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02.10.2012·Zahnmedizin Suprakonstruktionen und Verbindungselemente in der Alters-Zahnheilkunde

·Zahnmedizin

Suprakonstruktionen und Verbindungselemente in der Alters-Zahnheilkunde

von PD Dr. Arne F. Boeckler, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

| Der Einsatz von enossalen Implantaten im zahnlosen Kiefer ermöglicht eine Vielzahl von alternativen Therapiekonzepten, wofür unterschiedliche Verbindungselemente zur Verankerung und Stabilisierung von herausnehmbarem Zahnersatz zur Verfügung stehen. Diese Attachments werden entweder individuell hergestellt oder als präfabrizierte Komponenten für die unterschiedlichen auf dem Markt befindlichen Implantatsysteme angeboten. |

Retentive Kugelkopfanker

Kugelkopfanker stehen für viele Implantatsysteme zur Verfügung. Zum Ausgleich unterschiedlicher Gingivahöhen werden diese Attachments teils in unterschiedlichen Aufbauhöhen angeboten. Die auf Implantaten eingesetzten Kugelkopfsysteme unterscheiden sich durch die verwendeten Matrizen. Die klassische Matrize besteht aus einer edelmetallischen Legierung, die ihre Retentionswirkung durch einzelne Lamellen herstellt, die in den Unterschnitt der Kugel greifen. Für die Aktivierung bzw. Deaktivierung dieser Matrizen werden spezielle Werkzeuge angeboten. Diese ermöglichen eine gleichmäßige Dehnung oder Kompression aller zirkulär angeordneten Matrizenlamellen. Zum Austausch der Matrize wird diese aus der Prothesenbasis herausgetrennt.

 

Eine Weiterentwicklung besteht in der Zweiteilung von Matrizengehäuse und Lamellen. Dabei wird ein präfabriziertes Lamellenelement aus einer Goldlegierung in einem in der Prothesenbasis verklebten Titangehäuse über einen zentralen Konus verschraubt. Mittels eines speziellen Werkzeugs kann die Retentionskraft des Attachments stufenlos eingestellt werden. Bei der Fraktur einer einzelnen Lamelle wird zur Erneuerung das gesamte defekte Element herausgeschraubt, ohne das Gehäuse aus der Prothesenbasis zu entfernen.

 

Alternative Kugelkopfsysteme besitzen reine Kunststoffmatrizen. Diese sind kaum zu aktivieren und nur durch erneutes Einpolymerisieren zu erneuern. Weiterhin existieren Matrizen für Kugelkopf- und Zylinderattachments, die statt Lamellen einen Retentionsring besitzen. Die Retentionskraft ist hier vorgegeben und nur durch einen Austausch zu verändern. In der Gero-Implantologie werden Kugelkopfanker zunehmend auf Miniimplantaten eingesetzt, die zur Sofortverankerung der vorhandenen Totalprothese genutzt werden können.

 

Für die uneingeschränkte Funktion aller Kugelkopfsysteme ist die gründliche und regelmäßige Reinigung der Matrizen von Fremdmaterial entscheidend. So kann es durch eingelagerten Debris zu einem Verlust der Retentionswirkung und unter funktioneller Last gar zur Fraktur der Matrizenlamellen kommen. Vor allem bei Patienten mit eingeschränktem Sehvermögen oder bei Patienten, deren Prothesenreinigung unbewusst unprofessionell durch Pflegepersonal erfolgt, kann dies ein Grund für Reparaturen sein.

Locator

Ähnlich wie Kugelkopfanker werden semipräzise Elemente – wie zum Beispiel Locator-Attachments – auf solitären unverblockten Implantaten verwendet. Bei diesem Verbindungselement stehen in Abhängigkeit vom jeweiligen Implantatsystem Abutments in unterschiedlichen Aufbauhöhen zum Ausgleich verschiedener Gingivahöhen zur Verfügung. Die Locator-Attachments bestehen aus einer in die Prothesenbasis einzupolymerisierenden Titankappe und einem Kunststoffeinsatz aus Polyamid, der die retentive Verbindung mittels einem inneren und einem äußeren Unterschnitt herstellt. Es werden verschiedene farblich codierte Einsätze mit unterschiedlichen Retentionswirkungen und für verschiedene Implantatangulationen angeboten.

 

Aus den Materialeigenschaften des Polyamids und der nicht starren Fixierung der Kunststoffmatrize in der Metallkappe resultiert eine drehgelenkige Verbindung zwischen Abutment und Prothesenbasis. Eine Aktivierung der Matrizen bei nachlassender Retention ist nicht möglich. Zum Austausch der Einsätze können die Nylon-Matrizen mit einem speziell dafür erhältlichen Werkzeug aus der in der Prothesenbasis verbleibenden Titankappe herausgedrückt werden. Die Verbindungselemente lassen sich leicht nachträglich integrieren.

