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05.05.2014·Zahnmedizin Welche Vorteile bietet ein modifizierter Bonesplit?

·Zahnmedizin

Welche Vorteile bietet ein modifizierter Bonesplit?

von Dr. Georg Taffet, Rielasingen-Worblingen

| Die Bestrebung der implantologisch tätigen Zahnärzte liegt heute deutlich erkennbar darin, Techniken zu entwickeln, die es ihnen trotz anatomischer Restriktionen erlauben, Patienten eine ästhetische und funktionelle implantatgetragene Lösung anbieten zu können. Das geht in vielen Fällen nur mit komplexen Knochenaufbaumaßnahmen und mehreren mukogingivalen Eingriffen. Leider sind diese Maßnahmen sehr invasiv und techniksensitiv. Kleine Denk- oder Technikfehler können beim Versuch, größere Volumina zu augmentieren, dramatische Misserfolge und Komplikationen ergeben. |

Schmaler Kieferkamm im Seitenzahnbereich problematisch

Folgende Situation erweist sich oft als besonders schwierig: der hohe, aber sehr schmale Kieferkamm im UK-Seitenzahnbereich. Die anfängliche Freude beim Betrachten des OPG´s ist schnell wieder verflogen, wenn sich während der intraoralen Untersuchung zeigt, dass der Kieferkamm inklusive Schleimhaut nur 4 bis 5 mm breit ist. In der Literatur sind für diesen Fall überwiegend zwei Knochenregenerationstechniken beschrieben, die zum gewünschten Erfolg führen können: die GBR-Technik mit seitlicher Auflagerung von partikuliertem Material und Membran oder die bei größeren Defekten bisher unumgänglichen Knochenblock-Transfertechniken. Mit beiden Techniken hatte ich zwiespältige Erfahrungen: Wundheilungsstörungen und/oder massive Resorptionen des Augmentats sind eher die Regel als die Ausnahme.

 

Das Problem liegt wohl vorwiegend darin, dass die osteogene Potenz des dünnen UK-Kieferkamms sehr schlecht ist: Er besteht überwiegend aus kompaktem Knochen mit wenig Gefäßen, Markräumen und Knochenzellen. Deshalb helfen die beliebten siebförmigen Perforationen der seitlichen Kompakta zur „Verbesserung der Blutversorgung“ so viel wie eine Massage am Holzbein. Wo wenig Durchblutung vorhanden ist und beinahe keine osteogene Zellen verfügbar sind, können auch keine Blutgefäße durch die Perforationen in das Augmentat-Material einsprießen und es sind nur wenige osteogene Zellen oder Botenstoffe vorhanden, die in das Augmentat einwandern könnten.

 

Ein aus dem Kieferwinkel entnommener Knochenblock besteht ebenfalls überwiegend aus Kompakta. Die osteogene Potenz des Kieferwinkels ist grundsätzlich sehr schlecht: Sie kennen alle aus Erfahrung die Wundheilungsstörungen nach der Osteotomie der UK-Weisheitszähne. Von hier entnommene Blöcke zeichnen sich gewiss nicht durch eine hervorragende Vitalität und Osteogenität aus. Wenn man das alles überlegt, wundert es nicht, dass trotz unauffälligem Heilungsverlauf zwei bis drei Monate nach der Blockaugmentation plötzlich die ehemals im Knochenblock versenkten Osteosyntheseschrauben deutlich durch die Schleimhaut tastbar sind. Dies ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Augmentat resorbiert worden ist. Die für die laterale Augmentation des UK-Seitenzahnbereichs bisher beschriebenen Techniken sind chirurgisch anspruchsvoll, sehr invasiv und risikobehaftet. Das Vestibulum wird in Folge der notwendigen Deckung des Augmentats abgeflacht. Um einen minimalen Streifen an Gingiva fixa um die Implantataustrittstellen herum zu erreichen, sind später oft zusätzliche mukogingivale Eingriffe notwendig. Die Behandlungsdauer dehnt sich über eine für den Patienten unangenehme lange Zeit aus, die Behandlungskosten sind hoch.

 

Alternativ wird seit einigen Jahren die Insertion sehr dünner durchmesserreduzierter Implantate empfohlen. Materialtechnisch mag das Problem der Implantatfrakturen ja von manchen Herstellern gelöst sein (Roxolid, Straumann). Was ist aber mit den in Folge der Kaukräfte entstehenden punktuellen kleinflächigen Belastungen des Knochens? Wie wird der Knochen auf Dauer mit dieser Art der Belastung fertig? Das kann heute noch niemand sagen.

