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28.03.2013·Zahnmedizin
 Die Periimplantitis-Prophylaxe – aktueller Stand


·Zahnmedizin


Die Periimplantitis-Prophylaxe – aktueller Stand


von Nicole Graw, Hamburg


| Patienten mit einer Parodontitis-Vorgeschichte weisen ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer periimplantären Entzündung auf. Zur Vermeidung müssen die Risikofaktoren konsequent erkannt werden: schlechte Mundhygiene, Diabetes mellitus, IL1-Überproduktion in Kombination mit dem Rauchen, regelmäßiger Alkoholkonsum sowie vermehrte parodontopathogene Keime bilden über eine Parodontitis-Vorgeschichte hinaus eine fundierte Evidenzlage für eine Periimplantitis. Iatrogene Reize können ebenfalls eine periimplantäre Entzündung hervorrufen.  |

Basisdiagnostische Parameter


Der Zeitpunkt, zu dem die Suprakonstruktion eingegliedert wird, sollte als Ausgangszeitpunkt der wiederkehrenden basisdiagnostischen Parameter (Sondierungstiefe; Bluten nach Sondieren; Röntgenaufnahmen nach einem, drei und fünf Jahren; Implantatmobilität; parodontale Kontrolle der restlichen Zähne) gelten. Um Veränderungen des periimplantären Knochenniveaus beurteilen zu können, wird eine Röntgenaufnahme angefertigt.


Schlechte Mundhygiene


Im Biofilm haben Bakterien ausgeklügelte Strategien entwickelt, um zu überleben. Die Formation der Biofilme beginnt 30 Minuten nach Freilegung. Der Biofilm entsteht in drei Phasen. Phase 1: Einzelne Bakterien lagern sich zusammen (Clusterbildung) und koordinieren ihre Aktivitäten durch Zell-Zell-Kommunikation (Quorum-Sensing). Phase 2: Der Biofilm hat sich zu einem mehrzelligen Organismus mit schleimartiger Hüllschicht (Glycocalyx) entwickelt. Phase 3: Biofilmanteile lösen sich und brechen zu neuen Siedlungsflächen auf. Somit wird ihre Überlebensfähigkeit abermals erhöht. Durch eine antimikrobielle Therapie (CHX 0,12 Prozent) wird eine Rekolonisation verlangsamt, auch wenn der Wirkstoff lediglich auf supramarginalen Oberflächen wirkt. CHX 0,06 Prozent ist im Vergleich zu gering dosiert. Eine CHX-Therapie ist eine ergänzende Maßnahme und kein Ersatz für Interdentalraumbürsten.


Diabetes mellitus


Ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus führt zu einem signifikant höherem Risiko einer Periimplantitis. Eine verzögerte Wundheilung ist unter anderem dafür verantwortlich.


IL1 Überproduktion in Kombination mit dem Rauchen


Es gilt als gesichert, dass die Kombination aus Rauchen und Risiko-Genotyp ein signifikant erhöhtes Risiko für Implantat-Komplikationen oder Implantat-Verlust birgt. Bis zu 50 Prozent dieser Raucher hatten Implantatkomplikationen, der Attachmentverlust im Recall war bis zu dreimal höher. Bei Rauchern mit Zahnverlust infolge einer Parodontitis ist daher eine Bestimmung des IL-1-Genotyps dringend angeraten, auch zur Absicherung des Implantologen gegen Implantatversagen und eventuell daraus resultierende Regressforderungen.


Regelmäßiger Alkoholkonsum


Bis heute wurde lediglich von einer Autorengruppe über einen positiven Zusammenhang zwischen regelmäßigem Alkoholkonsum (mehr als 10 g pro Tag) und einer periimplantären Entzündung berichtet. 


Parodontopathogene Keime


Sehr stark pathogene Keime: Aggregatibacter actinomycetemcomitans: exogene Übertragung (Mutter-Kind), Leitkeim für juvenile PA, Antibiotikaresistenzen gegenüber Metronidazol und Clindamycin, gewebeinvasiv. Porphyromonas gingivalis: exogene Übertragung, strikt anaerob, Leitkeim für Periimplantitis, Antibiotikaresistenz gegenüber Amoxicillin, gewebeinvasiv. Tannerella forsythia: exogene Übertragung, strikt anaerob, Leitkeim bei Periimplantitis, Antibiotikaresistenz gegenüber Amoxicillin.


Stark pathogene Keime: Treponema denticola: Kann nur durch DNA-Techniken identifiziert werden, gewebeinvasiv, Leitkeim für NUG (früher ANUG), Antibiotikaresistenz gegenüber Amoxicillin. Prevotella intermedia: Beschleunigt parodontalen Abbau, exogene Übertragung möglich, Antibiotikaresistenz gegenüber Amoxicillin. Peptostreptococcus micros: Stellen die Basis für sehr stark pathogene Keime dar! Antibitikaresistenzen gegenüber Amoxicillin, Bacitracin und Erythromycin.


 


 Das Institut für Mikroökologie in Herne sowie das Zentrum für dentalmedizinische Diagnostik analysieren mit Hilfe eines Papierspitzentests die Charakteristik der Keime und sprechen eine Antibiotika-Empfehlung aus. Günstige Ergebnisse wurden beispielsweise nach einer systemischen Antibiose mit Ornidazol (1.000 mg, 1 x täglich) oder Metronidazol (250 mg, 3 x täglich) beobachtet. Der Vorteil der lokalen Antibiose liegt darin, dass eine 70- bis 700-fache Konzentration erreicht wird (Doxycyclin 8,8 Prozent).


Iatrogene Reize


Iatrogene Risikofaktoren können eine periimplantäre Entzündungen hervorrufen bzw. aufrecht erhalten. Verbleibende Zementreste sorgen für eine insuffiziente Passung zwischen Abutment und Restauration und können somit zu einer periimplantären Entzündung führen. 2012 waren lediglich 12 Prozent der Suprakonstruktionen verschraubt, 88 Prozent waren zementiert. Eine exzessive okklusale Überbelastung fördert eine Entzündung am Implantat, ist aber als einziger Risikofaktor nicht für eine Periimplantitis zuständig. Periimplantäres Gewebe weist im Vergleich zum natürlichen Zahn morphologische Besonderheiten auf. Bei einer periimplantären Entzündung reicht die Entzündung bis in den Bereich apikal des Taschenepithels und hat direkt Kontakt zum Alveolarknochen. Am Implantat gibt es keine Bindegewebsbarriere wie am natürlichen Zahn. 


Ziel: Erfolgsrate von 96,6 Prozent nach 16 Jahren


Ziel eines individuellen Therapiekonzepts in der Prophylaxe ist es, die Implantat-Erfolgsraten bei 96,6 Prozent nach einer Beobachtungszeit von 16 Jahren zu halten. Hierbei werden pathologische Prozesse rechtzeitig erkannt, einer entzündlichen Progression wird vorgebeugt und eine periimplantäre Entzündung vermieden.