Magnet-Anker

Moderne Magnetattachments werden in geschlossene und offene Systeme unterteilt. Bei den geschlossenen Systemen wird das magnetische Feld innerhalb des in Kontakt stehenden Magnetpaares gehalten. Die hohe Effektivität dieser magnetischen Verankerung fällt allerdings bei vergleichsweise geringer Distanz zwischen den Magneten deutlich ab. Werden bei einem offenen System die gegeneinander gepolten Magnete separiert, so kommt es zu einem geringeren Abfall der magnetischen Haftkraft, was der Selbstzentrierung der Prothese zugute kommt. Im Gegensatz zu anderen Verbindungselementen konnte auch nach einer Vielzahl von Abzugszyklen kein signifikantes Nachlassen der Retentionskräfte festgestellt werden.

 

Allerdings kann es durch Auflagerung von z.B. Zahnstein zu einer Separation der korrespondierenden Magnetpaare kommen und damit ein Nachlassen der Retentionskraft eintreten. Weiterhin kann ein insuffizienter Prothesensitz bei direkter Lasteinwirkung zur mechanischen Beschädigung der metallischen Kapsel führen. Auch Magnetattachments lassen sich z.B. im Rahmen einer Unterfütterung nachträglich in eine Prothesenbasis einpolymerisieren.

 

Wie verschiedene klinische und In-vitro-Untersuchungen zeigten, liegt ein Vorteil der Magnetverankerung beim Entkoppeln infolge von überhöhten Kräften. Somit kann eine Überlastung von zum Beispiel kurzen Implantaten vermieden werden. Neben der vergleichsweise einfachen prothetischen Versorgung von dysparallelen Implantaten liegen die Vorteile der Magnetattachments auf gero-implantologischem Gebiet vor allem in der sehr günstigen Hygienefähigkeit der Prothesenmagnete und der Abutments sowie der einfachen Handhabung beim Ein- und Ausgliedern. Diese Umstände kommen vor allem manuell oder visuell eingeschränkten bzw. pflegebedürftigen Patienten zugute.

Doppelkronen

Bei implantatverankerten Doppelkronen werden in der Regel die verschiedenen Konzepte konventioneller Doppelkronensysteme für natürliche Zähne auf die Anwendung mit enossalen Implantaten übertragen. So werden neben hochgoldhaltigen Legierungen auch Titan- und CoCr-Legierungen sowie Silikat- und Oxidkeramiken verwendet. Dabei sind letztere wegen ihrer guten Biokompatibilität und den verbesserten ästhetischen Eigenschaften immer mehr gefragt. Die Primärteleskope können über verschraubte Abutments auf den Implantaten zementiert oder in der Einstückfertigung mittels Guss- oder CAD/CAM-Verfahren direkt mit dem Implantat verschraubt werden.

 

Neben den konventionell gegossenen hochgoldhaltigen Sekundärkronen stehen Sekundärteile aus Titan- oder CoCr-Legierungen zur Verfügung. Aufgrund der spezifischen Materialeigenschaften sollten dafür zusätzliche Retentionselemente oder Friktionsstifte eingearbeitet werden. Daneben kommen regelmäßig galvanisch hergestellte Sekundärteile zur Anwendung. Die Galvanokappen werden dazu intraoral in das aus einer edelmetallfreien Legierung gefertigte Tertiärgerüst spannungsfrei eingeklebt.

 

Unter gero-implantologischen Aspekten erscheinen die mechanische Einfachheit dieser Versorgung und die mögliche Kombination mit noch vorhandenen Restzähnen vorteilhaft. Allerdings kann es bei mangelnder Prothesenhygiene durch Impaktierung von Speiseresten in den Innenteleskopen zu einer Verkeilung und erschwerten Ausgliederungsfähigkeit der Prothese kommen.

Steggelenke und -geschiebe

Der bereits auf subperiostalen Implantatsystemen angewendete Steg bietet als einziges Verbindungselement eine primäre Verblockung der Implantate. Es existieren mehrere Typen von Steggelenken und -geschieben, die sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen lassen. Die einfachsten Formen der Steggelenke sind der einfache Rundsteg und der in seinem Profil ovale Steg nach Dolder. Wird ein Steg auf mehr als zwei Implantaten angewendet, so sind rotatorische Bewegungen nur noch eingeschränkt oder gar nicht möglich.

