03.05.2016·Zahnmedizin Therapiekonzept zur Behandlung periimplantärer Entzündungen: Diagnostik – Behandlung – Recall
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Therapiekonzept zur Behandlung periimplantärer Entzündungen: Diagnostik – Behandlung – Recall
von Nicole Graw, Lehr-Dentalhygienikerin des Fortbildungsinstituts der Zahnärztekammer Bremen
| Die Anzahl der Periimplantitis-Erkrankungen nimmt mit der steigenden Insertion dentaler Implantate rasant zu. Dieser Beitrag erläutert Grundlagen der Diagnostik, den Paradigmenwechsel in der Behandlung periimplantärer Entzündungen sowie die erforderliche Recall-Struktur zur Gesunderhaltung periimplantärer Gewebe. |
Wie entsteht die Periimplantitis?
Die Literatur konnte gut belegen, dass die Existenz von Mikroorganismen für das Entstehen periimplantärer Entzündungen im hohen Maße verantwortlich ist. Weitere Studien legen nahe, dass die Mikroflora bei periimplantären Erkrankungen – neben zahlreicher anaeroben sowie gramnegativen Bakterien – den Staphylococcus aureus beherbergt. Dieses Bakterium besiedelt auch andere Fremdkörper und führt z. B. zu Komplikationen an Hüfttransplantaten.
Sehr wahrscheinlich besteht ein Zusammenhang zwischen der zum Zeitpunkt der Implantation in der Mundhöhle vorhandenen Mikroflora und dem sich auf Implantaten entwickelnden Biofilm. Parodontal aktive Taschen dienen daher als Reservoir für Mikroorganismen und besiedeln Implantate bereits kurz nach der Insertion.
Aus klinischer Sicht ist es wichtig, Implantate in eine gesunde orale Umgebung zu setzen. Hierbei spielt auch die Compliance des Patienten eine große Rolle. Genau wie am natürlichen Zahn verursacht die Akkumulation von Plaque eine Entzündung der periimplantären Mukosa und erhöht die Sondierungstiefe. Nach längerem Bestehen dentaler Plaque weitet sich eine periimplantäre Läsion nach apikal aus, ohne von Kollagenfasern eingekapselt zu sein, wie dies bei der Parodontitis der Fall ist. Das entzündliche Infiltrat weitet sich bei einer Periimplantitis bis in den Alveolenknochen aus, während es bei einer Parodontitis durch einen etwa 1,5 mm breiten Bindegewebssaum vom Knochen getrennt bleibt.
Periimplantäre Erkrankungen umfassen Mukositis und Periimplantitis. Die Mukositis ist eine reversible Entzündung der suprakrestalen Weichgewebe; die Periimplantitis umfasst die Gesamtheit der Gewebe um das Implantat und führt zur Knochenresorption.
Diagnostisches Vorgehen
Eine präzise Diagnostik ist die Basis für eine individuelle Behandlung. Für die Diagnostik sind die folgenden in der Parodontologie erprobten Verfahren anzuwenden:
- Der Plaqueindex dient als Messzahl zur Kontrolle der häuslichen Mundhygiene des Implantat-Patienten. Bei zu hohen Werten kann die Dentalhygienikerin den Patienten bei neuen Putztechniken oder der Anwendung weiterer Hilfsmittel unterstützen. Unabhängig vom Recall-Intervall hat der Patient die Möglichkeit, die „Mundhygiene-Schule“ einer Praxis zu besuchen, um seine Mundhygiene zu perfektionieren.
- Beim Sondierungstiefenindex können Metall- oder Titansonden verwendet werden. Früher wurde empfohlen, auf Metallsonden zu verzichten, um Schäden an der Implantatoberfläche zu vermeiden. Dies konnte in Studien nicht ausreichend belegt werden und somit gilt die Metallsonde als akzeptabel. Allerdings fällt das Sondieren an Implantaten aufgrund der Form der Suprakonstruktion oft schwerer als am natürlichen Zahn. Hier eignen sich flexible Sonden aus Kunststoff sehr gut. Eine Sondierung mit geringer Kraft (0,25N) schädigt die periimplantären Gewebe nicht und bleibt die zuverlässigste Methode, um erkranktes Gewebe zu erkennen. Um eine Progression der Krankheit zu erkennen, wird direkt nach dem Einsetzen der Suprakonstruktion die Sondierungstiefe als zukünftiger Ausgangswert ermittelt.