Alternative: Modifizierter Bonesplit nach Taffet

Aus diesen Gründen habe ich nach Alternativen gesucht und eine gefunden, die sich seit Jahren in meiner Praxis bewährt hat: der modifizierte Bonesplit nach Taffet. Durch den Bonesplit wird der anfänglich einwandige Knochendefekt in einen dreiwandigen Defekt verwandelt. Die Durchblutung des Augmentatmaterials ist viel besser, das Augmentat ist vor mechanischen Belastungen hervorragend geschützt, das Wundgebiet stabil. Risiko der klassischen Bonesplit-Technik: Wählt der Chirurg die übliche crestale Inzision und legt den Knochen über einen klassischen „full thickness flap“ frei, liegt die Nahtstelle nach Abschluss der OP genau über dem Splitbereich.

 

Zur Deckung des nun breiter gewordenen Kieferkamms ist ein großflächiges Verschieben der Lappen und eine Periostschlitzung unumgänglich. Die Durchblutung und die Vitalität des Knochens und des Mukoperiostlappens werden folglich erheblich beeinträchtigt. Falls das gesplittete knöcherne Fragment bricht, hat man im Prinzip eine Situation wie bei einer Knochenblockaugmentation – mit allen daraus resultierenden Problemen. Nach der Heilung ist das Ergebnis nicht selten schlechter als vor der OP.

 

Mit dem modifizierten Bonesplit gelingt es mir in der Praxis, vorhersehbare Ergebnisse mit geringem Aufwand zu erreichen. Die Risiken werden minimiert, die Anzahl der für die Versorgung chirurgischen Eingriffe reduziert. Die postoperativen Beschwerden sind im Vergleich sehr gering. Folgende Fragen muss sich in Anbetracht dieser Technik jeder implantologisch tätige Kollege selbst beantworten: Sind komplexe chirurgische und prothetische Vorgehensweisen wirklich notwendig, um ein ansprechendes Ergebnis der Implantatbehandlung zu erreichen? Oder führen auch schnellere, weniger invasive, preiswertere und weniger schmerzhafte Wege zum Ziel: dem möglichst zahnähnlich aussehenden und funktionierenden implantatgetragenen Zahnersatz?

Beispiel aus der Praxis

Eine Patientin stellte sich vor einigen Jahren mit dem expliziten Wunsch nach einer festsitzenden Versorgung bei mir vor. Vier Monate nach Extraktion mit „socket preservation“ konnte der vertikale Parodontaldefekt um den Zahn 45 (auch 35, 37) regeneriert werden. Die Knochenhöhe regio 45,46 reichte knapp für die Insertion ausreichend langer Implantate, um später bei der Belastung

günstige Implantat/Krone-Verhältnisse (1:1) zu ermöglichen. Am Tag der Implantation war der Kieferkamm regio 46 insgesamt etwa 4,5 mm breit. Die keratinisierte gingiva fixa war schmal, aber vorhanden. Die Patientin hatte einen dünnen gingivalen Biotyp.

 

Die Schnittführung begann im Vestibulum. Der Lappen wurde in „split flap“- Technik ausgeführt, das Periost verblieb auf dem Knochen. Auf der Spitze des Kieferkamms wurde das Periost durchtrennt, der Lappen 3 bis 4 mm als „full thickness flap“ weiter nach lingual gelöst. Somit war der Knochen nur in einem sehr schmalen Bereich auf der Kieferkammspitze deperiostiert. Das hatte folgende Vorteile: Die Durchblutung und die Ernährung des Knochens wurden nur minimal gestört. Sollte bei dem folgenden Splitting eine Knochenlamelle brechen, was nie auszuschließen ist, bleibt sie am Periost gestielt, vital und kann über Kalusbildung problemlos heilen.

 

Der Lappen wurde mithilfe einer preiswerten atraumatischen Seidennaht und dem Nadelhalter als Gewicht nach lingual fixiert, um die Übersichtlichkeit im OP-Bereich zu verbessern. Die Breite des knöchernen Kieferkamms betrug 3 mm. Mit einer diamantierten Trennscheibe erfolgte unter guter Kühlung – mit wenig Druck und bei geringer Drehzahl – ein crestaler Schnitt in den Kieferkamm. Das geht viel schneller als mit dem Piezosurgery-Gerät und der Knochenverlust ist geringer, da die Trennscheibe sehr dünn ist. Die Trennscheibe wird stets parallel zur vestibulären Kompakta geführt, falls die Kieferkammstärke nach basal zunimmt.

 

Falls der Kieferkamm über eine größere Höhe sehr schmal verläuft, schneideich mittig. Falls notwendig wird nach mesial bzw. distal mit einer sehr dünnenKnochenfräse der Schnitt weiter vertieft. Durch leichtes Schwenken des Fissurenbohrers nach vestibulär wird die Knochenlamelle von innen – aus dem Schnitt heraus – geschwächt und eine Sollbruchstelle geschaffen, ohne das Periost zu verletzen, wie das bei der üblichen Technik mit den „Briefmarkenperforationen“ von vestibulär der Fall wäre. Auf genügend Abstand zum N. alveolaris inferior ist dabei immer zu achten!