 

Bei der Herstellung kommen verschiedene Technologien und Materialien zum Einsatz. So können präfabrizierte Metallprofilstangen in Kombination mit verschraubten Stegkappen durch Löten oder Lasern verbunden werden. Andererseits sind die gusstechnische Herstellung des Steges aus vorgefertigten Kunststoffteilen oder eine Fertigung mittels CAD/CAM-Technologie möglich. Als vorgefertigte Verbindungselemente für Stege kommen neben Geschiebe- und Gelenkmatrizen auch semipräzise Kunststoffmatrizen zum Einsatz.

 

Weiterhin kommen individuell gefertigte Verbindungselemente für Stege zum Einsatz. So ist über die erfolgreiche Anwendung von galvanisch hergestellten Stegreitern auf individuell gefrästen Stegkonstruktionen berichtet worden. Aufgrund des bereits im Zusammenhang mit Doppelkronen erläuterten tribologischen Wirkungsprinzips ist mit einer konstanten Retentionswirkung zu rechnen. Kommt es doch zu einem Nachlassen, stehen in Analogie zu den Doppelkronen der Einbau eines zusätzlichen Retentionselements, die Nachgalvanisation oder die aufwendige Erneuerung des Stegreiters zur Auswahl. Eine alternative Möglichkeit, um eine kontrollierte Retention bei individuell gefertigten Stegkonstruktionen zu realisieren, ist die Verwendung von Friktionsstiften. Bei einem Nachlassen der Retention kann diese chairside auf einfache Weise durch Aktivierung der Stifte wiederhergestellt werden.

 

Aufgrund der besonderen Konstruktionsbedingungen kommt der oralhygienische Pflegeaufwand dem von festsitzenden Restaurationen sehr nahe. Diese stellt insbesondere alte Patienten vor Probleme. Begünstigt durch ein mangelhaftes Design kommt es regelmäßig zu periimplantären Problemen. Diese sind häufig nur durch intensive individualprophylaktische und therapeutische Maßnahmen zu beherrschen. Daher sollten bei der Neuanfertigung von implantatgetragenem Zahnersatz grundsätzlich immer das Alter des Patienten, die Feinmotorik und die altersmedizinische Prognose beachtet werden.

Klinische Auswahl von Verbindungselementen

Die klinische Auswahl von Verbindungselementen kann unter verschiedenen Aspekten erfolgen. Dazu werden unterschiedliche Kriterien wie Implantatüberlebensraten und Belastungsprotokolle, periimplantärer Knochenabbau und Weichgewebsreaktion, Stress und Belastung des Implantats und des knöchernen Prothesenlagers, Retentionskraft, Kaufunktion und Kaukraft, Baugröße, Implantatanzahl und -abstand als auch Patientenzufriedenheit und Patientenalter, Nachsorgeaufwand und Kosten diskutiert. Patienten, die mit implantatgestütztem herausnehmbarem Zahnersatz versorgt wurden, benötigen während der Funktionsphase regelmäßige Kontrollen, Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit der periimplantären Gewebe, Reparaturmaßnahmen, Unterfütterungen, Aktivierungen und Deaktivierungen der Verbindungselemente oder eine Erneuerung des Zahnersatzes.

 

In verschiedenen Studien untersuchten Autoren eine mögliche Abhängigkeit des Nachsorgeaufwandes von der Art des Verbindungselements. Dabei stellte sich heraus, dass im ersten Jahr nach der Eingliederung der Prothese dieser Aufwand mehrheitlich am höchsten war. Neben Veränderungen der Prothesenkontur aufgrund von Druckstellen waren Reparaturen der Matrizen und Patrizen dabei das häufigste Problem. Dabei konnte nach Durchsicht der Literatur übereinstimmend festgestellt werden, dass die Zufriedenheit der Patienten mit ihren Prothesen bei Anbindung durch Magnetanker im Vergleich zu Kugelkopfankern und Stegen allgemein am geringsten ausfiel.

 

FAZIT | Der langfristige Erfolg eines Verbindungselements ist von der Beachtung verschiedenster klinischer Aspekte abhängig. Faktoren wie die maximale Retentionskraft und die Belastung des Prothesenlagers nehmen in ihrer Bedeutung für den sehr alten Patienten ab. Gleichzeitig steigt die Bedeutung einer einfachen Reinigungsmöglichkeit und einer unkomplizierten Wartung und Aktivierung des Verbindungselements. Aus der Vielzahl der Faktoren und der Fülle der möglichen klinischen Situationen kann aber noch keine allgemeingültige Empfehlung für ein spezielles gero-imlantologisches Verbindungselement gegeben werden.