- Eine zunehmende Sondierungstiefe ist ein Indiz für eine Knochenresorption. Wie am natürlichen Zahn ist das Bluten beim Sondieren auch am Implantat ein Zeichen für eine Entzündung. Umgekehrt zeigt eine Blutungsfreiheit stabile periimplantäre Verhältnisse an. Vorsicht bei Rauchern!
Den folgenden Risikofaktoren sollte Aufmerksamkeit geschenkt werden:
- Patienten mit schlecht eingestellter Diabetes haben ein erhöhtes Risiko.
- Der Alkoholkonsum gilt als Risikofaktor. Allerdings gibt es kaum Studien dazu.
- Psychosoziale Faktoren und Stress können über Verhaltensänderungen das Risiko einer Periimplantitis erhöhen.
- Raucher sind Hauptrisikofaktor-Patienten für eine Periimplantitis.
Behandlung periimplantärer Entzündungen
Implantate haben zur besseren Osseointegration heutzutage eine moderate raue Oberfläche, die bei Exposition die Anhaftung des Biofilms erleichtert und somit die Entstehung periimplantärer Erkrankungen unterstützt. Für das mechanische Debridement wurden spezielle Handinstrumente aus Titan oder Keramik entwickelt, um die Oberfläche nicht zu beschädigen. Allerdings ist es fraglich, ob mit diesen Spezialinstrumenten in den Gewindegängen der Biofilm effizient zerstört werden kann. Sie eignen sich sehr gut dazu, harte Ablagerungen zu entfernen.
Zur Ultraschallbehandlung gibt es Instrumente, die mit Kunststoff überzogen sind. Diese sind nicht empfehlenswert, denn bei Materialien, die weicher als Titan sind, können Überreste im Sulkus verbleiben und somit den Heilungsprozess stören. Die Mukositis ist als Vorstufe der Periimplantitis zu sehen. Bereits hier ist es wichtig, erste Entzündungsanzeichen frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln. Unabdingbar für den Behandlungserfolg ist die Infektionskontrolle und somit erstens, dass der Biofilm zerstört wird, und zweitens, dass die harten Ablagerungen entfernt werden.
In einer Vergleichsstudie von Er:YAG-Laser und Air-Flow®-Pulver Plus zeigte sich eine vergleichbare Reduktion der Blutung am Implantat, der Sondierungstiefe sowie des Eiteraustritts. Zu 78 Prozent ist allerdings die häusliche Plaquekontrolle des Patienten für den Behandlungserfolg verantwortlich. Die Form der prothetischen Restauration erschwert leider oftmals eine effektive Mundhygiene. Umso wichtiger ist daher ein engmaschiges Recall.
Die Organisation der Recall-Termine
In der Erhaltungsphase von Implantat-Patienten sollten die folgenden Punkte berücksichtigt werden:
- Regelmäßige Aktualisierung der Anamnese
- Entwöhnungsprogramm für Raucher anbieten
- (Re-)Motivation des Patienten mithilfe des Plaqueindex
- Anfertigen von Röntgenbildern nach ein, drei und fünf Jahren
- Erheben der Sondierungstiefe an jedem Implantat an sechs Stellen
- Bluten auf Sondieren
- Pusaustritt
- Okklusale Analyse: Attritionsfacetten, gelockerte Restaurationen
- Zerstörung des Biofilms und Entfernen von harten Ablagerungen
Im Rahmen einer retrospektiven Studie mit Langzeitbeobachtung konnte bewiesen werden, dass ein regelmäßiges Recall – etwa drei- bis viermal jährlich – der Prävention periimplantärer Erkrankungen dient.
Weiterführende Hinweise
- Beachten Sie auch die folgenden Beiträge, die in PI zu dieser Thematik erschienen sind:
- „Behandlungsrealität bei der Periimplantitis-Prophylaxe“ (Nachricht auf der PI-Website)
- „Fallbeispiel: Die Implantatprophylaxe – immer häufiger tägliches Programm einer ZMP“ in: PI 03/2011, Seite 3 ff.
- „Wirksame Individualprophylaxe verlängert die Lebensdauer zahnärztlicher Implantate“ in: PI 7/2012, Seite 15 ff.
- „Die Organisation und Durchführung der Prophylaxe bei Implantat-Patienten“ in: PI 05/2010, Seite 13 ff.