 

Mit dem speziellen chirurgischen Meißel, leichten Hammerschlägen und vorsichtigen Spreizbewegungen wird der Spalt so weit wie notwendig geöffnet. Es dauert eine Weile, bis der Knochen sich plastisch verformt. Falls eine der Knochenlamellen bricht – kein Problem, sie ist über das Periost gestielt.

 

Die Bohrung für das erste Implantat wird nun durchgeführt. Während der Bohrung kann man die Knochenlamellen mit geeignetem Werkzeug (Meißel, Raspatorium) zusätzlich etwas spreizen. Hervorragend eignen sich für diese Technik konische Implantate (zum Beispiel TRI-Octa oder Zimmer Implantat): Man braucht nur die Pilotbohrung. Das Implantat betätigt sich danach als „Keil“ und spreizt den Split selbstständig auf die notwendige Breite auf. Der Knochenkontakt im Split ist dadurch auch besser als bei einem zylindrischen Implantat, das überwiegend im apikalen Bereich einen direkten Knochenkontakt aufweisen wird. (Das ist bei den hier verwendeten Straumann-Implantaten der Fall). Die Bohrung und die Insertion des zweiten Implantats sind kein Problem mehr, das erste Implantat hält den Spalt offen. Die Implantate werden gemäß „Biologischem Breite-Protokoll“ supracrestal gesetzt. Der Knochenspalt wird mit dem Knochen aus dem Knochensieb und BioOss gefüllt, das Augmentatmaterial mit sterilem Kugel- oder Amalgamstopfer verdichtet.

 

Das Abdecken mit einer Membran ist nicht notwendig – ganz im Gegenteil, es ist sogar schädlich: Die Ernährung des dünnen gesplitteten Mukosallappens, mit dem die Wunde verschlossen wird, wird durch die Membran gestört, was Nekrosen des Lappens und Wunddehiszenzen zur Folge hat. Infolgedessen sollte man unbedingt den Lappen am Wundrand spannungsfrei und sorgfältig vernähen, ihn danach für zwei bis drei Minuten mit den Fingern und leichtem Druck auf das Periost adaptieren. Es schadet meiner Erfahrung nach nicht, wenn die Implantate nicht vollständig gedeckt werden können. Meist bricht nach einiger Zeit die Schleimhaut über den Implantatköpfen auf.

 

Der schmale Streifen keratinisierte Gingiva bleibt erhalten, ein zusätzlicher Eingriff zur Freilegung ist meist nicht notwendig. Nach dem Eindrehen der Massivsekundärteile wird deutlich, dass es auch bei dieser Technik ein gewisses Maß an Knochenresorption an der Spitze der vestibulären Lamelle gibt – immer wenn Knochen deperiostiert wird, resorbiert er. Die Resorption verläuft jedoch vorhersehbar und physiologisch. Das von mir aus der Erfahrung entwickelte und angewendete „Biologische Breite-Protokoll“ sieht die Präparation der Implantatschulter vor, um einen scallopierten zahnähnlichen Verlauf des Kronenrandes zu ermöglichen.

 

Die Abformung und Kronenherstellung erfolgen konventionell wie bei natürlichen Zähnen mit Retraktionsfäden, Hydrocolloid, Gipsstümpfen und VMK-Kronen. Diese Technik ist deutlich preisgünstiger als die herkömmliche Technik zur Herstellung von Implantatkronen. Manipulierimplantate und Abformhilfen sind nicht notwendig. Auch die Passung der Kronen auf dem Stumpf ist deutlich besser, wenn der Techniker seine Gusstechnik beherrscht.

 

Der Verlauf der Kronenränder an 45, 46 ist scallopiert, ähnlich wie bei der Krone auf dem natürlichen Zahn 44. Weil in diesem Bereich die Ästhetik nicht die erste Priorität besitzt, wurden die Kronen mit dünnem Goldrand hergestellt, um einen perfekten Übergang zum Implantat zu garantieren. Die Kronen werden mit Kompositkleber befestigt. Der horizontale Verlauf der Gingiva ist ebenmäßig, die rote Ästhetik im Seitenzahnbereich harmonisch. Solche Ergebnisse sind lange stabil: Es gibt keine subgingivalen Spalten, keine Mikrobeweglichkeit, keine von Bakterien besiedelbaren Hohlräume.

 

Nach dem definitiven Zementieren der Kronen sollte immer ein Kontrollröntgenbild angefertigt werden, um zu kontrollieren, ob keine Kleberreste subgingival verblieben sind. Die Röntgenkontrolle nach dem Festeinsetzen der Komplettsanierung zeigt sauber sitzende Kronenränder und keine Kleberreste.

 

Weiterführender Hinweis:

  • Literatur, Behandlungsbeispiele und zusätzliche Auskünfte sowie Fotos des Behandlungsverlaufs erhalten Sie auf Wunsch beim Verfasser: Georg.Taffet@t-online.de