarzt einen entsprechenden Heil- und Kostenplan (insbesondere zur Vorlage bei einem Krankenversicherer und einer Beihilfestelle) erstellt, […] die medizinische Notwendigkeit der Maßnahmen [impliziere]“; auch ändere eine „(nur) relative Indikation […] nichts an der Berechtigung der Maßnahme“ (Beschluss des OLG Köln vom 23. Juli 2012, Az: 5 U 66/12).
Verlautbarungen der Bundeszahnärztekammer könnten sogar dahingehend verstanden werden, dass „notwendige Leistungen“ nicht ohne Weiteres in Verlangensleistungen „umdefiniert“ werden können. Danach fielen Leistungen, „die ästhetisch und zugleich zahnmedizinisch veranlasst sind, selbst dann nicht in die Kategorie der Verlangensleistungen, wenn der ästhetischen Motivation ein besonderes Gewicht zukommt“. Zum Beispiel sei „eine vom Gebührenverzeichnis nicht erfasste, aber zahnmedizinisch notwendige Leistung einer Verlangensvereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ nicht zugänglich und nach § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnen“.